Kapitel 13

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Als ich Malia am nächsten Morgen in der Schule begegne, sieht sie alles andere als gut aus. Sie hat tiefe Augenringe und ihr Gesicht ist so blass, dass ich kurz denke, sie wäre über Nacht zum Vampir mutiert. Alles in einem sieht sie so aus, als hätte sie keine Sekunde geschlafen, was mir Sorgen bereitet.

»Geht es dir gut?«, frage ich dann, weil ich es einfach nicht mehr aushalte.

Sie hält mitten im Gang inne. Einige Schüler drängeln sich an uns vorbei, doch weder Malia, noch ich schenken ihnen Beachtung. Meine gesamte Aufmerksamkeit liegt auf meiner Freundin, die mich erschöpft ansieht.

»Es ist nichts... Mein Bruder war letzte Nacht nur nicht Zuhause und ich mache mir halt Sorgen um ihn.«, erklärt sie mit trüben Augen und nun verstehe ich auch, warum sie aussieht, als hätte sie Schlafmangel.

Bei ihrem Anblick und der Besorgnis in ihrer Stimme zieht sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich greife nach ihrer Hand und drücke sie kurz, um ihr zu zeigen, dass ich für sie da bin. »Das wird schon wieder. Er ist sicherlich bei einem Freund untergekommen. Du kennst Emilio doch.«, sage ich dann überzeugt und schenke ihr ein ehrliches Lächeln.

Sie nickt schwach. »Du... du hast wahrscheinlich recht. Es wäre ja nicht das erste mal.« Zum Schluss hin wandern auch ihre Mundwinkel hoch, was mich innerlich erleichtert. Meine eigenen Sorgen scheinen plötzlich wie vergessen und es tut wirklich unfassbar gut, mal einen Moment lang nicht an Edon oder an sonst was zu denken.

»Was hast du jetzt?«, frage ich sie dann, um vom Thema abzulenken, was mir gelingt, da sie überrascht aufsieht. »Mathe«, antwortet sie dann und stöhnt keine Sekunde später genervt auf.

Ein fettes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht und ich kann nicht anders, als sie damit aufzuziehen. »Warum stöhnst du denn so grimmig? Malik ist überraschenderweise auch in deinem Mathekurs, was heißt, dass ihr nun zwei Stunden in dem selben Raum sitzen werdet.«

Beinahe sofort werden ihre Augen groß und sie funkelt mich wütend an, doch kann sich dabei selbst kein Grinsen verkneifen. Sie möchte etwas erwidern, doch kommt nicht dazu, da ich im selben Moment von der Seite angerempelt werde.

Ich verliere augenblicklich das Gleichgewicht und stolpere einige Schritte zur Seite, mein Gesichtsausdruck dabei ist bestimmt zum schreien, denn als ich sehe, wer genau mich da gerade nicht besonders sanft angerempelt hat, brennen bei mir alle Sicherungen durch.

»Edon du Arsch, bleib stehen! Verdammt! Du kannst doch nicht...«, schreie ich ihm hinterher, doch halte letztendlich inne, da er ohne auch nur zurückzusehen am Ende des Ganges abbiegt und aus meinem Sichtfeld verschwindet.

Ungläubig sehe ich auf den Punkt, an dem er sich kurz zuvor noch befand und löse mich erst aus meiner Schockstarre, als ein lautes und wirklich amüsiertes Lachen neben mir ertönt.

»Scheiße Malia, dass ist alles andere als lustig! Hör endlich auf zu lachen!«, fahre ich sie an, doch das macht alles nur noch schlimmer.

Ich fahre mir frustriert durch die Haare und kann gerade noch den verzweifelten Aufschrei unterdrücken, der in meiner Kehle steckt und nur darauf wartet, nach draußen zu gelangen. »Das hat Edon extra gemacht! Nur weil er noch sauer wegen gestern ist, ich... ich kann es einfach nicht fassen!«

Malia hält kurz inne und japst nach Luft. »Wegen gestern?«

Ich seufze, da mir erst jetzt auffällt, dass ich ihr noch nicht erzählt habe, was passiert ist. »Gestern war es ja schon etwas später, als ich mich auf dem Nachhauseweg gemacht habe. Und hör jetzt genau zu, du wirst es mir nicht glauben, - Edon und Mace haben mich auf der Straße abgefangen und angemotzt. Als wäre ich ein kleines Kind, dass nicht selbst auf sich aufpassen kann.«

»Edon war auch dabei?«, hakt Malia nach und sieht dabei aufmerksam zu mir.

Ich stöhne. »Ja. Er war wütend, um ehrlich zu sein sogar noch wütender als Mace. Ich kann einfach nicht fassen das er denkt, dass er derjenige ist, der wütend sein kann. Nein verdammt, ich bin die jenige, die ein Recht darauf hat, nicht andersrum!«

Ich merke garnicht, wie sehr ich mich in die ganze Sache reinsteigere und höre deshalb erst auf zu sprechen, als sich einige Schüler irritiert zu mir umdrehen und mich anstarren, als wäre ich eine Irre, die in die Anstalt gehört.

Schluckend sehe ich wieder zu meiner besten Freundin, die mich grüblerisch mustert. »Also, entweder er war so wütend, weil du für ihn so etwas wie eine kleine Schwester bist, oder aber...«

Ich lasse Malia garnicht ausreden, da mir bewusst ist, auf was sie hinaus will. »Oh nein, setzt mir keinen verdammten Floh ins Ohr. Für Edon bin ich nichts mehr, als eine kleine Schwester, die Schwester seines besten Kumpels oder aber auch seine gute Freundin. Mehr ist da nicht.«

Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme immer leiser wird und sich eine gewisse Enttäuschung in mir breit macht. Ich würde so gerne mehr für ihn sein. Das er mich mit den Augen sieht, mit denen ich ihn sehe, doch so ist es nicht und so wird es auch niemals sein.

»Woher willst du das wissen?«, fragt Malia dann und ich halte inne.

Ich seufze frustriert, denn ich brauche nicht jemanden, der mir Hoffnungen macht. Denn die hatte ich, bevor sie von Tag zu Tag ein bisschen mehr verschwunden ist. Ich atme tief durch und versuche den Klos in meinem Hals herunterzuschlucken.

»Ich weiß es einfach, Malia. Du sagst doch selbst immer, dass ich ihn vergessen sollte«, wispere ich dann niedergeschlagen.

Gerade als sie ihren Mund öffnet, um zum widersprechen anzusetzen, ertönt die Klingel zum Unterricht. Ich atme erleichtert aus, ehe ich auf der Ferse kehr mache und mich ohne ein weiteres Wort auf dem Weg zum Kunstraum zu mache.

Dabei hoffe ich inständig, dass ich nun eine Stunde lang Ruhe habe, um mich zu entspannen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Casanova ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt