Nimmermehr

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Alexander

In mir brach das Adrenalin schonungslos aus. Immer mehr Bomben schlugen in die einzelnen Häuser ein und zerstörten alles rund herum. "Da kommen welche." rief Jace über diese ohrenbetäubende Geräusche hinweg. Tatsächlich sah ich durch den ganzen Schutt und Staub eine kleine Gruppe von Menschen. Geduckt und trotzdem schnell liefen sie über den Platz. Ich erkannte meine Schwester. "Isabelle, hier rüber."

Als sie bei uns ankam, fiel sie mir erneut um den Hals. "Alec weißt du ob dieses Haus hier einen Keller hat?" Ich betrachtete den Namen. "Ja es muss einen haben." Jace stemmte sich gegen die Tür. Als sie nicht aufging, half ich mit und zusammen schafften wir es. Nachdem die Gruppe von Izzy dort Platz gefunden hat, lief ich wieder nach oben. Ich musste Magnus finden. "Der Transporter kommt in zwanzig Minuten. Sie versuchen es." Ich nickte. Jace wollte oben warten, falls die anderen auf den Platz kamen. Doch Isabelle hielt mich auf. Flehend sah sie mich an. "Wohin willst du? Doch nicht etwa weiter in die Stadt heraus. Wir müssen auf den Transporter warten und hoffen." Ich schüttelte nur mit den Kopf. "Du bringst dich zusammen mit Jace und den anderen dann in Sicherheit. Aber Isabelle, ich kann nicht. Alles was ich liebe und mir bedeutet ist noch irgendwo in dieser Stadt." Wieder schlug irgendwo eine Bombe ein.

Ein letztes mal sah sie mich an bevor sie mich los ließ und ich auch gegen Jace Proteste los rannte. Ab jetzt zählte nur noch Magnus. Zu oft wurden wir getrennt und zu oft wurden uns Steine in den Weg gelegt. Ich ließ nicht zu das jetzt irgendwelche Bomben daran was änderten. Immer wieder musste ich mich ducken und mein Gesicht vor Splittern und einer Staubwolke schützen.

Die Stadt in der ich aufwuchs, meine Kindheit verbrachte und meine große Liebe fand lag in Schutt und Asche. Häuser waren eingestürzt und an manchen Stellen brannte ein Feuer. Selbst von meinem Arbeitsplatz war nichts mehr übrig.

Ich rannte weiter. Selbst als meine Lunge anfing wie Feuer zu brennen, rannte ich. Solange bis ich anhalten musste. Das Haus neben mir erkannte man nicht mehr. Ich wollte gerade weiter gehen, als ich einen leblosen Körper verschüttet von den Hauswänden sah. "Magnus." flüsterte ich leise.

Mit meiner letzten Kraft die ich besaß, kletterte ich auf diesen Schuttberg. Immer wieder rutschte ich ab. Doch ich schaffte es und hockte dann tatsächlich neben Magnus. Er hatte eine Platzwunde am Kopf und einige Schürfwunden an seinem Oberkörper. Das Hemd was er trug war zerrissen. Das komplette Gesicht war verrußt und trotzdem war er das schönste unter diesem Feuerreichen Himmel. Auf seinen Beinen lag eine Steinplatte. "Magnus?" Sanft rüttelte ich ihn. "Magnus, komm schon. Wach auf." Immer wieder rüttelte ich ihn. Ich war den Tränen nahe. Die letzten Tage waren zu viel. Ich konnte ihn nicht verlieren.

Irgendwann begann er zu husten. Seine Augenlider flatterten und allein das reichte mir schon. Ich küsste seine Stirn. "Alexander." kam röchelnd von ihm. "Du.. bist.. da.." Immer wieder wurde er von einem Hustenanfall unterbrochen. "Natürlich. Ich habe dir doch gesagt, das du mich jetzt nicht mehr los wirst. Nimmermehr, Magnus." Er versuchte zu lächeln aber es geling ihm nicht. "Ich liebe dich, Alexander." Seine Stimme kratzte unangenehm. Es strengte ihn an. "Ich liebe dich auch und jetzt nicht mehr reden. Du brauchst deine Kraft." Magnus nickte und so wendete ich mich an den Stein.

"Magnus ich muss den Stein anheben. Ich versuch ihn so lange zu halten wie es geht. Schaffst du es heraus zu krabbeln?" Wieder nickte er nur. Ich sah ihn noch einmal an. Wenn alles gut ging mussten wir zusammen nur zum Platz und in dieses Auto steigen. Dann wären wir sicher. Dann würde vielleicht Ruhe einkehren. Ich denke an meine eigenen Worte. "Er ist meine Hoffnung." Tief atmete ich durch. "Ich zähle bis drei, danach hebe ich den Stein an." Magnus nickt wieder nur.

Ich brachte mich selbst in Position. "Eins, Zwei.. Drei." Mit aller Kraft die ich noch aufbringen konnte, hob ich den Stein an. Magnus zog sich vollkommen fertig heraus und gleich danach zusammen zu brechen. Ich ließ den Stein mit einem scheppern fallen und musste danach selbst erstmal durch atmen. Mein Arm tat noch immer weh. Das Feuer was erst in meiner Lunge brannte, hatte sich weiter gefressen. Ich konnte nicht mehr und ich verfluchte mich dafür, das ich genau jetzt keine Nerven mehr aufbringen konnte.

Als ich meine Augen schloss waren da die Bilder von der Zelle, von Magnus und von den geretteten Menschen. Da war Isabelle und meine Familie. Vor allem mein Vater. Da war so viel Schmerz. Ich griff mir selbst an die Brust, da es so sehr zog.

Eine schwache Hand legte sich auf meinen Oberschenkel. Ich schlug meine Augen auf und sah zu Magnus. Ein Mundwinkel hob sich leicht und auch ich lächelte sanft. Der Bann war wieder erstellt. "Denk an das Klavier mit dem Cello." hustete er als eine neue Bombe irgendwo eintraf.

Ich rappelte mich auf. Meine Beine zitterten aber ich wusste das ich dieses Stück zurück noch schaffen musste. Ich hob Magnus so sanft es eben nur möglich war hoch. Er klammerte sich an mich und so ging ich den Weg wieder zurück. Die zwanzig Minuten waren schon längst um.

Doch als wir an dem Platz ankamen, stand dort am Hauseingang, der Wagen. Ein ungeduldiger Jace sah sich ständig um und als er mich erblickte und auf mich zukam, verließ mich auch der letzte Funken Kraft. Ich übergab Magnus Jace und brach dann vollkommen fertig zusammen.

Die mittlerweile bekannte Dunkelheit trat ein und ich fühlte mich zum ersten mal in ihr wohl. Ich sank in einen Tiefschlaf. Die Träume ließen mich nicht im Stich und so malten sie ein Gemälde in die Dunkelheit.

Es war ein hellblaues Haus auf einer weitläufigen Wiese. Die Stille welche ich dort hinein interpretierte war ein Segen. Ich erkannte die Bank und Magnus. Zusammen mit mir. Ich hatte so ein ähnliches Gemälde schon mal gemalt bekommen. Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen

"Ich stelle mir vor wie sie in fünfzig Jahren vor einem kleinen abgelegen Haus steht. Darauf sitzen Magnus und ich, mit grauen Haaren und faltiger Haut. Unsere Hände sind miteinander verschlungen und wir schauen der untergehenden Sonne entgegen. Auf unseren Lippen prangt ein lächeln, weil wir trotz der Zeit miteinander alt geworden sind. Weil unsere Liebe doch stärker war als alles andere."

Nimmermehr [deutsch] - niemals mehr und in diesem Falle ein Versprechen was die Ewigkeit überdauern wird.

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