Don't worry

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„Du wirst sterben?“, flüsterte ich.

„Ach komm schon. Als ob dir darüber Sorgen machst. Du wirst mich abliefern und noch bevor du dich wieder Nähren musst, werde ich tot sein!“, fuhr Haven mich ungehalten an.

Bei diesen Worten schmerze mein Herz. Es war kein stechender Schmerz. Es war als fackelte es jemand ab. Verdammt sie hatte Recht. Aber ich wollte es mir nicht eingestehen. Als ich in der Sonne gestanden hatte, hatte immer wieder ein Gedanke in meinem Kopf gehämmert: Ich kann Haven nicht gehen lassen.

Egal ob ausliefern oder freilassen, beides kam für mich nicht in Frage. Ob es an der Bindung lag oder nicht, ich wollte das Haven bei mir blieb. Mir waren solche Gefühle und Gedanken vollkommen neu, aber ein Teil von mir war schon lange dafür bereit gewesen.

Der Schmerz in Havens Augen veranlasste mich dazu ihre Tränen fort zu wischen und sie an mich zu ziehen.

Haven

Tegan zog mich in seine Arme. Ich wehrte mich dagegen, schlug auf seine Brust ein, aber er ließ nicht locker. Weinend gab ich auf. Tegan zog mich auf seinen Schoss und wiegte mich leicht hin und her, als wäre ich ein kleines Kind. Zwar versiegten meine Tränen bald, aber in meinem Inneren schrie etwas ganz erbärmlich um Hilfe. Ich würde sterben. So oder so. Wenn es der Durst nicht tat, würde es Tegans Auftraggeber tun. Die einzige Möglichkeit wäre Tegan um zu bringen, doch das brachte ich nicht übers Herz.

„Da musst du auch nicht“, flüsterte Tegan.

„Wie bitte?“, fragte ich verwirrt.

„Du musst mich nicht töten“, antwortete er.

„Das hab ich doch gar nicht gesagt.“

„Nicht?“, fragte Tegan erstaunt.

„Du kannst Gedanken lesen?“, fragte ich überrascht.

„Nur die von Menschen.“

„Aber dann …“, ich überlegte.

„Du hast es in deinem Inneren gefühlt, das ich darüber nachgedacht habe?“

„Kann sein. Aber Haven, du musst mich nicht töten. Wir finden eine Lösung. Bestimmt.“

Ich schüttelte den Kopf. Es gab keine Lösung für dieses Problem.

Tegan

Irgendwann war Haven in meinen Armen eingeschlafen. Sie war so erschöpft gewesen von dem vielen Blutverlust und dem weinen, dass sie einfach weggedriftet war. Nachdenklich sah ich auf sie herunter. Selbst wenn ich Haven nicht ablieferte, das Problem würde weiter bestehen: Die Vampire wollten Haven. Und dieser ganz besonders. Nach und nach entstand in meinem Kopf ein Plan wie wir aus dieser Sache raus kämen. Aber wer konnte sagen, ob Haven mich danach nicht einfach verließ? Sicher sie brauchte mein Blut, aber sie konnte es sich einfach holen, wenn sie es brauchte, oder warten bis ich tot war. Sie müsste einfach nur warten, bis ich verdurstet war. Wenn ich so darüber nachdachte, erschien mir der Tod besser als eine Ewigkeit ohne sie.

Was? Woher kam das alles so plötzlich? War die Bindung wirklich so stark? Oder kam das alles doch von mir selbst? Die Frauen in meinem Leben hatten immer nur als Nahrungsquelle oder zum Sex gedient. Keine hatte ich gemocht oder gar so etwas absurdes wie geliebt. Außerdem war Haven sehr begehrt in der Welt der Unsterblichen. Wie konnte ich denken sie würde mir gehören? Oder das sie mich wollte? Ich hatte sie entführt, gequält, gebissen und fast getötet. Unmöglich, das sie mich wollte.

Doch als ich darüber nachdachte, wie es wäre wenn Haven in den Armen eines Anderen lag, keimte Eifersucht in mir auf, begleitet von Besitzanspruch. Ein tiefes Grollen stieg in meiner Kehle auf. Nein. Haven würde nie einem Anderen gehören. Nicht solange ich lebte.

„Was ist los?“, fragte eine verschlafene Haven leise.

Ich sah sie an. Anscheinend hatte ich sie geweckt.

„Nichts. Schlaf weiter.“

Zu meinem Erstaunen nickte Haven und kuschelte sich in meine Arme. Beruhigend fuhr ich ihr über die Haare. Kurz darauf schlief sie wieder und ich dachte weiter über meinen Plan nach Haven zu beschützen.

Haven

Als ich das nächst Mal aufwachte, dämmerte es gerade. Ich lag hinten auf dem Rücksitz und Tegan fuhr.

„Wohin fahren wir?“, fragte ich noch immer benommen.

„Zu meinem Auftraggeber“, antwortete Tegan kühl.

Mit einem Schlag war ich hell wach. Hatte Tegan nicht gesagt, das wir einen anderen Weg finden würden? Sicher wusste ich es besser, aber ich hatte angenommen, dass er mich gehen lassen würde.

„Ich hab eine Idee, wie wir dich aus der Sache rausbekommen.“

Etwas beruhigt kletterte ich nach vorne auf den Beifahrersitz.

„Wie soll das gehen?“ fragte ich während ich mich anschnallte.

„Ich werde ihn töten“, erklärte Tegan grimmig.

Skeptisch sah ich ihn an.

„Du hast nie gesagt, wer dich geschickt hat“, bemerkte ich.

Tegan sagte dazu nicht. Ich wurde misstrauisch.

„Tegan? Wer hat dich geschickt?“

Er starrte stur auf den Highway, als er antwortete:

„Victor.“

Die Bremsen quietschten und wir blieben auf dem Seitenstreifen stehen.

„Was!?“

Victor war eins der Oberhäupter des Ordens. Zwar war auch er jünger als ich, aber er hatte einige beeindruckende Fähigkeiten und war auf keinen Fall zu unterschätzen. Außerdem hatte er viele treue Mitglieder des Ordens um sich herum.

„Tegan das ist Wahnsinn. Du kannst ihn nicht töten. Du wirst sterben!“

Tegan war schon längst weiter gefahren. Er hielt mit der linken Hand das Steuer, mit der rechten Hand griff er nach meinen.

„Es wird funktionieren Haven. Mach dir keine Sorgen.“

I want your deathWhere stories live. Discover now