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• SYML - Clean Eyes (Acoustic) •

Lange nachdem Atlas die Tür hinter sich zufallen lassen hat, stehe ich immer noch da und starre den Fleck an, an dem er eben noch gestanden hat.

Obwohl ich es hätte besser wissen müssen, kann ich nicht glauben, dass er wirklich gegangen ist.

Ich zwinge mich dazu, mich aus meiner Starre zu lösen, schließe die Augen für mehrere Sekunden und versuche, das Kribbeln, das seine Lippen auf meiner Haut hinterlassen haben, aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Es fühlt sich so surreal an. Ich habe das Gefühl, seinen Mund immer noch an meiner Stirn zu spüren. Warm und weich. Es ist alles, was ich jemals wollte und so so viel mehr.

Obwohl ich eigentlich vorgehabt habe, Game of Thrones weiterzuschauen, ist mir mit einem Mal die Lust vergangen. Also schleiche ich ins Wohnzimmer, schalte den Fernseher aus und flüchte mich dann auf mein Zimmer.

Da ich keine Lust auf eine Standpauke habe, wenn meine Eltern heute Abend nach Hause kommen, schließe ich die Tür, werfe mich aufs Bett und tue so, als würde ich bereits schlafen, aber wenige Sekunden nachdem ich meinen Kopf aufs Kissen gelegt habe, muss ich gar nicht mehr so tun. Meine Augen fallen zu und ich drifte ab, in einen traumlosen Schlaf.

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Am nächsten Morgen schreibe ich Atlas, dass ich ihn bei sich zu Hause abholen komme, aber er antwortet, dass wir uns lieber erst an der Schule treffen. Einen Grund gibt er mir nicht, und auch, wenn es mich in den Finger juckt, ihn weiter zuzutexten und auszuquetschen, steht es mir doch nicht zu. Er ist mir absolut keine Rechenschaft schuldig, also beiße ich von meinem Apfel ab, schnappe mir meine Tasche und mache mich auf den Weg zur Schule.

Natürlich nicht, ohne auf dem Weg noch einmal in den Spiegel zu schauen, um immer noch ungläubig auf den kleinen Ring an meiner Nase zu starren. Mir graut es immer noch ein wenig vor der Konfrontation mit meinen Eltern, die mir weiterhin bevorsteht.

Sie haben das Haus heute Morgen anscheinend früh verlassen. Jedenfalls ist die Küche leer gewesen, als ich morgens nach unten kam. Das soll mir nur Recht sein. Dann muss ich mich wenigstens nicht noch mit einem wütenden Elternvortrag vor der Schule herumschlagen.

Während ich zum Bus laufe, denke ich wieder an gestern und würde mich am liebsten dafür schlagen, dass ich mich so komisch verhalten habe. Meine Freundschaft zu Atlas ist mir viel zu wichtig, als dass ich sie wegen so etwas lächerlichem wie meinen Gefühle aufs Spiel setzen würde.

Jetzt, wo er sich mir gegenüber endlich wieder langsam öffnet, darf ich keinen falschen Schritt machen. Ich sollte nicht nach mehr lechzen als mir zusteht, stattdessen sollte ich mich über das freuen, was er bereit ist, mir zu geben.

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Zwanzig Minuten später stehe ich mit Esther an Atlas' Spind und erzähle ihr voller Enthusiasmus von gestern. Auch Atlas' Ohnmachtsanfall lasse ich nicht aus, woraufhin ich einen finsteren Blick von ihm und einen Lachanfall von Esther ergattere. Ich grinse ihn an, aber er verdreht nur die Augen und widmet sich wieder seinem Spind.

»Du hättest ihn mal sehen sollen! Der war so blass! Als hätte er eben einen Geist gesehen«, lache ich und imitiere Atlas nach, indem ich die Augen aufreiße und so tue, als würde ich taumeln und dann umfallen. Im nächsten Moment bekomme ich einen Schlag auf den Kopf mit einem Hefter ab. 

»Aua!«, rufe ich und sehe Atlas empört an, woraufhin er nur mit den Schultern zuckt. In seinen Augen blitzt Belustigung auf, als sich unsere Blicke treffen. »Wer austeilt, muss auch einstecken können.«

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt