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• MalJo feat. Ralph Kaminski - Lights •

Nach der Schule liege ich im Bett und starre an die Decke. Ich denke an Yashars Worte zurück und an das Gefühl, das mich in dem Moment überkam, als er mir von dem Treffen mit seiner Tante erzählt hat.

Ich sollte Atlas schreiben. Ich sollte ihn anrufen. Ich sollte alles mit ihm klären und diese lächerlichen Gefühle ein für alle mal aus der Welt schaffen, bevor sie unsere Freundschaft zerstören.

Frustriert vergrabe ich das Gesicht in den Händen. Wenn sie das nicht schon getan haben.

Ich kann ihn nicht für immer ignorieren.

Hastig greife ich nach meinem Handy und rufe ihn an. Es klingelt und klingelt und klingelt, aber keiner geht ran. Irgendwann gebe ich es auf und entscheide mich dazu, ihm eine Nachricht zu schicken.

hey, können wir reden?

Es vergehen Stunden, aber keine Antwort kommt. Ich starre mein Handy ununterbrochen an, als könnte ich durch meinen Blick eine Nachricht herbei rufen. Aber das Display leuchtet nur einmal auf, um mir eine eingehende Nachricht von Yashar anzuzeigen. Er schreibt mir, dass er wieder auf dem Weg zu seiner Tante ist, um weitere Dinge für seinen baldigen Umzug zu regeln. Als ich das Foto von ihm und einer Frau, die mich enorm an seine Mutter erinnert und neben ihm steht, sehe, das Yashar mir geschickt hat, passieren gleichzeitig zwei Dinge: zum einen freue ich mich ehrlich und aufrichtig für ihn, denn ich weiß nicht, wann ich ihn das letzte Mal so strahlen gesehen habe, zum anderen zieht sich mein Herz schmerzlichst zusammen. Mir wird immer mehr bewusst, dass das hier tatsächlich passiert. Dass einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben aus meinem Leben verschwindet.

Das schreibe ich ihm natürlich nicht. Stattdessen antworte ich, dass er mich seiner Tante und auch dem Rest der Familie unbedingt mal vorstellen muss.

Danach lege ich das Handy weg, damit ich nicht in die Versuchung gerate, alle zwei Sekunden meine Nachrichten zu checken. Ich hole meinen MP3-Player hervor, lege mich hin, stecke mir die Kopfhörer ins Ohr und schließe die Augen. Ich versuche nicht, einzuschlafen, sondern einfach nur einmal abzuschalten.

Atlas ist nicht der Typ, der lange sauer auf jemanden sein kann, wenn er denn überhaupt mal sauer ist. Statt Hausaufgaben zu machen oder für Prüfungen zu lernen, zerbreche ich mir den ganzen Nachmittag über den Kopf, bis es draußen immer dunkler wird und der Abend anbricht.

Irgendwann kommen meine Eltern nach Hause. Erst Mum, dann Dad. Mum macht Abendessen. Ich höre sie unten im der Küche arbeiten und nebenbei zu irgendwelchen tausend Mal gehörten Songs aus dem Radio trällern. Beinahe sehe ich sie vor mir, mit ihrem Kochlöffel in der Hand, vor den Mund gehalten, als wäre er ein Mikrofon und sie zwanzig Jahre jünger.

Wir essen. Meine Eltern unterhalten sich über die Arbeit, einmal fragen sie mich etwas und ich antworte, ohne wirklich irgendetwas um mich herum wahrzunehmen. Aber ihnen scheint nichts aufzufallen. Oder sie entscheiden, mich ausnahmsweise einfach mal selbst entscheiden zu lassen, ob ich von mir aus reden möchte oder nicht.

Die ganze Zeit über, habe ich mein Handy bei mir und warte auf eine Nachricht von Atlas. Auf eine Antwort. Ein Lebenszeichen. Irgendetwas. Nur, dass nichts kommt.

Schließlich liege ich, irgendwann spät am Abend, im Pijama im Bett und starre wieder an die Decke. Dieses Mal ohne Kopfhörer in den Ohren. Die habe ich auf dem Schreibtisch vergessen, und um ranzukommen, müsste ich aufstehen, wofür ich nun wirklich nicht die Kraft habe.

Der Regen prasselt an mein Fenster. Starker Regen. Ab und zu hört man einen Donner und sieht das Aufleuchten eines Blitzes. Es ist, als ob das Wetter meine inneren Gefühle widerspiegelt. Verwirrung, Wut, Verzweiflung.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt