3 - SONNENSTRAHLEN

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Julian Schwab

Julian Schwab

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𑁍 𑁍 𑁍

Vor ungefähr zwei Jahren

ES war das erste Mal, dass ich mich in den Ferien in der Schule aufhielt. Bedauerlicherweise habe ich vergessen, die Förderpläne für Jennifer fertigzustellen. Sie will ja unbedingt ein Gutachten für einen Schüler erstellen. Ich hätte den Betroffenen mit einer schwachen Vier in den nächsten Jahrgang versetzt. Allzu nötig erschien mir das Ganze nicht. Irgendwo im Lehrerzimmer liegen angeblich die Pläne. Bislang habe ich noch keinen geschrieben. Warum auch? Um mir jedoch ernsthafte Probleme mit der Schulleiterin zu ersparen, halte ich mich an die letzte Abgabefrist – in zwei Tagen. An einem Samstag jemanden in der Schule zu treffen, damit habe ich nicht gerechnet. Aus dem hinteren Schulflur höre ich ein Poltern und lautes Gestöhne.

Ich biege um die Ecke und entdecke eine kleine Frau, die Kartons trägt, die beinahe genauso groß wie sie selbst sind. Es ist die Grundschullehrerin, die vor Kurzem an unserer Schule angefangen hat. Wie heißt sie noch gleich? Etwas mit J? Mit Namen habe ich es nicht so. Beim Eintragen der Noten meiner letzten Erdkundeklasse habe ich einen Vornamen gefunden, der mir gar nichts gesagt hat. Wahrscheinlich ist er aus Versehen auf die Liste gerutscht. Aus Angst, dass er doch in der Klasse existiert, habe ich ihm einfach eine solide Drei gegeben. Die Klassenlehrerin wird sich um den Fall wohl gekümmert haben.

Äußerlich erinnere ich mich genau an sie. An ihrem ersten Tag hat sie verzweifelt den Weg zum Büro des Schulleiters gesucht. Sie trägt gerne verspielte Blümchenkleider, weil sie weiß, dass sie ihr stehen. Für gewöhnlich bevorzuge ich natürliche Haare, die zum Hautton passen. Doch obwohl ihre gebräunte Haut nicht zu ihren blondgefärbten Haaren passt, stelle ich es mir seltsam vor, sie eines Tages mit einer schwarzen Mähne zu treffen.

»Warte«, ich eile zu ihr, um ihr einen Karton abzunehmen. So ist sie in der Lage, die Klasse aufzuschließen. Sie schenkt mir ein dankbares Lächeln und deutet ein Stück den Flur runter. »Da hinten ist meine Klasse.«

Ich folge ihr und inspiziere dabei den Inhalt der Boxen. Ist das etwa ein Glücksrad? Daneben steht etwas, das wie eine Box für Kleinteile aussieht. Und ein Briefkasten? Ich frage mich, was sie damit vorhat. Sie wischt sich eine verklebte Strähne aus ihrem verschwitzten Gesicht. Eine Energie strahlt von ihr aus, die es fast unmöglich macht, sie nicht zu mögen. Bei ihren Schülern ist sie sicher hoch im Kurs.

Sie schließt eine Tür auf, an dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift 5b – Frau Rodriguez steht. Ich gerate ins Straucheln. Den Namen kenne ich. »Du ... äh ... Sie sind die neue Klassenlehrerin von meinem Sohn.«

Sie lacht. Ihr Lachen ist herzlich und ansteckend. Meine Brust zieht sich zusammen bei dem Gedanken, wie lange es her ist, dass ich das letzte Mal so echt gelacht habe. »Wir können gerne beim Du bleiben.«

NOT this time [ONC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt