18.

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• Aaron Krause - Jade 

Auf dem Nachhauseweg lasse ich mir viel Zeit. Ich habe es nicht eilig. Meine Mutter steht vermutlich gerade in der Küche, oder sie ist einkaufen gegangen, um Besorgungen für das Abendessen zu machen; vielleicht wartet sie sogar auf mich, aber ich bin gerade nicht in der Stimmung, mit ihr zu reden oder sie überhaupt zu sehen, also hole ich mein Handy heraus, schreibe ihr, dass ich heute später nach Hause komme und sie sich keine Sorgen machen braucht, stelle das Telefon auf stumm und schiebe es in meine Hosentasche.

Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren, genieße die ruhigen Klänge und die frische Herbstluft. Der Wind weht mir durch die Haare und mit der Musik in meinen Ohren fühle ich mich, als wäre ich die Hauptdarstellerin eines Blockbusters. 

Alles um mich herum verstummt. Die Autos, die an mir vorbeirasen, die Mutter, die mit ihrem Kind an mir vorbeiläuft und all die Menschen um mich herum, die ihre Sorgen und Ängste mit sich tragen. 

Es ist, als wäre die Welt um mich herum stehengeblieben. Als wären diese Leute nur eine Attrappe und ich der einzige Mensch auf diesem Planeten. Es ist ein tolles Gefühl. Ich wünschte nur, ich könnte diesen Moment mit irgendjemandem teilen.

Mit Atlas. Oder Yashar.

Yashar.

Alleine an ihn zu denken, versetzt mir einen Stich. Ich will es nicht zugeben, aber ich vermisse ihn und egal wie oft ich mich am liebsten dafür schlagen würde, das Gefühl bleibt. Was er wohl gerade tut? Mit wem er wohl zusammen ist? Ob sein Vater wieder mal besoffen im Wohnzimmer liegt und darauf wartet, dass sein Sohn nach Hause kommt, um seinen Frust an ihm auszulassen?

Ich frage mich, ob Mila die Gelegenheit nutzt und sich an ihn heranschmeißt und ob Yashar sich darauf einlässt. Wütend schüttele ich den Kopf. Ich will mir so etwas nicht vorstellen müssen.

Während ich durch die Straßen laufe, versuche ich immer nur in die Kästchen auf dem Fußweg zu treten, ohne dabei vollkommen idiotisch auszusehen, was schwieriger ist, als man glauben mag.

Einmal laufe ich fast eine alte Frau um, weil ich nicht aufschaue, aber im letzten Moment sehe ich sie aus dem Augenwinkel, schaue hoch und verliere das Gleichgewicht, so dass ich am Ende mit dem Fuß nicht in den Kasten sondern auf den Rand trete.

Wütend bleibe ich stehen, reiße mir die Kopfhörer aus den Ohren und drehe mich zu der alten Frau um. Sie schaut nicht zurück, aber ich höre, wie sie mich aus mehreren Metern Entfernung noch beschimpft.

Am liebsten würde ich etwas zurückrufen, um ihr zu zeigen wie respektlos die Jugendlichen heutzutage wirklich sind, aber ich halte den Mund und wende mich einfach von ihr ab. Manchmal glaube ich, alte Menschen haben vergessen, wie schwer es eigentlich ist, ein Jugendlicher zu sein.

Ich schaue auf und bemerke, dass ich vor einem Supermarkt stehe. Unsicher werfe ich einen Blick in den Laden, als mein Magen wie auf Kommando zu Knurren beginnt. Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich vorhabe, vor dem Abendessen noch etwas zu naschen. Seufzend gehe ich ein paar Schritte weiter, doch als mein Magen erneut knurrt, beschließe ich, dass ich mir wenigstens eine Kleinigkeit holen kann. 

Wenige Minuten später laufe ich, mit einem Eis bewaffnet, zum Spielplatz, setze mich auf dieselbe Schaukel wie an all den Abenden an denen ich mich mit Atlas hier getroffen habe und beobachte stumm die wenigen, dafür aber lauten Kinder, die herumtoben. Einige Eltern werfen mir einen seltsamen Blick zu, aber das ist mir egal. Das ist immerhin ein öffentlicher Spielplatz und das Kindsein können mir diese Erwachsenen nicht verbieten. 

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt