Kapitel 39

111K 4.2K 852
                                    


Ariana

Stone Cold - Demi Lovato
Coaster - Khalid

»Ich weiß nicht, was ich tun soll...« Ein tiefer Seufzer verlässt meinen Mund und ich senke meinen Blick wieder hinunter auf meine Hand, die ihre nach wie vor fest umschlossen hält. »Kannst du mir nicht einen Tipp geben, Mum? Du bist die einzige, der ich es bisher erzählt habe. Ich brauche jetzt deine Hilfe. Komm schon. Ich... ich bitte dich...«, beginne ich erneut, doch halte zum Ende hin inne, als meine Stimme bricht.

Stumm presse ich meine Lippen zusammen und schüttle den Kopf.

Du bist verrückt.

Total verrückt.

Gott, ich kann nicht glauben, dass ich gerade mit Mum rede und eine Antwort von ihr erwarte und das, obwohl ich weiß, dass sie mich weder hören, noch reden kann.

Ich habe um ehrlich zu sein sowieso keine Ahnung, warum ich hierher gekommen bin. Ich weiß nicht, was mich dazu geritten hat. Aber vorhin, als ich zwei Blöcke von meinem Haus entfernt und völlig neben der Spur auf dem Bürgersteig stand, hatte ich einfach das Bedürfnis mich bei irgendjemandem auszuheulen. Ich wollte das loswerden, was ich mitansehen musste. Mace's Streit mit Dad, die Tatsache das er nach all der Zeit plötzlich wieder in unserem Leben auftaucht und dann auch noch die Sache mit Edon, die mir und meinem Herzen auch keine Ruhe lässt.

Doch wenn ich ehrlich sein soll, bemerke ich immer mehr, dass es keine so gute Idee war, hierher zu kommen. Schließlich kann Mum mich nicht hören. Sie kann mir keinen Ratschlag geben. Das einzige, was bei ihrem Anblick in mir aufkommt, ist Selbstverachtung. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich dazu beigetragen habe, dass sie nun hier im Krankenhausbett liegt. Das ich unsere ganze Familie zerstört habe und das nur, weil ich die Wahrheit sagen wollte.

Doch war es das wert?

Jetzt im Nachhinein, würde ich mit nein antworten. Damals war es mir so wichtig, dass Mum für ihre Taten büßt und uns nicht weiter belügt, doch heute... heute ist mir aufgefallen, dass ich in diesem Moment wahrscheinlich zu egoistisch war. Ich hab nicht darüber nachgedacht, was ich alles mit meinen Worten zerstören konnte.

Was ich alles anrichten konnte.

Oder wohl eher angerichtet habe...

Meine Augen fangen zum gefühlt tausendsten Mal an zu brennen und ich bin einfach nur wütend darüber. Ich kann nicht glauben, dass man so oft an einem einzigen Tag weinen kann. Das ein Mensch im Stande ist, so viele Tränen zu verlieren.

»Entschuldigung?«

Ich fahre erschrocken herum und hätte beinahe einen Herzinfarkt erlitten, als ich die Krankenschwester ausmachen kann, die mir ein unbehagliches und doch warmes Lächeln schenkt. »Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Ich winke hastig ab, einwenig beschämt darüber, dass ich so tief in Gedanken sein musste, dass ich sie noch nicht einmal reinkommen gehört habe. Oh Gott, wahrscheinlich hat sie nun auch noch Mitleid mit mir, weil ich so aussehe wie ein verheultes kleines Mädchen. Ich räuspere mich heißer, ehe ich noch schnell hinzufüge: »S-schon gut. Ehrlich.«

Die junge Krankenschwester nickt erleichtert, ehe sie einen Blick auf meine Mutter wirft. Sie wirkt mit einem Mal ganz niedergeschlagen und als sie dann wieder zu mir sieht, bemerke ich, dass ihr das ziemlich nah geht. »Du musst ihre Tochter sein, stimmt's?«

Ich nicke schwach und sehe wieder zu meiner Mutter. Es ist so schwer hier zu sein und nichts tun zu können, was ihr hilft. Und erst recht da ich weiß, dass es meine Schuld ist.

Casanova ✓Where stories live. Discover now