Ankunft

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Jetzt:

Sie waren in einem anderen Leben aufgebrochen. Hinaus in die Welt zu neuen Abenteuern und gereist, bis sie am Meer waren. Dort hatten sie eine Rast gemacht, die sie allesamt zerrissen hatte, so dass nur drei Seelen zurückgekommen waren. Drei Seelen, von denen die eine gefangen, die andere schwieg und die letzte im sterben gelegen hatte.

Ja, so würde es Roxanne wohl am besten beschreiben.

Die letzten Monate waren die Hölle für sie gewesen. Ein Wechsel zwischen Koma, Traum, Bewusstsein und dem Drang einfach liegen zu bleiben und auf den Tod zu warten.

Tristan war wie ein Geist, der sie verfolgte. Egal wohin sie ging, seine goldenen Augen verfolgten ihre Schritte - selbst dann als sie das Rot gegen blasses Blond eintauschte. Er war da, immer kurz davor sie zu berühren, aber dann hörte Roxanne den Schuss und sah das Blut, das aus seinem zerschossenen Herz auf den Beton tropfte.

Sie wusste, dass es nicht so weitergehen konnte. Die Erde musste sich weiter drehen, bloß wie? Ohne ihn.

Ivans Tat hatte sie zerrissen, sie alle auseinander gerissen wie ein Blatt Papier. Und die Fetzen waren im Wind zerstreut worden, so dass sie niemals wieder zusammenfinden würden.

Und auch die Sitzungen waren anders. Zum einen, weil zwei Plätze für immer leer blieben und zum anderen, weil selbst Kjell keine Worte für das Passierte fand.

Der Traum war vorbei. Das Leben war da und Roxanne versuchte so gut wie es ging weiter zu atmen.

Aber es tat weh. Immer noch. Immer wieder.

Und vielleicht war das der Grund, warum sie immer und immer wieder auf den Parkplatz zurückkehrte. Wo alles begonnen und geendet hatte.

Es regnete an diesem Tag.

Ein schummriger Abend, die Straßenlaternen boten kaum Licht.

Roxanne stand einfach nur da und starrte auf die Lücke, wo der Van einst gestanden hatte. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass er schon lange auf dem Schrottplatz lag. Solange war ihr Abenteuer bereits her.

Sie ging ein paar Meter und blieb schließlich an den Himbeersträuchern stehen. Eine Reihe an verrotteten Blumen und eingeknickten Karten lehnten am Bordsteinrand.

Vergessen.

Aber war er das wirklich?

Nein, Roxanne würde ihn nie vergessen können und auch wenn er ihr immer wieder zu flüsterte, dass sie ihn vergessen sollte, würde sie es nie tun.
Sie hatte ihn geliebt. Auch wenn ihre Beziehung ein einziges Auf und Ab gewesen war hatte sie ihn geliebt.
Auch wenn er ein absolutes Arschloch gewesen war hatte sie ihn geliebt.

Auch wenn er das Feuer mehr geliebt hatte als sie selbst.

Deshalb tat es so weh. Deshalb konnte sie Gismo nicht trösten. Deshalb würde sie Ivan nie verzeihen können.

Das Ende. War es das wirklich?
Es war die Ankunft, die Akzeptanz und das Loslösen von alten Geistern.

Als Roxanne an diesem Abend den Parkplatz verließ, hörte sie seine Stimme zum letzten Mal in ihren Gedanken.

Ankunft und gleichzeitig ein Abschied.

Die Hymne der AussteigerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt