1 - Wunden / Yaralar

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Ich spürte den kalten Wind an meinen Wangen, meine Haare wehten hinter mir her während ich orientierungslos weiter rannte

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Ich spürte den kalten Wind an meinen Wangen, meine Haare wehten hinter mir her während ich orientierungslos weiter rannte. Wohin war mir egal, wie lange wusste ich nicht. Vielleicht würde es mir ja gelingen vor meinen Problemen davon zu laufen, vielleicht machte ich mir auch nur etwas vor. Ich wusste genau dass es egal war wie lange ich weiter rannte, wenn ich zurück kehrte würden meine Probleme immer noch an Ort und Stelle auf mich warten. Wenn ich doch nur wüsste wo ich hin lief, ich hatte keine Ahnung wo ich war. Häuser flogen an mir vorbei, neugierige Gesichter drehten sich zu mir um und ich rannte. Eine leer stehende Gasse stach mir in den Augenwinkel und aus reiner Intuition steuerte ich darauf zu. In der engen, dunklen Gasse blieb ich nach wahrscheinlich 20 Minuten stehen und lehnte mich an die kalte Asphalt Wand. Meinen Kopf lies ich zurück fallen und wie ich es befürchtet hatte kamen die Tränen, ich hieß sie willkommen. Ich weinte, ich weinte wie ich noch nie zuvor geweint hatte und lies alles raus, was sich in den letzten Monaten in mir angestaut hatte. Als hätte sich das tiefe Loch in meinem Herzen mit Tränen gefüllt, hörten meine Tränen gar nicht mehr auf. Ich schluchzte als ich darüber nach dachte einfach für immer in dieser Gasse zu bleiben. Es gab mir ein Gefühl von Geborgenheit, da hier sonst niemand war und ich endlich meine Ruhe hatte. Niemand der mich ausfragte wie es mir ginge, niemand der mich bemitleidend ansah und niemand der mit mir redete.

Ich wusste wirklich nicht wie ich lernen sollte mit diesem Schmerz einfach weiter zu leben. Wie kommt man darüber hinweg seine Eltern zu verlieren?

Ich weiß nicht wie lange ich schon hier war, wie lange ich einfach vor mich hin weinte und an meine Eltern dachte. Irgendwann wurde es immer kühler und ich bekam eine Gänsehaut, wodurch mir auffiel wie spät es bereits war. Es war stockdunkel und das Einzige Licht kam vom Mond, der die Gasse in der ich mich immer noch befand etwas erhellte. Mit meinem Pulloverärmel über meine Hand gezogen fuhr ich mir übers nasse Gesicht um meine Tränen zu trocknen und setzte mich langsam in Bewegung. Wie automatisch lief ich in Richtung Nachhause, als würden meine Beine von alleine arbeiten beobachtete ich jeden meiner Schritte mit gesenktem Blick bis ich wieder vor unserem Haus ankam. Ich sah es mir an und lies meinen Gedanken freien Lauf. Das ist das Haus in dem ich aufgewachsen bin, mein Zuhause. Alles hier, jede Erinnerung die ich mit diesem Haus verbinde beinhaltete meine liebevollen Eltern. Ich musste daran denken, ob der Verlust meiner Eltern leichter zu ertragen gewesen wäre, wenn sie schlechte Eltern wären. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und verdrängte diese Gedanken. Ich war mehr als nur dankbar, solche liebevolle und rücksichtsvolle Eltern gehabt zu haben. Mir hat nie an etwas gefehlt. Sie haben ihr Leben komplett ihren Kindern gewidmet um uns immer alles Recht zu machen. Ein leichtes Lächeln huschte mir über die Lippen.

"Oh mein Gott da bist du ja!" hörte ich die Stimme von Erdem. Ich hatte gar nicht gemerkt, das mein Bruder raus gekommen war und mich besorgt in seine Arme zog "Ich hab mir solche Sorgen gemacht Seren!" Er löste sich von mir und sah mich kurz streng an. Ich verstand diesen Blick und nickte nur stumm. Er legte seinen Arm um mich und führte mich ins Haus.

Ich wollte durch das Wohnzimmer durch, direkt in mein Zimmer gehen und mich dann im Selbstmitleid wenden. Aber Erdem war schneller er hielt mich sanft am Oberarm fest, drehte mich zu sich um und sah mir besorgt in die Augen.

„Seren ich weiß das ist gerade alles zu viel für dich, aber denk daran dass es mir genau so beschissen geht wie dir. Also jag mir nicht noch einmal so eine Angst ein, tamam?" redete er auf mich ein und ich nickte verständnisvoll. Er hatte recht, es war nicht fair von mir so egoistisch zu sein und ihm nur noch mehr Sorgen zu machen.

„Setz dich bitte, wir haben einiges zu bereden" sagte er anschließend.

Ich gehorchte und setzte mich auf die Couch, gegenüber von meinem Bruder.

„Da du noch 17 bist, werde ich das Sorgerecht für dich übernehmen. Das Haus war auf Anne und Baba (Mama und Papa), als ihre Kinder werden wir es erben und können so hier weiterhin wohnen. Ich bin in einem Monat mit meiner Ausbildung fertig und werde fest in der Bank eingestellt, dann haben wir auch ein geregeltes Einkommen"

Er hielt inne und überlegte ob er etwas vergessen hatte „Ja fürs erste war es das schon, ich hab also alles geregelt. Du machst dir keinen Kopf wegen irgendwas und konzentrierst dich auf deine Schule, okay? Wir haben jetzt nur noch uns beide, ich bin jetzt deine Familie Canim" Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippen. Ich war echt egoistisch gewesen in letzter Zeit. Anstatt auch mal an meinen Bruder zu denken, habe ich nur rum gejammert, während er sich um alles gekümmert hatte.

Es wurde langsam spät, ich gab Erdem einen Kuss auf die Wange und begab mich in mein Zimmer. Ohne das Licht anzumachen, legte ich mich sofort ins Bett. Ich war so kaputt als wäre ich einen Marathon gelaufen, was irgendwie ja auch wahr war. Sofort schweiften meine Gedanken zurück zu meinen Eltern.

Ich dachte an den schlimmsten Tag meines Lebens. Sie waren vor ein paar Monaten zu unseren Verwandten nach Wuppertal gefahren um diese zu besuchen, ich hatte Schule und mein Bruder hatte keine Lust, also blieben wir Zuhause. Wenn ich jetzt daran zurück dachte wie wir das Wochenende Sturmfrei genossen hatten, wurde ich plötzlich sauer auf mich selbst. Als sie am Sontag Abend noch immer nicht Zuhause angekommen waren, machten wir uns Sorgen. Wir riefen sie auf ihr Handy an, erst ging niemand ran. Bis sich eine fremde Stimme meldete und uns berichtete, dass unsere Eltern einen Autounfall hatten und beide auf der Intensivstation lagen. Zum Glück hatte mein Bruder auch ein Auto, wir rasten förmlich die 20 Minuten Fahrt bis zum Krankenhaus in 10 Minuten. Doch als wir ankamen, wurde uns gesagt dass das Herz unseres Vaters aufgehört hatte zu schlagen. Die Welt brach für uns zusammen, wir hatten unseren geliebten Vater verloren, doch die Hoffnung dass unsere Mutter noch eine Chance hatte lies uns stark bleiben. Zwei Tage nach dem unser Vater von uns ging, versagte auch das Herz unserer Mutter und damit brach die Welt nun endgültig für uns zusammen. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch im Krankenhaus und bekam mehr als ein Mal eine Beruhigungsspritze. In diesen Tagen sah ich meinen Bruder zum ersten Mal richtig weinen, doch aus irgendeinem Grund konnte er sich zusammen reißen. Wahrscheinlich war es die Verantwortung die er nun tragen musste, also mich. Er hatte sich die Gedanken gemacht wie er nun für uns beide sorgen sollte, anstatt wie ich um unsere Eltern zu trauen und alles um mich herum zu vergessen.

In diesem Moment hasste ich mich selbst und nahm mir fest vor mich ab jetzt zusammen zu reißen, für meinen Bruder und für meine Eltern. Sie würden nicht wollen, dass ich mit ihrem Tod zusammen auch aufhöre zu leben. Ich atmete tief durch und schnappte mir meinen iPod. Mit zugestöpselten Ohren vertiefte ich mich in die Musik, es beruhigte mich mal kurz aus der Welt zu entfliehen und an nichts zu denken als an den Text des Liedes. Durch die Anstrengung und die auf mich beruhigend wirkende Musik, dachte ich an morgen meinen ersten Schultag seit dem Unfall und schlief kurz darauf in meinen Alltagsklamotten ein.

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- 1302 Wörter.

Das ist das erste Kapitel meiner Geschichte, also nur eine kleine Einleitung. Die Kapitel werden mit der Zeit länger und ereignisreicher, ich hoffe ihr habt deswegen etwas Geduld.

Ich würde mich über Beurteilungen und Kommentare freuen, was ihr gut findet oder was ich besser machen könnte, bin offen für alles :)

> C.

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