Küchen- und Cafeteriatischgespräche

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Später am Tag nahm Strange mich kommentarlos wieder mit zu seiner Wohnung, setzte mich dort angekommen allerdings am Küchentisch ab.
Uhh, Küchentischgespräch... Das sah nicht gut aus.
„Drei Tage kannst du hierbleiben. Solange überzeugst du dich von meinen unglaublichen Wohltaten für diese Welt, dann sehe ich dich nie wieder."

Ich sah ihn ernst an. „Wie viele deiner Patienten sind glücklich über das, was du tust?"
Er zog die Augenbrauen leicht zusammen, den Sinn meiner Worte nicht verstehend. „Sie überleben."
„Und sie leiden. Tun sie doch, oder, Doctor?" Mein Blick wurde intensiver, und er widersprach nicht.

„Ich bin dazu da, dieses Leiden zu beenden. Und dabei unentbehrlich."
„Deine Fähigkeiten sind mir klar, sonst wäre ich nicht mehr hier. Denk nach, Stephen... Diesem Leid vorzubeugen... Zusammen mit dem fähigsten Team der Welt dafür sorgen, dass die Krankenbetten sich erst gar nicht füllen..."
„Ich bin hier offensichtlich weitaus erfolgreicher als die Avengers. In Sokovia haben tausende Unschuldige gelitten."
„Da hatten wir Sie noch nicht." Und mich auch nicht. Aber das sprach ich nicht aus, das Ego meines Dads hatte ich nicht geerbt.

Strange lachte bitter auf und verbarg das Gesicht in seinen Händen. „Deutest du hier ernsthaft an, ich wäre schuld an dem Leid, wenn ich euch nicht helfe?"
„Nein", ich lächelte leicht, „Ich werde dich nicht zwingen, Stephen. Es ist allein deine Entscheidung, und du musst sie nicht jetzt treffen. Drei Tage, ja?" Ich erhob mich und verschwand aus dem Raum, ihm nur noch ein „Gute Nacht!" hinterherrufend.

*

Am nächsten Morgen war ich früher wach als Strange und machte mich schon einmal am Toaster zu schaffen.
Was... keine gute Idee war.
Das Ding war bissig.

Mit Computern konnte ich umgehen, und ein Quinjet war auch kein Problem, aber dieser Toaster...
Zischend zog ich die Luft ein, als ich mich am heißen Metall verbrannte.
„Doc!", rief ich, als ich Stranges Tür aufgehen hörte, „Ich brauche deine medizinischen Fähigkeiten!"

Wer jetzt erwartete, dass er als Arzt sofort auf Bereitschaft war... Nee, eher weniger.
Stephen erschien völlig entspannt im Türrahmen. „Was machst du mit meinem Toaster, Shorty?"
„Die Frage ist wohl eher, was macht der mit mir?" Anklagend hielt ich ihm meinen Zeigefinger unter die Nase, „Ich habe eine Brandblase, und verdammt, das tut weh!"
„Warum hast du auch nicht auf mich gewartet mit Frühstück?"
„Ich hatte halt Hunger", maulte ich, „Ich bin noch in der Wachstumsphase!"
„Nicht mehr lange", murmelte Stephen, sich jetzt selbst an das Biest – also, den Toaster – heranwagend. „Du bleibst immer klein und mickrig."

Aber trotzdem schmierte er mir eine Salbe auf den Finger. Ich hatte sein steinernes Herz eben doch erweicht... wie dramatisch.

*

Während Stephens Arbeit jedenfalls wanderte ich dann zum Quinjet, Koordinaten verfolgend und verschiedene Sticks zu Modellen umarbeitend.
Seymour freute sich über meinen Besuch und strich mir permanent um die Beine – von meinen Schultern hatte ich ihn heruntergejagt, nachdem ich sein Fell im Mund hatte. Strange wäre jetzt längst krepiert.

Oscars Kopie ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war wie ein innerer Zwang, ihn doppelt abzusichern, jetzt, wo ich auf die Idee gekommen war. So wie Spidey dachte, er wäre nichts ohne seinen Anzug, war ich nichts ohne Oscar. Aber diesen hatte ich selbst erfunden, das ganze ‚dann solltest du ihn auch nicht haben'-Ding galt also nicht für mich.
Die Hardware hatte ich im Theoretischen bereits fertig, war ja auch nicht sonderlich schwer – Stick, Mikrochip, Datenexpansion.
Jetzt saß ich allerdings grübelnd vor der Software. Ein größeres System als Oscars? FRIDAY hatte keine Chance, zudem Oscar mir das niemals verzeihen würde. Ich vermisste JARVIS... Ob Vision mir wohl helfen könnte? Nein, Vision war kein System. Außerdem würde es ihm und Wanda nicht guttun, wenn ich sie finden würde.
Es blieb nur eine Möglichkeit. Und die musste ich spätestens in den ersten Semesterferien wahrnehmen... Ja, ich hatte beschlossen, Peters Rat zu befolgen und mich beim MIT einzuschreiben. Das würde hoffentlich neuen Schwung in mein Leben bringen...

*

Den Doctor traf ich erst in der Mittagspause wieder, wir hatten den Reis aus der Cafeteria schnell verschlugen und... schwiegen uns nun an.
Aber da ein Schweigen sowieso nur zum Unterbrechen gut ist, sparen wir uns die geschickte Überleitung und kommen gleich zu Stephens Frage: „Warum bist du hier, Shorty?"

Verblüfft zog ich die Augenbrauen hoch: „Hatten wir das nicht erst? Ich bin kein Fan von Wiederholungen."
„Du verstehst nicht", seine elektrisierenden Augen fingen mich ein, und ich vergaß das rege Treiben der Ärzte um uns herum, „Warum bist du hier? Du bist kein Avenger, du bist ein Kind."
Ich verdrehte die Augen. „Weil meine Kindheit auch so glücklich war. Nein, ich-"
„Deshalb diese erzwungene Frohnatur? Rutschsocken und Kuschelkatze?", unterbrach Strange mich überrascht, „Um ein Stück Kindheit festzuhalten? Das kam unerwartet, Shorty."

Darauf ging ich jetzt besser nicht ein. „Soll ich deine Frage nun beantworten oder nicht? Sieh es als meinen nachträglichen Beitrag zum Allgemeinwohl, ich bin weder der geborene Neurochirurg noch habe ich eine Superheldenidentität."
„Ich dachte, dein Vater bräuchte deine Unterstützung? Warum bist du nicht bei ihm geblieben?" Hätte ich doch bloß nie was über mich erzählt. Der Doc holte jetzt den Psychologen raus.
„Ich war schon eine großartige Unterstützung für meinen Dad, so hilfreich bei seiner Entführung oder der ersten Schlacht in New York, die ihn bis heute plagt."

Er schüttelte bloß seinen Kopf. „Du warst sieben, als er zu Iron Man wurde."
„Und zehn, als diese verdammte Schlacht stattfand", beharrte ich, „Ich hatte meine KI sogar kurz davor fertiggestellt, und ich wusste, dass er mein Dad ist. Aber getan habe ich trotzdem nichts."
Strange lachte freudlos. „Dir ist klar, dass derartige... Tätigkeiten in diesem jungen Alter schädig für die Psyche sind? Das hätte dir dein letztes Stück Kindheit auch noch genommen. Das funktioniert so nicht, Shorty – einerseits vermisst du jugendlichen Leichtsinn, andererseits wünschst du, ihn komplett vernichtet zu haben. Sei froh, dass du halbwegs über einen Mittelweg mit einem blauen Auge davongekommen bist." Was... Meinte er das ernst? Ich hatte ihm den ganzen Scheiß sicher nicht erzählt, damit er mir jetzt die Schuld für meine verlorene Kindheit gab!

Meine Mutter hatte mich alleingelassen, sie war so unsäglich schwach gewesen. Und diese Schwäche verabscheute ich. Sie hatte sich umgebracht – aufgehört, Maßnahmen gegen den Krebs zu ergreifen, obwohl sie ihn hätte aufhalten können! Ich war ihr egal gewesen, und mein Dad sowieso.

Wütend sprang ich auf. „Ist ja wunderbar, wie gut du mich kennst!"
Ich würde den Rest des Tages definitiv im Quinjet verbringen, Seymour diskutierte wenigstens nicht mit mir.
Stranges letzten Ruf hörte ich allerdings noch: „Ich habe recht, Shorty – du weißt es und es gefällt dir nicht!"

***

Und prompt sind wir im finalen Countdown von drei abwärts. Ufff... 😅

Was haltet ihr denn prinzipiell von Gracies Mutter bzw. ihrer Beziehung zu Gracie?

Iron KidWo Geschichten leben. Entdecke jetzt