05.

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• Jaymes Young - Moondust •

Mila fummelt mit ihren dreckigen Fingern an meinen Haaren herum und schnalzt dabei mal wieder abfällig mit der Zunge.

Wenn sie das noch einmal macht, reiße ich ihr eigenhändig die Zunge heraus. Das schwöre ich.

»Ugh, Nora«, sagt sie mit ihrer übertrieben nasalen Stimme. »Du hast Spliss.«

Lenja, die neben ihr sitzt, fängt an zu kichern, als hätte Mila etwas ultrakomisches gesagt, dabei gibt sie den selben Müll wie immer von sich. Wie eine kaputte Schallplatte, Tag für Tag.

Ich verdrehe die Augen und werfe Yashar, der mir gegenübersitzt, einen Blick zu, der hoffentlich alles ausspricht, was ich gerade denke. Und meine Gedanken sind in diesem Moment weder freundlich, noch jugendfrei.

Am liebsten würde ich sie schlagen. Einfach so. Danach könnte ich nachts bestimmt besser schlafen. Ich würde so fest zuschlagen, dass meine Hand davon zu kribbeln anfangen würde. Vielleicht würde ich mir nie wieder meine Hand waschen. Die Hand, die es Mila endlich mal gezeigt hat. Okay, wahrscheinlich würde ich sie mir doch waschen. Und zwar sofort nachdem ich diese Hexe damit berührt habe, stattdessen würde ich ein Foto von ihrer verdammten, roten Wange machen - natürlich mit meinem tollen Handabdruck, der wie ein richtig hippes Autogramm in ihrem Gesicht leuchtet -, es mir einrahmen und über mein Bett hängen.

Inzwischen bin ich fast schon immun gegen ihre täglichen Beleidigungen und Schikanen, aber jedes Mal, wenn sie den Mund aufmacht, um mich auf ein Neues niederzumachen, wünschte ich, ich könnte ihr einfach mal das Maul stopfen.

Deine Haut ist so trocken.

Weißt du, was ein Kamm ist? Damit würdest du verhindern, dass deine Haare aussehen wie ein hässliches Vogelnest.

Mensch, Nora, zupf dir mal wieder die Augenbrauen. Sieht aus, als hättest du zwei Urwälder über deinen Augen.

Welche Körbchengröße hast du denn? Minus Doppel D?

So dumm ihre blöden Sprüche manchmal auch sind, manche von ihnen treffen mich härter, als ich jemals zugeben würde. Vor allem, wenn ich weiß, dass sie recht hat mit dem, was sie sagt. Ich bin nicht perfekt. Ich bin weit entfernt davon. Sehr weit.

Mein Haar ist bei Weitem nicht so schön wie Milas, ich habe keine perfekt gezupften Augenbrauen und auch keinen beneidenswerten Körper wie sie. Ich sehe aus, als wäre ich in der Pubertät stecken geblieben: kurze Schultern, keine Kurven, wirklich überhaupt keine, und auch sonst habe ich keine weiblichen Reize.

Yashar lacht leise. Sein Lachen schneidet durch meine Gedanken und katapultiert mich zurück ins Hier und Jetzt. Er sieht mich an. Seine bernsteinfarbenen Augen strahlen so viel Wärme und Liebe aus, dass ich glaube, daran zu ersticken, aber mein Herz schreit trotzdem mehr mehr mehr.

Ich spüre seine Hand, die unter dem Tisch nach meiner greift und sie sanft drückt. Es ist nicht viel, aber mehr, als ich mir in diesem Moment erhoffen kann.

Naja, das dachte ich jedenfalls. Bis zu dem Augenblick in dem Yashar den Mund öffnet und sagt: »Du bist nur neidisch, weil deine Haare nicht so schön sind wie die von Nora.«

Mir sackt das Herz augenblicklich in die Hose.

Ich weiß natürlich, dass Yashar Unrecht hat. Mila hat beneidenswert dicke, lange Haare, die in honigblonden Strähnen über ihre Schultern fallen, als wäre es Gold, das ihr hübsches, herzförmiges Gesicht umrandet, gegen die meine dunklen, widerspenstigen Haare keine Chance haben, aber alleine die Tatsache, dass er sich auf meine Seite stellt, bedeutet mir alles.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt