I will die

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„Was kannst du nicht?“

Keine Reaktion.

„Tegan was kannst du nicht?“

Er hob die Hand und strich mir über die Wange. Misstrauisch sah ich ihn an. Was war denn jetzt los? Hatte die Bindung möglicherweise doch größere Auswirkungen auf ihn, als ich angenommen hatte?

Als sich ein schmerzlicher Ausdruck auf Tegans Gesicht legte, griff ich nach seiner Hand.

„Was ist los?“, fragte ich besorgt.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen schüttelte er leicht den Kopf. Plötzlich entzog er mir seine Hand, öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen, raus in die pralle Sonne.

„Scheiße!“, fluchte ich, stieg ebenfalls aus und ging zu ihm.

Tegan stand einfach nur da, starrte auf das Wasser und fuhr sich durch die Haare.

„Tegan?“, fragte ich vorsichtig.

Bei meinem Glück würde er jeden Moment ausrasten und auf mich losgehen. Trotzdem stellte ich mich vor ihn. Aber er bemerkte mich gar nicht richtig. Besorgt sah ich ihn an. Es war mitten am Tag und er stand in hier draußen, anstatt im geschützten Auto zu sitzen. Ich konnte deutlich sehen wie ihm die Sonne zu schaffen machte. Das wäre die perfekte Gelegenheit um abzuhauen, schoss es mir mit einem Mal durch den Kopf. Aber ich konnte ihn doch nicht so zurück lassen. Oder doch? Vermutlich würde sich mir eine solche Gelegenheit nicht noch einmal bieten. Ich wollte nicht das Tegan etwas passierte, aber ich hing auch an meinem Leben.

Leise ging ich ums Auto rum, griff nach meiner Tasche und entfernte mich langsam. Tegan dabei immer im Blick. Aber er rührte sich ohnehin nicht. Stand einfach weiter da und starrte vor sich hin. Ich drehte mich um und rannte los. Ich musste hier weg, so schnell es nur ging. Zwei Blocks weiter blieb ich stehen. Ich horchte. Kein Tegan zu hören. Gerade als ich weiter rennen wollte, kam mir ein beängstigender Gedanke: Was wenn er immer noch draußen rum stand? Es waren kuschelige 32°. Mir war einfach nur heiß, aber Tegan vertrug die Sonne nicht über einen längeren Zeitraum. Schon gar nicht bei diesen Temperaturen. Ich schwankte. Ach, verdammt!

Ich kehrte um und lief zurück zu Tegan. Tatsächlich saß er immer noch nicht im Auto. Er lehnte dagegen und verzog das Gesicht. Ich legte einen Endspurt ein, riss die Hintertür auf, stieß ihn ins Auto und folgte ihm. Schnell zog ich die Tür zu.

„Tegan?“

Benommen lag Tegan auf den Sitzen. Verzweifelt rüttelte ich ihn. Nichts.

„Jetzt komm schon Tegan. Gib jetzt nicht auf!“

Tegan

Ich konnte fühlen wie Haven mich rüttelte, mich aber nicht dazu durchringen etwas zu sagen. Sie war weggelaufen. Das hatte ich bemerkt, obwohl ich vollkommen abwesend meinen Gedanken nachgehangen hatte. Meinen Schuldgefühlen. Aber sie war zurückgekommen. Wegen mir. Eine Tatsache, die sich nicht ändern ließ und mir irgendwie gefiel. Aber sie wusste ganz genau was das für sie bedeutete. Warum war sie nur so dumm?

„Tegan. Du musst trinken“, hörte ich plötzlich Havens Stimme.

Sie hielt mir etwas unter die Nase. Ich konnte deutlich Blut riechen, es fast schon auf meiner Zunge schmecken.

„Trink“, forderte Haven wieder.

