Don't die

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Ein unerträglicher Schmerz durchfuhr mich wie ein Blitz. Reflexartig zog ich meinen Arm an meinen Körper, aber Tegan ließ nicht locker. Er biss sich, wie ein wildes Tier, in meinem Handgelenk fest. Tegans Kopf war an meine Brust gedrückt während er mit schmatzendem Geräusch mein Blut trank. Der durchdringende Geruch vom Blut der Prostituierten und dem meinem mischten sich. Beinah konnte ich den metallischen Geruch auf meiner Zunge schmecken.

Ich war noch nie gebissen worden. Weder von einem Wolf, noch von einem Vampir, Menschen oder einem Tier. Schließlich wurde man als Vampir geboren. Das Einzige worin man jemanden mit einem Biss verwandeln konnte, war in eine Leiche oder ein verzücktes Etwas. Wenn ein Werwolf zubiss verwandelte man sich auch nicht in einen Wolf. Denn genau wie Vampire wurden sie geboren. Jedoch konnte ein Biss von einem Werwolf einen normalen Vampir töten. Eine äußerst schmerzhafte und langwährige Angelegenheit. Ich hatte schon ein paar Mal miterlebt, wie ein Vampir elendig an dem Biss zugrunde ging. Wirklich kein schöner Anblick. Letzten Endes musst ich den Vampir jedes Mal selbst töten, bevor sein Wahnsinn ihn dazu trieb massenhaft Unschuldige zu töten.

Tegans Biss war somit eine vollkommen neue Erfahrung führ mich. Eine äußerst emotionale Erfahrung. Sehr essenziell. Ich spürte wie mein Blut zusammen mit meiner Kraft und Macht, meinen Körper verließ. Tegan sah zu mir auf. Seine Augen glühten, das Tattoo an seinem Hals begann zu pulsieren. Fasziniert beobachtete ich wie mit ihm das Selbe geschah, wie kurz zu vor mit mir: Sein Tattoo veränderte sich. Es lenkte mich von dem Schmerz in meinem Handgelenk ab, aber nicht lange. Denn was Tegan dann tat holte mich, auf eine sehr schmerzhafte Art und Weise, zurück in die Realität:

Er ließ für eine Sekunde von meinem Handgelenk ab, nur um erneut und fester als zuvor, mit einem lauten Knurren, zu zubeißen. Erschrocken entwich mir ein erstickter Schrei. Ich presste die Luft aus meinen Lungen ohne wieder ein zu atmen. Ich konnte nicht. Mein Körper war wie gelähmt genau wie mein Geist. Tegans Präsenz, mein Blut das er mit großen Schlucken trank, der Gestank der miefigen Toilette, meine Fähigkeiten welche ich nicht mehr lange kontrollieren konnte und die zunehmende Übelkeit machten mir zu schaffen. Plötzlich wurde mir schwindelig. Die ranzige Toilette um mich herum verschwamm und begann sich zu drehen. 

Verzweifelt umfasste ich mit der freien Hand Tegans Kopf und stützte mich mit dem Arm auf seiner Schulter ab, in dem Versuch etwas Halt zu finden. Doch während Tegan immer mehr von meinem Blut trank, schwanden meine Sinne langsam dahin. Es war zu spät um ihn los zu werden. Dafür hatte er schon zu viel von mir genommen. Am Anfang hätte ich es vielleicht geschafft, wenn ich nicht in eine Art Schockstarre gefallen wäre. Jetzt wurde mein Körper taub, ich verlor das Gleichgewicht und gleichzeitig die Besinnung.

Tegan

Haven ballte die Faust. Ich konnte fühlen wie ihre Muskeln sich unter meinen Händen anspannten. Sie versuchte sich meinem Griff zu entziehen, aber es gelang ihr nicht. 

Ihr Blut schmeckte unglaublich. Noch nie zuvor hatte ich etwas Vergleichbares getrunken. Es war so rein, voll, süß, einmalig. Ich wollte noch mehr! Viel mehr!

Gierig saugte ich an ihren Handgelenk. Auf einmal wurde ihr Arm schlaff. Erst jetzt fiel mir auf das ich nicht mehr in ihre Augen sah. Ich sah auf ihren zusammengesunkenen Körper. Als ich realisierte was gerade passierte, zog ich meine Fänge aus ihrem Arm und Havens Gestalt an meine Brust. Ihr Kopf fiel ihr in den Nacken, ihre Arme hingen schlaff an ihr herunter, ihre Beine trugen sie nicht mehr. Ihr Blut rann an ihrer Hand hinab und fiel in kleinen Tropfen auf den Boden. Sofort war ich versucht noch mehr von ihrem Blut zu nehmen, aber ich beherrschte mich irgendwie. Meine Fänge fuhren ein und meine Augen wurden wieder normal.

„Haven? Haven!“, rief ich mit kehliger Stimme.

Keine Reaktion. Schnell hob ich sie hoch. Ich trug sie raus aus der Toilette, dem Haupthaus und den Flur zu den Zimmern. Mit einem kräftigen Tritt stieß ich die Tür von unserem Zimmer auf und schloss sie mit einem weiteren. Behutsam legte ich Haven auf das Bett. Ungeschickt griff ich nach ihrer Tasche und schüttete sie neben ihrem leblosen Körper aus. Ihre persönlichen Sachen fielen zusammen mit den Blutkonserven heraus. Ich griff nach der Erstbesten, öffnete sie, hob Havens Kopf an und hielt ihr die Konserve an die blassen Lippen.

„Haven, trink!"“

Keine Reaktion. Schnell tropfte ich ihr etwas der roten, zähflüssigen Flüssigkeit in ihren Mund. Angst stieg in mir auf und umfasste mit eiserner Hand mein Herz.

„Haven trink! Bitte! Es tut mir leid. Stirb mir jetzt bloß nicht! HAVEN!“

Haven

Vollkommene Finsternis umhüllte mich. Ich konnte meinen Körper nicht spüren. Alles war irgendwie taub und dumpf. Ich fühlte mich so unglaublich leer und erschöpft. War das das Ende? Wurde ich endlich von einer Ewigkeit erlöst, welche ich nie gewollt hatte? Die Jahrhunderte hatten mich beinah zu Grunde gerichtet und die Welt mit mir. Es war falsch so lange zu legen. Es war nicht über- sondern unnatürlich. Eine Laune der Natur. Vielleicht holte sie sich jetzt endlich wieder ihr Recht auf eine Welt ohne mich zurück?

„Haven, trink!“, hörte ich plötzlich eine weit entfernte Stimme.

Wer war das? Ich dachte scharf nach, in dem Bemühen mich an etwas zu erinnern. Aber da war nichts. Meine Gedanken waren dumpf und leer.

„Haven trink! Bitte es tut mir Leid!“

Am Rande meines Bewusstseins schlich sich ein Name ein. Langsam und zähflüssig wie Honig. Tegan? Langsam begann ich mich an ihn zu erinnern. Aber er sagte nie bitte oder das es ihm Leid tat. Oder? Er konnte es also nicht sein. Es war unmöglich. Trübten mich meine Sinne am Ende meiner Existenz? Gab es etwas, vor dem nicht einmal ich sicher war?

„Stirb mir jetzt bloß nicht“, schrie er plötzlich mit Angst erfüllter Stimme.

Tegan!

„HAVEN!“

I want your deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt