22 | Verdrängen und das Gegenteil

18 6 16
                                    

30.09.19

,,Und das kann man wirklich Essen?", stellte Lennox skeptisch die braune Knolle in seiner Hand infrage, welche Nyssa ihm gerade in die Hand gedrückt hatte.
Ob der Grund seiner Skepsis war, dass Es unappetitlich aussah oder dass Nyssa es war, die es ihm gegeben hatte, war ihm nicht klar.
Er vermutete natürlich Letzteres.
Die Wächterin verdrehte nur die Augen.
,,Noch nie eine essbare Wurzel gesehen? Ich kann dir auch giftige Beeren sammeln, wenn dir das lieber ist."

Wie so oft stieg die Spannung gefährlich schnell hoch und bevor Nyssa darüber nachdenke konnte Lennox zu zerfetzen und den Insekten zu verfüttern, schritt Aurora ein, schob Lennox etwas zurück und mahnte die Wächterin mit einem Blick.
Dies passte Nyssa natürlich gar nicht und das gab sie mit einem genervten Zischen deutlich zu erkennen.

Sowieso, fand Nyssa, hatte sie sich in der letzten Zeit zu sehr beeinflussen und gehen lassen.
Um schlimmere Entwicklungen zu vermeiden, stand fest, dass sie sich wieder abwenden und konzentrieren musste. Sie hatte ein Ziel.

Enya war hingegen der hitzigen Spannung, völlig entspannt, saß an einem Baum anlehnend auf dem Boden und knabberte auf ihrer Wurzel herum, die gar nicht mehr so übel schmeckte.
Das zusätzliche Rauschen des Baches, welchen sie vor Kurzem entdeckt und darin die Wurzeln gesäubert hatten, lieferte Enya nur noch mehr Entspannungsgefühle.
Nach dem Stress hatte sie das auch bitternötig.

,,Die Wurzel kann man essen und an den Geschmack wirst du dich gewöhnen", erklärte Aurora ihrem Bruder und damit hätte die Sache eigentlich geklärt sein können, doch Lennox schien sich strikt zu weigern diese Wurzel zu essen.

,,Warum können wir nicht einfach jagen gehen?", jammerte der Junge weiter.
Der finstere Blick der Wächterin ließ in verstummen und er musste enttäuscht und auch etwas wütend feststellen, dass seine Schwester und Enya ihn nicht unterstützten.

Mit klagendem Blick wandte er sich seiner unappetitlichen Nahrung vor sich.
Sein Hunger war verschwunden.

Aurora wandte sich bereits Tako zu, der genauso misstrauisch auf sein Essen starrte.
Als er Auroras Präsenz neben sich wahr nahm, hob er den Kopf und Aurora musste lächeln.
"Glaub mir, es schmeckt besser als es aussieht", schmunzelte sie und nickte ihm aufmunternd zu.
Zögernd führte er die Wurzel zu seinem Mund und biss ein kleines Stück ab.
Er verzog zwar im ersten Moment das Gesicht, aber aß brav weiter und Aurora setzte sich zufrieden neben ihn.

Seit zwei Tagen, als Nyssa mit ihm auftauchte, hatte die Wächterin sich nicht mehr mit Tako auseinandergesetzt und es schien beinahe so, als sehe sie ihn nur als Bürde.
Es war komisch, Nyssa überraschte jeden mit einer Tat und in der nächsten Sekunde machte sie genau das Gegenteil.
Und mit jeder Überraschung, fand Aurora die Unsterbliche faszinierender.
Sie hielt sich sogar nicht mal mehr die ganze Zeit bei Enya auf, sondern versuchte mit Nyssa zu reden.
Natürlich wurde jeder Versuch blockiert.
Und wenn sie es mal für den Moment aufgab, ließ sie sich hinterfallen und beobachtete die Wächterin.

"Übrigens Nyssa, was meintest du letztens, als du sagtest, wir müssen die nächsten Tag überstehen?", fragte Enya neugierig.

Widerwillig zeigte die Angesprochene ihre Aufmerksamkeit und ließ sich eine Menge Zeit, bevor sie lossprach.

"Es wird bald gewittern und es ist keins, das nach einigen Stunden wieder geht. Ich spreche von einem, dass vier Tage lang geht."

Den Anderen blieb der Mund offen stehen.
"Und das weißt du seit wann?"

Nyssa zuckte die Schultern: "Seit zwei Tagen, oder so."

"Hat es auch einen Grund, warum du uns das nicht früher gesagt hast?"
Enya wirkte etwas angepisst.

"Nein, eigentlich nicht."

Das war nicht die Antwort, die Enya hören wollte und das merkte man, als sie Nyssa mit einem Stein abwarf.

Aurora spielte wieder Streitschlichter und nahm Enya den zweiten Stein aus der Hand, bevor sie es bereuen würde.
"Jetzt können wir auch nichts mehr dran ändern. Wir müssen die restliche Zeit nutzen um Essen zu sammeln und eine Höhle zu finden. Wie lange bleibt uns noch?"

"Bis morgen Abend, vielleicht auch weniger", meinte die Wächterin, schulterzuckend.

"Wow, wir interessieren dich echt kein Stück", stellte Aurora, nach einer kurzen angespannten Stille, enttäuscht fest.

Sie setzte sich erstmal auf den Boden und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen, schweigend. Nyssa beobachtete sie dabei genau und verdrängte die aufkommenden Emotionen, die sich hartnäckig in ihr breit machen wollten.
Sie hörte Aurora tief einatmen.
Diese einfache Tätigkeit, machte es ihr verdammt schwer, nicht zu reagieren, also setzte die Wächterin sich vor ihr in die Hocke und legte ihren Kopf schief.
"Ich habe doch gesagt, ich bringe euch durch die nächsten Tage", versuchte sie das blonde Mädchen aufzumuntern, aber die hob nur ihren Kopf und schaute ihrer Gegenüber nur böse in die Augen.

"Weißt du eigentlich wie anstrengend es ist, mit dir auszukommen? Du machst es einem total schwer, an dich ranzukommen, geschweige denn, dich wenigstens zu verstehen!", brach Aurora plötzlich aus und Nyssa zuckte einen Schritt zurück. Aurora traf sie unerwartet und als sie ihren Mund öffnete, unterbrach die Auserwählte sie direkt.

"Nein! Du kapierst es nicht! Es ist harte Arbeit dich zu analysieren. Du sagst immer das eine und tust in der nächsten Sekunde das Gegenteil. Ich hab sowieso schon eine ganze Last im Nacken, sogar wortwörtlich, und du solltest mir helfen. Ich schaffe das nicht alleine und das weißt du, das weiß jeder, also warum verdammt nochmal gibst du mir das Gefühl, mir noch mehr aufzubinden. Ich weiß du wolltest das alles nicht mal, aber du bist dennoch freiwillig mitgekommen, also tu nicht so, als wären wir dir egal! Als wäre ich dir egal!"

Als Aurora endete, musste sie erstmal tief Luft holen. Langsam realisierte sie ihre Worte und das was sie nachzogen.
Sie drehte sich abrupt um und stapfte davon.



_______
Es ist nicht viel und es nicht gut aber es ist etwas, und das reicht mir:)

The Ruler of Magic [abbgebrochen/alte Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt