4 | Schwerer Anfang

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01.10.17

»Lennox! Schau. Sie kommt wieder! Da ist sie! Mensch, Lennox!«
Aufgebracht drehte sich die junge Frau mit ihrem Feuerhaar zu ihrem Freund hin um festzustellen, dass dieser sich gerade in einer wilden Diskussion befand und sein Gegenüber wild mit den Armen gestikulierte. Es sah eher so aus, als würde der bärtige Mann mit der Halbglatze ihn einfach nur anmeckern und er bloß zuhören. Ab und an nickte er und erwiderte etwas, doch nicht so wild wie der Mann.
Mit einem Grinsen steuerte sie auf die beiden zu und mischte sich fröhlich in ihre Konversation mit ein.
»Wenn ich die Aufmerksamkeit beider Herren nun haben dürfte«, lächelte sie übertrieben freundlich und zwinkerte dem älteren Mann zu, »aber meine beste Freundin kommt gerade wieder und es sieht so aus, als hätte Aurora ihr mickriges Fischerschiffchen heile gelassen.«

Dann lief sie auf den Holzsteg, zog Lennox an der Hand mit sich und wank Aurora zu.
Ein aufgeregtes Quietschen versuchte sie nicht zu verkneifen und sie verlagerte ihr Gewicht immer auf das andere Bein.

»Sieh mal! Sie ist nicht alleine! Sie hat es doch geschafft!«, lächelte Lennox und bedachte seine Freundin mit einem wissenden Blick.

»Mhm... Hier.« Mürrisch überreichte sie ihrem Freund vier Silbermünzen, der sie angeberisch angrinste, und ignorierte ihn.
Sie war sich so sicher, dass Aurora es verhauen würde.

»Du lebst«, rief Enya später fröhlich, als Aurora munter auf dem Steg stand und stolz grinste. Mit offenen Armen trat sie auf ihre beste Freundin zu und drückte feste zu.
»Wegen dir bin ich vier Silbermünzen los. Ich hab echt nicht geglaubt, dass du es schaffst«, kicherte sie in die dreckigen und feuchten Haare Aurora's. Diese grinste dann heimtückisch.
»Kommt davon.«

Die Person die mit genervtem Gesichtsausdruck neben Aurora trat, bekam dann Enyas volle Aufmerksamkeit, die nach dem offensichtlichen beäugen, die Nase rümpfte.
So wie sie mit kurzer Hose und knappem Oberteil darstand, konnte man sie für eine schlecht bezahlte Hure halten und das sagte sie auch.
»Sicher, dass das die Frau ist, mit unvorstellbarer Kraft und nicht irgendeine Hure? «

Aurora wurde leicht blass um die Nase, wollte den Mund öffnen, bevor die Wächterin ihr zuvor kam, doch diese zog ihr einen Strich durch die Rechnung.

Wie auch bei ihr selbst, griff sie ihrer besten Freundin an die Kehle, zerrte sie näher zu sich und starrte sie feindselig an.
»Ich trage Stiefel! Zu mehr, kann mich keiner zwingen. Lerne Respekt zu haben, bevor du deine Klappe öffnest, du erbärmliche Rotzgöre.«

Sie schubste Enya grob weg und widmete sich an Aurora. Erneut kam sie nicht dazu, etwas zu sagen, denn der Fischer stampfte wütend auf sie zu.
Ihre Augen weiteten sich und hilfesuchen drehte sie sich zu Enya, die mit sicherheitsabstand die Wächterin mit Blicken tötete.
Lennox versuchte sie zu beruhigen, also war sie auf sich gestellt.

»Junges Fräulein! Ic-«
Langsam folgte sie mit ihren Augen dem Fischer, der mit einem lauten Platsch ins Wasser gestoßen wurde und prustend wieder auftauchte und laut rumzetterte. Nyssa zuckte bloß die Schultern, als Aurora sie verständnislos ansah.
»Ich hasse Menschen.«

Aurora seufzte. Ihre kleine Gruppe brauchte noch sehr viel Zeit, bevor sie harmonieren konnten.

Bevor irgendwer auf das Spektakel aufmerksam wurde, schob Aurora Mirena vorwärts und Lennox folgte ihr mit der beleidigten Enya.
Aurora führte die drei in eine Taverne, in der sie in einer Ecke ungestört reden konnten.
Durch die vielen lauten Menschen, sollte dies kein Problem darstellen. Die Wächterin war das Problem.
Zuerst weigerte sie sich abrupt, da rein zu gehen, dann gab es eine riesen Diskussion zwischen Enya und der Wächterin und dann war die Magierin kurz davor, das ganze Gebäude zu demolieren.

Aurora schaffte daraufhin die Wächterin zu einem ruhigen Ort und Lennox brachte seine Freundin zum Marktplatz.

»Was denkst du dir dabei? Du kannst doch nicht einfach eine Taverne zerstören wollen! Und Enya wirst du ganz sicher auch nicht umbringen! Sag mal, gehts noch? Reiß dich mal zusammen. Ist es dir denn nicht peinlich, dass ich dich wie eine Mutter vollmeckern und zurechtweisen muss?«, rief Aurora mit gesenkter Stimme und lief dabei auf und ab.

»Ich sagte doch bereits, dass ich Menschen hasse.«

Aurora raufte sich die Haare.

»Das ist kein Grund, jemanden umbringen zu wollen oder eine Taverne mit unschuldigen Menschen zu zerstören!«
»Natürlich ist es das!«, behauptete Nyssa felsenfest und verschränkte schnaubend die Arme vor der Brust.
»Außerdem sagt ja keiner, dass du mich vollmeckern musst.«

»Ich muss aber! Du benimmst dich ja nicht.«
Sie seufzte verzweifelt und setzte sich neben der Wächterin auf den steinigen Boden.

Die Wächterin hielt ab da ihre Klappe, bis Aurora aufgelöst aufstand und der Wächterin eine Hand zur Hilfe zum aufstehen, anbot.
»Nur weil ich alt bin, heißt das nicht, dass ich nicht alleine aufstehen kann«, spottete sie und sprang munter auf. Aurora seufzte und setzte sich dann in Bewegung.
Sie war noch nie froher als jetzt, dass einigermaßen Ruhe herrschte und niemand diskutierte.
Auf dem Marktplatz entdeckten sie dann auch Enya, die feurig aufstand und auf sie zu stapfte.
»Oh nein«, murmelte Aurora leise, mit der Hoffnung, dass die Wächterin es nicht gehört hatte, doch die warf ihr nur einen spottenden Seitenblick nach unten zu.

»Ich weigere mich, weiter zu reisen, solange diese Frau mitkommt«, stellte Enya klar und verschränkte wie die Wächterin vorhin, ihre Arme vor der Brust.
Wie auch die zwei Male davor, ließ man Aurora nicht zu Wort kommen.
Der übliche Griff um die Kehle wurde angewendet sowie der funkelnde Blick.
»Und wie du mitkommen wirst! Glaub mir, mir macht es weniger Spaß deine nervtötende Anwesenheit zu ertragen aber sei diesem Mädchen eine wahre Freundin. Denn wenn es eines gibt, was ich noch weniger als Menschen leiden kann, dann sind es egoistische Menschen!«
Enya grinste.
»Sagt die geborene Egoistin.«

Aurora legte der Wächterin eine Hand auf die Schulter, die sie daraufhin abschüttelte, Enya wieder weg schubste und einige Schritte weg lief.
»Es ist gut«, meinte sie zur Wächterin und sah dann ihre beste Freundin eindringlich an.
»Wenn das deine Entscheidung ist, muss ich sie wohl akzeptieren.«
Aurora war zu müde um Enya zu widersprechen, das merkte Nyssa.

Das Mädchen mit dem Feuerhaar betrachtete Aurora argwöhnisch und rümpfte dann die Nase. Nach einem abschätzenden Blick zur Wächterin, seufzte sie dann ergeben.
»Ich komme mit. Ich kann dich doch nicht mit der alleine lassen.«

Aurora machte sich auf einen erneuten Streit gefasst, denn es entging wohl niemandem der herablassende Ton in Enya's Stimme.
Stattdessen wandte sich die Wächterin ab und ging.
»Was will sie denn in der Taverne?«, unterbrach ein verwirrter Lennox die Stille.
»Keine Ahnung. Folgen wir ihr lieber, bevor sie irgendjemanden tötet«, sagte Aurora.

»Es war eine schlechte Idee sie hierher zu bringen und um Hilfe zu bitten«, meinte Enya und setzte sich bereits in Bewegung, als die beiden Geschwister sie synchron daran erinnerte, dass es ihr absolut genialer Einfall war.

The Ruler of Magic [abbgebrochen/alte Version]Where stories live. Discover now