4 - ZWISCHEN BURNOUT UND KAFFEETRINKEN

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Julian Schwab

Julian Schwab

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𑁍 𑁍 𑁍

Ein knappes Jahr später

IM Raum ist es still. Niemand reißt sich um den Job. Ein Großteil der Lehrkräfte steht kurz vor der Pension. In ihrer Klasse jetzt noch Tablets einzusetzen, übersteigert die Kapazitäten unserer Schule. Ich habe keine Zeit, wenn neben dem regulären Unterricht so viel nebenher läuft – Dienstbesprechungen, Klassenarbeiten kontrollieren, Klassenkonferenzen und nicht zu vergessen mein Job als Fachkonferenzleiter für das Fach Deutsch. Er wurde mir aufgedrückt, weil ich der Jüngste bin. Das Schweigen im Raum signalisiert mir, dass ich wieder der Buhmann sein werde. Dabei kann es nicht Sinn eines Arbeitsvertrags sein, als Halbtagskraft Vollzeit zu arbeiten.

Im Laufe ihrer Zeit als Klassenlehrerin meines Sohnes bin ich Yuna in so einigen Punkten dankbar gewesen, aber selten bekam ich so sehr das Bedürfnis, ihr die Füße zu küssen, wie in diesem Moment. »Ich mach's.«

Regina notiert es sich und nickt wertschätzend. »Wenn du die 9a mit den Geräten und Apps vertraut machst, bietet es sich ja an, dass Julian diese in seinem Unterricht auch einsetzt, oder?« Sie mustert mich intensiv, mit einem Blick, der keinen Widerspruch zulässt. Sie verübelt es mir weiterhin, dass ich meiner Aufsichtspflicht in den Pausen eher nachlässig nachgehe. Verteidigend merke ich gerne an, der Plan hängt noch nicht lange im Lehrerzimmer. Und er ist verdammt verwirrend und unstrukturiert.

Gerne würde ich erneut einwerfen, keine Vollzeitkraft zu sein. Nur habe ich Angst, meine Minusstunden von dem Tag, wo Schulausfall wegen Glatteis war, um die Ohren gehauen zu bekommen. Ich nicke zerknirscht. »Klar.« Niemand bekommt mit, wie ich den Unterricht wirklich plane. Solange mir keiner zeigt, wie ich das ohne großen Arbeitsaufwand bewerkstellige, sehe ich nicht ein, mir die Finger schmutzig zu machen.

Leider habe ich die Rechnung ohne Yuna gemacht. Sie beginnt schon in der zweiten Unterrichtswoche und teilt mir sogar mit, welche Apps sie zur Nutzung empfehlen kann. Lieb gemeint, aber für mich vollkommen uninteressant.

»Wenn du wie dein Sohn bist, wäre der Book Creator vielleicht etwas für dich«, schwärmt sie mir vor. Sie lacht. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass du im Unterricht mit einer richtigen Leidenschaft über Bücher sprichst. Junis schafft das auch schon sehr gut.«

Mein Magen verkrampft sich. Im Referendariat hat die Seminarleitung mein fehlendes Feuer kritisiert. Laut ihr sei es eine Frechheit, eine Stunde zum Erwartungshorizont an eine Lektüre auf die Beine zu stellen, ohne den Schülern das Buch zu zeigen. Warum reicht ein Cover nicht? Bis zu dem Zeitpunkt habe ich es selbst nicht geschafft, das Ding zu bestellen. Vielleicht war ich zu beschäftigt, ein Kind großzuziehen und dabei nicht den Verstand zu verlieren.

»Ich weiß nicht, wie die App funktioniert«, brumme ich verstimmter als beabsichtigt. Hauptsächlich ist das meinem heutigen Telefonat geschuldet, das ich vor Schulbeginn geführt habe. Ich habe von Flynn, meinem Agenten, einen Einlauf bekommen, weil in einer Woche Deadline ist und ich das Manuskript erst zur Hälfte fertig geschrieben habe. Glaubt er, ich verschiebe den Erscheinungstermin meines Romans gerne nach hinten? Nein. Wenn ich ein Mitspracherecht hätte, würde ich den liebenlangen Tag nur schreiben – und davon leben. Obwohl Rache mit Flügeln im Buchladen ausgelegen hat, bedeutet das leider nicht, jetzt genug Geld in der Tasche zu haben. Irrglaube. Die meiste Zeit schlage ich mich mit komplizierten Apps für Kinder herum.

NOT this time [ONC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt