22.

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• Radical Face - Welcome Home, Son •

Als ich das Lokal betrete, schrumpfe ich sofort in mich zusammen. Obwohl es erst gegen vier Uhr am Nachmittag ist, sitzen schon einige Männer vorne an der Bar, trinken und verfolgen ein Fußballspiel im Fernseher. Sie drehen alle nacheinander die Köpfe in meine Richtung, nachdem ich mich leise geräuspert habe.

»Hallo«, sage ich mit zittriger Stimme und nicke den Männern zu, bevor ich mit eingezogenem Kopf an ihnen und der Frau hinter der Theke vorbeilaufe, die gerade den Tisch wischt und mich kritisch beäugt.

»Hey«, ruft sie mir zu, bevor ich es mehr oder weniger unbemerkt an ihr vorbei schaffe. Wie eingefroren bleibe ich stehen, die Hände in den Jackentaschen vergraben. »Wie alt bist du, Mädchen?«

Mein Herz schlägt so doll in meinem Brustkorb, dass ich mir sicher bin, dass alle Welt es hören muss. Bumm, bumm, bumm.

Sie wird mich gleich rauswerfen. Ganz sicher. Und dann werde ich das Gespräch mit Yashar vergessen können. Wer weiß, vielleicht geht er nicht mehr ans Telefon, wenn ich versuche, ihn zu erreichen? Was ist, wenn das hier meine einzige Chance ist, um endlich die Karten auf den Tisch zu legen?

Energisch schüttele ich den Kopf. Hör verdammt nochmal auf so melodramatisch zu sein, Nora!

Ich hebe den Blick, sehe der einschüchternden Frau in die Augen und antworte mit bemüht fester Stimme: »Siebzehn, aber ich hatte sowieso nicht vor, irgendetwas zu bestellen. Nein, Moment, so war das nicht gemeint. Ich wollte nichts Alkoholisches bestellen. Eine Cola reicht oder eine... eine Apfelschorle.« Unter dem prüfenden Blick der Frau schrumpfe ich immer mehr zusammen. »...Wasser ist auch in Ordnung. Ein gutes, altes Wasser. Das reicht vollkommen.«

Ich befürchte schon, dass sie mich jeden Augenblick rauswirft, doch plötzlich weicht der harte Zug um ihren Mund und sie fängt an zu lachen. Sie wirft sich den Lappen, mit dem sie eben noch den Tresen abgewischt hat, über die Schulter und schlägt laut auf den Tisch, woraufhin ich erschrocken zusammenzucke. »Habt ihr das gehört, Männer? Die Kleine will ein gutes, altes Wasser.«

Auch die Männer fangen an zu lachen und mir fällt ein Stein vom Herzen. Lachen ist gut, denke ich. Lachen verbindet Menschen. Und das Lachen scheint zu bedeuten, dass ich bleiben darf. Jedenfalls hoffe ich das sehr.

Unsicher kratze ich mich am Hinterkopf, während ich die Männer und die Frau beobachte, die immer noch lachen. Auch mir entweicht ein kläglicher Laut, der eigentlich ein Lachen sein sollte, aber eher wie ein jämmerliches Wimmern klingt. Glücklicherweise scheint keiner mehr auf mich zu achten.

Einige Kneipen hier sind ab sechzehn, andere ab achtzehn. Als ich die Bar betreten habe, war ich mir nicht sicher, wie das hier geregelt wird, aber anscheinend ist das Glück heute ausnahmsweise mal auf meiner Seite.

Erleichtert atme ich auf, als ich sehe, dass sie mir ein Glas mit Wasser auffüllt. Schnell nehme ihr das Wasser ab, das sie mir mit einem amüsierten Grinsen hin hält.

»Geht aufs Haus, Mädchen«, meint sie und lacht daraufhin wieder. Ich zwinge mich ebenfalls zu einem Lächeln, als ich mich umdrehe und immer noch völlig verkrampft in Richtung Nische an ihr vorbeilaufe.

Es ist nicht schwer, Yashar zu finden, denn bis auf die Männer vorne, ist es vollkommen leer hier drinnen, was um diese Uhrzeit auch nicht wirklich verwunderlich ist.

Yashars braune Locken fallen mir sofort ins Auge. Sobald ich ihn sehe, springt mein Herz wie verrückt in meinem Brustkorb auf und ab. Ich hätte nicht gedacht, dass es jemals so wehtun würde, von ihm getrennt zu sein. Alleine ihn von hinten zu sehen, lässt meine Handflächen nass und meinen Mund trocken werden.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt