29.

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• Natalie Taylor - Surrender •

Ich werfe Atlas einen grinsenden Blick zu, der gerade an seinem dritten Bier nippt.

»Na schön«, sage ich, reiße ihm die Bierflasche aus der Hand, weil ich zu faul bin, um mir eine neue zu holen, und nehme selbst einen großen Schluck davon. »Also, es war irgendwann im Kindergarten. Die meisten waren drinnen, aber ich wollte unbedingt nach draußen an die frische Luft. Also bin ich raus, um zu spielen.

Ich bin zum Sandkasten gelaufen, weil der meistens leer war und ich war gerne alleine. Ich habe es gehasst mit den anderen zu spielen. Nicht, weil ich gerne alleine war, sondern einfach nur, weil ich keinen von ihnen mochte.

Naja, jedenfalls: ich gehe also zum Sandkasten, bewaffnet mit meiner Schaufel und einem Eimer und was sehe ich?« Als ich mich zurück an den Tag erinnere, muss ich kichern. Ich schaue zu Atlas und sehe ihn lächeln, den Blick ins Feuer gerichtet, so dass die eine Hälfte seines Gesichts in einem warmen orange leuchtet.

»Der Kerl«, erzähle ich weiter und zeige auf ihn, »lag einfach so in diesem verdammten Sandkasten.«

»Was?« Esther sieht Atlas verwirrt an. »Warum hast du da rumgelegen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Meinst du, daran erinnere ich mich noch? Ich hatte wahrscheinlich gar keinen Grund. Ich war einfach ein komisches Kind.«

Ich muss bei seiner Antwort lachen. »Das war er. Wirklich verdammt komisch.«

»Das musst du gerade sagen«, schnaubt er, aber ich sehe den warmen Ausdruck in seinen Augen, als er mich mustert. Als würde er mein junges Ich wieder vor sich sehen.

Ich räuspere mich, ohne auf seinen Kommentar einzugehen: »Ich gehe also auf ihn zu. Ich war schon richtig nervös, habe mir tausend Fragen gestellt und Panik bekommen. Aber ich bin trotzdem auf ihn zugegangen und dann habe ich Hey! gerufen, aber er hat einfach nicht reagiert, also habe ich ihn mit dem Fuß angestupst, aber er hat sich immer noch nicht bewegt, deshalb habe ich etwas fester getreten und als er sich immer noch nicht bewegt hat, habe ich gefragt: ›Hey, bist du tot?‹«

»Weil das natürlich das Erste ist, was man jemanden fragt, der auf dem Boden liegt und sich nicht mehr bewegt.«

»Du kannst dir deine blöden Kommentare für später aufheben. Ich war erst sechs! Und überhaupt, du kannst froh sein, dass ich mir die Mühe gemacht habe, dich anzusprechen. Ich hätte dich da auch einfach liegen lassen können.«

»Den Betreuer zu informieren war natürlich keine Option.«

Esther grinst uns beide an. »Dass sie gedacht hat, dass du tot wärst, kann ich ihr nicht einmal verübeln. An manchen Tagen siehst du tatsächlich aus wie eine Leiche.«

Atlas zeigt Esther den Mittelfinger, dann steht er auf und sieht sich kurz um. »Ich gehe mal nachsehen, ob es hier irgendwo etwas Stärkeres gibt«, meint er und wedelt dabei mit der leeren Dose in seiner Hand herum.

Verwirrt schaue ich zu ihm auf. Ich hätte nicht gedacht, dass Atlas so ein riesen Trinker ist. Seit wir hier angekommen sind, kippt er ein Bier nach dem anderen in sich, als versuche er irgendetwas damit zu erreichen. In meiner Gegenwart habe ich ihn noch nie so erlebt und irgendein nagendes Gefühl in mir sagt mir, dass das auch nicht zu ihm passt.

»Dein Ernst?«, jammert Esther neben mir. »Dann warten wir aber nicht auf dich! Nora erzählt die Geschichte ohne deine schlauen Kommentare weiter.«

Er macht eine wegwerfende Bewegung. »Macht nur. Bin gleich wieder da.«

Dann dreht er sich um.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt