Herzschmerz

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Heute Abend kommt eine neue Kurzgeschichte, sie heißt Himmel auf Erden und ich würde mich freuen wenn ihr vorbei schauen würdet. Habt einen schönen Tag ihr wundervollen Menschen

Alexander

15. März 1935

Die schellenden Glocken wecken mich wieder. Ich habe sehr gut geschlafen. Auch wenn ich noch Ewigkeiten wach lag und überlegt habe, wie die Zukunft und damit meine ich die nächsten Tage und Wochen, aussehen werden.

Werden wir wirklich den Schritt wagen offiziell inoffiziell zusammen kommen? Weltlich betrachtet hüten wir wahrscheinlich das größte Geheimnis, was es geben kann. Auch für mich ist es nicht gerade klein aber der Nervenkitzel war aufregend.

Wir würden uns heute Abend natürlich wieder sehen. Bis dahin war ich mit Kieran verabredet. Wir hatten heute beide frei und ich wollte endlich mal in Ruhe mit ihm reden.

Wie immer nahm ich mir meine Sachen und ging kalt Duschen. Das seltene warme Wasser ließ ich immer meinen Geschwistern. Morgen Abend wollten wir mal wieder zusammen Karten spielen. Da Magnus mir schon mitgeteilt hatte, das er morgen seinen Vater zu dem Stammtisch begleiten musste.

Magnus und ich hatten uns in den letzten Tagen jeden Abend gesehen. Ich habe viel über ihn erfahren. Auch wenn unsere Münder oft aufeinander lagen.

Automatisch ließ ich meinen Daumen über meine Lippe streifen. Dabei lächelte ich wahrscheinlich echt dümmlich. Ich schüttelte meinen Kopf. Ich verstand mich manchmal selbst nicht. Aber ich war selten so glücklich, wie in den letzten Stunden und Tagen.

In Stille ging ich den Weg zu Kieran' Wohnblock. Hin und wieder grüßte ich die Leute, die mir entgegen kamen. Manchen nickte ich auch nur höflich zu. Nur die Bäckersfrau ließ ich aus. Sie wollte meistens ihre Ruhe. Außerdem begrüßte sie in ihrem Beruf schon zu viele Leute.

Ich ergriff den Ring und schlug ihn zweimal gegen die Holztür. Es dauerte Minuten bevor die Tür nur einen Spalt aufgezogen wurde. Kieran sah mit einem Augen nach draußen und atmete dann erleichtert auf als er mich erkannte.

Als er mir Platz machte und ich eintrat, schlug mir sofort die stickige Luft entgegen. Vermischt mit Zigarettenqualm. Ich unterdrückte mir ein husten. Obwohl meine Luftröhre unangenehm kratzte.

Damit war mir wenigstens das Träumen verwehrt und ich konnte Kieran meine vollkommene Aufmerksamkeit schenken.

"Du hättest dich ankündigen können." kommt es von ihm genervt. Er geht einfach an mir vorbei. Langsam folge ich ihm. In der Küche lässt er sich auf einen Stuhl fallen und greift nach einer neuen Zigarette.

Auch ich setze mich. Ich wusste das Kieran rauchte. Aber er hatte es in meiner Gegenwart immer gelassen. Doch ich wollte ihn nicht daran hindern. Schließlich war es seine Wohnung.

Kieran' Augenringe führten ein Eigenleben und in den letzten Tagen hatte ich immer wieder Angst, das er einfach so umkippte. Denn seine Hautfarbe war mittlerweile fast weiß. Ich würde schon fast sagen, das er abgenommen hatte.

"Was willst du hier, Alexander?" Er spuckte meinen Namen nur so entgegen. "Und jetzt sag nicht mir zuhören. Ich habe nämlich nichts mehr zusagen." Auch wenn er mit mir noch nie gesprochen hatte, kam ich damit klar. Er zeigte nur seine verletzten Gefühle.

Ich schwieg einfach. Mittlerweile kannte ich ihn. Es würde nichts bringen auf ihn einzureden. Er würde reden wenn er wollte.

"Du hättest mir nicht sagen sollen, das ich Liebeskummer habe.." sagt er dann. Seine Augen waren auf die Tischplatte gerichtet, die übersaht von Müll und Zigarettenstummeln war. Fragend sehe ich ihn an.

"Du hast mir damit klar gemacht, das man es mir ansah, das ich verliebt bin." Kieran schnaubte und lächelte dann kurz traurig. "Verliebt in einen siebzehnjährigen Jungen." Er machte die Augen zu und ich sah den Wassertropfen, der sich unter seinen geschlossenen Augenlidern hervor stahl.

Kieran ist dreiundzwanzig. Sechs Jahre lag zwischen den beiden. Magnus und ich brachen schon etliche Gesetze. Aber Kieran traf es fast schon schlimmer. Mit Minderjährigen ein Verhältnis zu haben und dann noch mit jemand Gleichgeschlechtlichen.

"Wir haben uns auf einem Fest kennen gelernt. Eigentlich ging er mir ziemlich auf die Nerven. Aber er hat nicht aufgegeben. Er war so unbeschwert und ist es wahrscheinlich immer noch." Kieran drückte seine Zigarette aus. "Ich habe mich auf ihn eingelassen. Ich habe ihn entjungfert. Er hat mir seine Gefühle in dieser Nacht gestanden."

Immer mehr Tränen verließen seine Augen. "Und dann habe ich Angst bekommen. Ich habe ihn weg gestoßen. Aber ich bekomme ihn einfach nicht mehr aus dem Kopf."

Ich stand auf und zog Kieran hoch. Ich umarmte ihn. Sofort krallte er sich in mein Leinenhemd. Er schluchzte und schnappte gleichzeitig nach Luft. "Ich liebe ihn, Alexander."

Kieran brach vollkommen in meinen Armen zusammen. Seine Knie gaben noch. Langsam ließ ich uns zusammen auf den Boden sinken.

Er ließ mich nicht los und ich drückte ihn nur noch näher. Mir selbst stiegen Tränen in die Augen und schnell kniff ich sie zusammen. "Schhhh, ich bin da." flüstere ich leise.

Ich hasste diese Zeit und diese Welt. Wenn sich zwei Menschen liebten, dann sollten sie Gott verdammt nochmal ihr Glück genießen.

Kieran wusste nicht, das ich ihn wahrscheinlich am besten verstand. "Ich kann einfach nicht mehr. Es zerreißt mich, nicht bei ihm zu sein."

Eine halbe Stunde verging bevor sich Kieran von mir löste. "Entschuldige." Ich schüttelte nur den Kopf. "Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Du weißt doch das ich für dich da bin." Sanft lächelte ich ihn an.

"Würdest du für ihn alles riskieren?" Überrascht sah er mich an bevor er nickte. "Ich würde für ihn alles tun. Lieber sollen sie mich holen als ihn. Eigentlich will ich ihn nur schützen." Ich stand auf und bot ihm meine Hand an, die er ergriff. Ich zog ihn hoch.

"Aber was ist wenn es ihm genau so geht wie dir?" Kieran überlegte kurz. "Daran habe ich noch gar nicht gedacht." Ich legte meine Hand auf seine Schulter. "Redet gemeinsam darüber. Du weißt meine eigenen Lippen sind versiegelt."

Er nickte nur. Ich wollte mich gerade abwenden, als er mich an meinen Oberarm aufhielt. Ich drehte mich zu ihm. "Danke." Ich konnte wieder nur lächeln. "Immer wieder."

Draußen sah ich selbst auf die Uhr. Ich könnte mich gleich auf den Weg zu Magnus machen. Er hatte zwar erst in zehn Minuten Feierabend. Aber ich selbst brauchte Zeit über das was gerade passiert ist nachzudenken.

Wenn es Kieran, der immer Taff war und nichts ihn erschütterte, so verzweifelt war. Dann wollte ich mir gar nicht vorstellen, wie es mir ohne Magnus ginge. Denn auch für ihn würde ich alles erdenkliche tun. Dafür ist er mir in den letzten Tagen schon viel zu wichtig geworden.

Herzschmerz [deutsch] - ein Schmerz, der nicht auszuhalten ist, der dich begleitet, meist von Gefühlen oder einer Person ausgelöst

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