Stay

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Tegan

Haven schluckte. Schwach aber sie tat es. Sofort schüttete ich ihr mehr Blut in den Mund. Wieder schluckte sie. Da sie keine Anstalten machte sich zu rühren, fütterte ich sie weiter bis der Beutel leer war. Als der letzte Tropfen ihre Kehle herunter geronnen war, griff ich nach der nächsten Konserve. Wieder schluckte Haven nur. Zwar sah sie mit jedem Schluck besser aus, trotzdem bewegte sie sich nicht. Ich griff nach der dritten Blutkonserve und flösste sie ihr ein. Als ich ihr die vierte hinhielt, schloss sie die Lippen. Die Wunde am Handgelenk verheilte, die wenige Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück und sie atmete wieder normal. Warum sie überhaupt atmete war mir ein Rätsel, aber ich tat es schließlich auch. Tarnung war alles, wenn man unter Menschen lebte. Zu mindest wenn man nicht darauf erpicht war entdeckt zu werden. Es gab auch Vampire, denen es egal war und die einfach alle töteten, die herausfanden, was sie waren.

„Haven?", flüsterte ich.

Nichts. Sie mochte besser aussehen, aber es schien ihr nicht besser zugehen. Nachdenklich sah ich in ihr Gesicht. Was sollte ich jetzt machen? Sie wollte kein Blut mehr, aber mir fiel nichts anderes ein, was ihren Zustand verbessern könnte. Vorsichtig strich ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Gott, was hatte ich getan?

Vier Stunden später, saß ich mit angestellten Beinen neben dem Bett, mit dem Rücken an die Wand gelehnt und beobachtete Haven. Nicht die winzigste Regung war zu erkennen. Ihr stetiger Atem war das einzige Anzeichen dafür, dass sie noch am Leben war. Ihre Sachen lagen verstreut neben ihr auf dem Bett. Um etwas zu tun zu haben, stand ich auf, sammelte alles wieder ein, steckte es in ihre Tasche und stellte sie anschließend zurück zu meiner. Besorgt wandte ich mich Haven zu. Ich war ein Krieger. Ein Mann der Tat. Geduldig zu Warten zählte nicht unbedingt zu meinen Stärken. Ebenso wenig wie mir Sorgen um jemanden zu machen. Noch dazu um eine fremde Frau. Ich setzte mich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand, die noch vor nicht all zu langer Zeit zwischen meine Fänge geraten war. Sanft streichelte ich mit dem Daumen über ihren Handrücken, die Innenseite des Handgelenkes und des Unterarms. Als ich bei ihrem Handgelenk ankam passierte etwas Erstaunliches: Dort wo sich zuvor meine Fänge in ihre Haut gebohrt hatten, entstand ein neues Tattoo. Ausgehend von dem Rand ihrer Handfläche begannen feine Linien sich ihren Weg zu bahnen. Sie schlängelten sich tiefrot ein drittel ihres Unterarms entlang, ehe sie begannen den äußeren Bereich zu schmücken. Dort schlichen sich immer wieder schwarze Linien ein. Auf der Höhe des Ellebogens stoppte es.

Ein zweites Tattoo und noch dazu zweifarbig? Ich war überwältigt. Interessiert fuhr ich mit den Fingern die neue Zeichnung nach. Unglaublich. Es war wunderschön, aber eine Bedeutung konnte ich daraus nicht lesen. Zweifellos hatte es eine, doch ich konnte sie nicht erkenne, obwohl ich Jahre lang alles gelesen hatte, was es über die Tattoos von Vampiren zu wissen gab, gelesen hatte. Erwartungsvoll sah ich Haven an. Womöglich würde sie jetzt endlich aufwachen.

Tat sie aber nicht. Nachdem ich eine weitere Stunde in ihr leeres Gesicht gestarrt hatte und dabei unaufhörlich ihren Arm gestreichelt hatte, gab ich mich geschlagen und ging in das kleine Bad. Die Tür ließ ich offen, nur für den Fall, dass sie sich doch noch regte.

Vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing, blieb ich stehen. Genervt betrachtete ich mein eigenes Spiegelbild. Wie hatte ich ihr das nur antun können? Ich brauchte dringend eine kalte Dusche. Ich zog mein T-Shirt aus und erstarrte als ich meinen Körper im Spiegel sah. Auf meiner Brust hatten sich ebenfalls neue Linien gebildet. Genau wie am Hals und einem Teil des rechten Schulterblattes. Etwa auf der Höhe meines Herzens schlichen sich immer wieder tiefrote Linien ein. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten?

Haven

Ich tank soviel Blut wie ich brauchte um mich zu regenerieren. Dann schloss ich meinen Mund. Langsam begann ich meinen Körper wieder zu spüren. Ich konnte mich wieder erinnern. Und ich konnte fühlen wie Tegan meinen Arm liebkoste. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, ehe ich die Augen wieder öffnen konnte. Ich kämpfte hart dafür und als es mir endlich gelang, fühlte es sich an, als würden Zentner an Gewicht an ihnen ziehen, um sie wieder zu schließen.

I want your deathWhere stories live. Discover now