Ich war zu schwach um nach der Konserve zu greifen. Haven schien das zu wissen, denn auf einmal drückte sie sie an meinen Mund. Meine Fänge fuhren aus und meine Lippen legten sich um die Blutquelle. In kleinen Schlucken trank ich das süße Blut. Langsam kam ich wieder zu Kräften und umfasste mir beiden Händen den Ursprung des Blutes. Ich wurde wieder klarer. Mit einem Mal wurde mir bewusst, das ich nicht aus einem Blutbeutel trank, sondern aus Havens offener Vene. Ich sah auf, direkt in Havens Gesicht. Ein leicht verzückter Ausdruck lag auf ihren Zügen und für einen kurzen Moment schloss sie die hellen Augen. Als sie sie wieder öffnete waren ihre Fänge ausgefahren, aber hinter ihren Lippen verborgen. Ich hob eine Hand, fuhr mit dem Daumen zwischen ihre Lippen und über die Spitze einer ihrer Fangzähne. Sanft biss Haven im meinen Finger. Es floss kein Blut, aber es hatte etwas sehr erotisches an sich. Ich stöhnte kurz an auf, noch immer ihr Handgelenk zwischen meinen Fängen. Ich nahm einen letzten, großen Schluck und führ anschließend mit der Zunge über die offene Stelle. Kaum das ich von ihr abließ, heilte die Wunde. Noch vollkommen im Blutrausch zog ich Havens Gesicht zu mir runter, um sie zu küssen. Haven war jedoch bei klarem Verstand. Kurz vor meinen Lippen flüsterte sie:

„Dafür schuldest du mir was“, ehe sie sich meinem Griff entzog.

Ich setzte mich auf, um Haven platz zu machen. Sie setzte sich neben mich und sah aus dem Fenster. Warum wollte sie mich nicht ansehen? Ich hatte mir ihr Blut doch nicht mit Gewalt genommen. Oder doch? Unsicher sah ich zu ihr rüber.

„Haven, warum habe ich dein Blut betrunken?“

Es dauerte eine Weile, ehe sie mich ansah und leise sagte:

„Weil du von nun an nur noch mein Blut wollen wirst.“

Das verstand ich nicht. Zweifellos würde ich nie wieder etwas anderes trinken, wenn ich könnte, aber ich konnte nicht. Also würde ich mich weiterhin von Menschen nähren. Scheinbar sah ich Haven fragend an, denn sie fuhr fort:

„Tegan, du wirst mein Blut nicht nur wollen, er wird das Einzige sein, das zu dir nehmen kannst. Das ist Teil der Bindung.“

Scheiße WAS!?! Das konnte nicht sein. Noch zwei Tage und ich würde Haven nie wieder sehen. Ich würde sie meinem Auftraggeber übergeben, der würde mich bezahlen und wer weiß was mit ihr anstellen. Wie sollte ich lange überleben, wenn ich nichts trank?

„Du lügst!“, fuhr ich sie heftiger als beabsichtigt an.

Sofort hielt Haven mir eine Blutkonserve unter die Nase

„Probier es aus“, forderte sie mich auf.

Ich griff nach der Konserve, öffnete sie und nahm einen Schluck. Währenddessen fuhr Haven das Fenster runter. Keine zwei Sekunden später wusste ich auch warum. Ich würgte, spuckte das Blut aus dem Fenster raus und sah sie ungläubig an. Sie fuhr das Fenster wieder hoch und wartete meine Reaktion ab.

„Warum hast du mir das nicht gesagt?!“

„Ich war mir bis eben nicht ganz sicher. Da ich nicht an dich gebunden bin, dachte ich es würde die Möglichkeit bestehen, das es anders ist.“

„Warum hast du mir gerade nicht einfach eine Blutkonserve gegeben?“

„Ich hatte keine Zeit für Experimente. Du blödes Arschloch wärst fast draufgegangen!“, schrei Haven mich mit Tränen in den Augen an.

Ich schluckte. Eine solche Reaktion hatte ich nicht erwartet. Haven biss sich auf die Lippe und sah erneut aus dem Fenster.

Haven

Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu weinen. Ich durfte gar nicht darüber nachdenken, was alles hätte passieren können, wenn ich nicht zurückgekommen wäre und ihm mein Blut gegeben hätte. Mir war egal, das ich ihm den vollen Umfang seiner Bindung an mich hatte klar machen müssen. Es hatte ihn gerettet und mir so einige Schmerzen erspart.

Tagen

Plötzlich wurde mir klar warum Haven heute Morgen das Blut wieder ausgespuckt hatte. Sie hatte es, genau wie ich gerade, nicht drin behalten können. Von wegen Magenverstimmung.

„Haven, was passiert, wenn du nicht mein Blut trinkst und dich an mich bindest?“, fragte ich besorgt.

Ich glaubte die Antwort zu kennen, hoffte aber das ich mich irrte. Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie sich zu mir wand und sagte:

„Über kurz oder lang werde ich sterben.“

I want your deathWhere stories live. Discover now