The wolf

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Sprachlos hielt ich mir die schmerzende Wange. Bei Tegans Schlag war der Unterkiefer gebrochen, doch es verheilte bereits. Starr sah ich ihn an. Er war wütend, schien aber gleichzeitig erleichtert zu sein. Jedoch konnte ich nicht sagen, welches Gefühl dabei das Andere überragte. Vermutlich war er mehr wütend, als erleichtert.

Beschämt senkte ich meinen Blick. Obwohl ich Tegan tendenziell vertraute, hatte ich ihm nicht die Wahrheit über mich gesagt. Allerdings hatte ich nicht aus Willkür so gehandelt. Als ich meinem Gefährten damals davon erzählte, brach ein Streit aus, der Jahrzehnte angedauert hatte. Seitdem habe ich es vermieden anderen Vampiren oder Werwölfen davon zu erzählen. Tegan stand mir nicht einmal annähernd so nah wie mein Gefährte es getan hatte. Das Risiko, dass er mich verraten und ausliefern würde war einfach zu groß gewesen. Dennoch, obwohl ich ihm nicht die Wahrheit gesagt hatte, hatte er mir geholfen, nachdem er sie erfahren hatte. Offensichtlich hatte ich mich in ihm getäuscht. Ob es nun an der Bindung lag oder nicht, er hatte mich beschützt.

Entschlossen öffnete ich meine Tür, stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete Tegans Tür. Ich sah ihn an. Scheinbar tobte in ihm ein Krieg. Seine Haltung drückte Ablehnung aus, doch seine Augen sagten etwas ganz anderes. Er drehte sich in meine Richtung, sodass ich zwischen seinen Knien stand. Als sie meine Hüfte berührten, breitete sich ein Prickeln in mir aus. Ohne darüber nachzudenken, umfasste ich sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn. Einen kurzen Momentlang schien es, als wollte er sich mir widersetzten, doch dann öffnete er mit einem leisen Knurren seine Lippen. Er küsste mich stürmisch. Tegan legte seine ganze Wut und Verzweiflung in diesen einen Kuss. Ich presste meinen Körper an seinen. Ich wollte ihn fühlen. Wollte, dass er sein Recht auf mich einforderte.

Tegan

Ich war erleichtert, dass Heaven in Sicherheit war. Doch meine Verzweiflung darüber, dass es nicht zu ende war, nährte meine Wut. Eine Wut, von der ich selbst wusste, dass sie dumm war. Heaven hatte mir nicht die Wahrheit gesagt und dafür vermutlich gute Gründe gehabt. Victor war das beste Beispiel. Er wusste es und hatte sie als Gefangene behalten wollen. Dennoch verletzte es mich, dass sie mir nicht vertraut hatte.

Heavens Körper presste sich an meinen. Es war eine stille Aufforderung. Ich konnte in meinem Inneren fühlen, dass sie sich schämte, aber auch, dass sie mich wollte. Ich verfluchte im Stillen, dass wir nicht in einem Motel waren. Der Wagen würde für das was ich mit ihr vorhatte nicht reichen. Widerwillig hörte ich auf sie zu küssen, doch meine Stirn lehnte ich an ihre.

„Es tut mir Leid Tegan“, flüsterte sie.

Der Klang meines Namens aus ihrem Mund ließ mir einen Schauer über den Rücken fahren.

„Ich weiß“, murmelte ich mit kehliger Stimme.

Heaven

Erleichtert suchten meine Lippen erneut die seinen. Dieses Mal war es ein zärtlicher Kuss. Vorsichtig biss ich ihm leicht in die Unterlippe. Ein Stöhnen entwich Tegan. Als ich mich von ihm löste, sah ich in deine transformierten Augen. Seine Fänge ragten zwischen seinen Lippen hervor. Ich hob einen Zeigefinger und fuhr über die scharfen Enden. Tegan sah mich an. Ich konnte regelrecht fühlen, wie schwer es ihm fiel sich zu beherrschen. Mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen, ließ ich meine Hände unter sein Shirt gleiten. Sein Körper war erhitzt, von dem kurzen aber nervenaufreibenden Kampf. Quälend langsam ließ ich meine Hände seinen Rücken hinaufwandern. Seine Muskeln wölbten sich hart unter der Haut. Tegan öffnete seinen Mantel, den ich noch immer anhatte und umfasste mit beiden Händen meine nackte Talje.

Doch als er seine Hände zu meinem Rücken fuhren, erstarrte ich unter seiner Berührung. Ein unerträglicher Schmerz durchfuhr mich. Tegan fühlte es, stoppte seine Bewegung und sah mich verstört an.

„Tegan, was ist mit mir …“

Die letzten Worte blieben mir im Halse stecken. Mein Körper begann zu brennen, meine Nerven schrieen alle gleichzeitig auf. Ein unerträgliches Gefühl stieg in mir auf. Es war Angst. Nackte Angst um mein Leben. Verzweifelt krallten sich meine Finger in Tegans Arme. Mein Körper war verheilt. Die Wunden längst verschlossen. Trotzdem fühlte es sich überall dort, wo die Wache mich aufgeschlitzt hatte so an, als würde sich das Fleisch von meinen Knochen lösen.

Tegan stieg aus dem Wagen, hob mich hoch und legte mich vorsichtig auf die Rückbank. Ein Schrei entwich meinen Lippen. Trotzdem hörte ich, wie aus dem Wald, der an den Parkplatz grenzte, etwas auf uns zukam. Tegan bemerkte es erst, als das Wesen bereits neben ihm stand.

Tegan

Wie aus dem Nichts, stand plötzlich ein Wolf neben mir. Er war ziemlich groß und definitiv kein gewöhnlicher Wolf. Ich wollte ihn angreifen, doch ich fühlte das Heaven sich mit einem Schlag ein wenig entspannte. Ich sah vom Wolf zu ihr und wieder zurück. Noch immer darauf vorbereitet dieses Tier in kleine Stücke zu zerreißen fragte ich:

„Wer zur Hölle bist du?“

Ein Knurren stieg in der Kehle des Wolfes auf. Er zog die Lefzen hoch und zeigte seine scharfen Zähne.

Das selbe könnte ich dich fragen. Was hast du ihr angetan?’, erklang eine tiefe Stimme in meinem Kopf.

Heaven hatte es wohl auch gehört.

„Michael, er kann nichts …. Er hat nicht … er hat mir geholfen …“

Brachte sie unter furchtbaren Schmerzen leise über die Lippen. Ihre Schmerzen tobten in meinem Körper als wären sie meine eigenen. Verzweifelt sah ich den Wolf an. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal dazu herablassen würde, dennoch fragte ich ihn:

„Kannst du ihr helfen? Eine von Victors Wachen hat sie mit einem Silbermesser bearbeitet. Ihre Wunden sind verheilt, aber offensichtlich ist etwas zurückgeblieben.“

Der Wolf ließ von mir ab. Er legte den Kopf schief und sah auf Heaven, die sich unter den Schmerzen wand. Flehend sah sie mich an. Aber ich konnte ihr nicht helfen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung was mit ihr passierte.

Leg sie auf meinen Rücken. Wir müssen in den Wald.’

Angespannt dachte ich eine Sekunde darüber nach. Heaven vertraute dieser Kreatur und ich konnte ihr nicht helfen. Und ich würde alles tun um ihr zu helfen. Sogar den Worten eines Wolfes trauen.

Ich holte Heaven wieder aus dem Wagen, hielt sie jedoch in meinen Armen.

„Ich trage sie.“

Der Wolf knurrte kurz, lief aber los. Mit der schreienden Heaven in den Armen folgte ich ihm. Auf einer Lichtung blieben wir stehen. Michael bedeutete mir sie auf den Waldboden zu legen. Ich tat es. Besorgt kniete ich neben ihr und hielt ihre Hand. Mittlerweile war Heaven bewusstlos geworden. Die Schmerzen hatten sie überwältigt. Der Wolf legte sich neben Heaven. Wütend sah ich ihn an. Jetzt war nicht der Moment um sein Revier zu markieren. Ich wollte ihn schon anfahren, als das Tier seinen Kopf senkte und Heavens Wange mit der Schnauze berührte. Er schloss die Augen und ein leises Heulen durchschnitt die Stille der Nacht.

I want your deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt