17 - BOTSCHAFT EINES FREMDEN

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Julian Schwab

Julian Schwab

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HEUTE Morgen habe ich mir nichts dabei gedacht, dass Junis darauf beharrt hat, alleine mit dem Fahrrad zu fahren. Ich habe es eben gehörig verbockt. Jetzt ist es vier Uhr am Nachmittag und ich warte vergeblich mit kaltwerdenden Essen. Wo zur Hölle ist er? Versöhnt er sich mit Ben? Ist er zu ihm gefahren? Ist er bei seiner neuen Freundin Camilla? Eine Schwere schenkt sich auf meiner Brust nieder. Etwas zieht sich zusammen, was das Atmen beinahe unmöglich macht.

In der Küche marschiere ich auf und ab, rede mir ein, mich unnötig zu sorgen. Jeden Augenblick wird er auf der Türschwelle stehen. Doch aus den Augenblicken wird eine halbe Ewigkeit. Durch das Fenster sehe ich die sinkende Sonne hinter den Birken verschwinden. Was jetzt? Ich hasse es, mit der Situation vollkommen allein zu sein. Verzweifelt krame ich mein Handy aus der Hosentasche. Ist es überstürzt, mich bei der Polizei zu melden? Vielleicht.

Ich öffne die App unserer Schule, wo ich, weil ich den Lehrerstatus besitze, glücklicherweise jeden kontaktieren kann. Zunächst schließe ich mich mit der Mutter von Ben kurz. Martina kenne ich und fühle mich wohl dabei, ihr zu schreiben. Leider antwortet sie prompt, Junis nicht bei sich zuhause zu haben, und sie hoffe, dass er schnell wieder auftaucht. Wie ich die Eltern von Camilla anschreiben soll, weiß ich nicht.

Es benötigt einige Ansätze, ehe ich mit der Nachricht zufrieden bin:

Liebe Familie Groth, da ich mitbekommen habe, dass ihre Tochter und mein Sohn in letzter Zeit viel Kontakt miteinander haben, wollte ich fragen, ob Junis vielleicht bei Ihnen ist. Er ist bislang nicht nachhause gekommen.

Familie Groth lässt sich mit ihrer Antwort extrem lange Zeit. Mit jeder verstreichenden Sekunde bekomme ich die Krise, bis ich schlussendlich meine Administrationsrechte nutze, um den Onlinestatus von ihnen zu checken. Klasse! Das letzte Mal angemeldet haben sie sich vor vier Monaten. Den Eltern scheint die Schule ja äußerst wichtig zu sein.

Ich tigere mit dem Tastenfeld vor meiner Brust nervös durchs Haus. Mir bleibt nichts anderes übrig, oder? Mit zittrigen Fingern habe ich die 110 bereits eingetippt. Das ist das erste Mal, dass ich bei der Polizei anrufe. Zu Schulzeiten haben wir geübt, wie man sich bei solch einem Gespräch verhält. Ehrlich habe ich das gerade alles vergessen. Am Ende der Leitung tutet es. Eine Frauenstimme meldet sich, doch in dem Moment nehme ich nur den Brief wahr, der gefaltet auf dem Küchentisch liegt. Zuvor ist er mir nicht aufgefallen, aber dort stehen die Worte: für Papa.

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Yuna Rodriguez

Am Freitagmorgen stehe ich vor dem Vertretungsplan und rege mich auf, dass Julian heute ausfällt. Das bedeutet, ich werde die Hofaufsicht in der zweiten großen Pause übernehmen. Die Uhrzeit, wo sich die meisten Vorfälle ereignen und man immer beide Ohren offenhalten muss. Des Öfteren hat man das Bedürfnis, sich in zwei zu teilen. Im Schrank mit den Klassenbüchern fehlt das der 10a mal wieder. Hoffentlich hat er es nicht eingesteckt und fällt länger aus. Es ist ein Graus, sich nach einer Woche zu überlegen, was wir im Unterricht erledigt haben und welche Hausaufgaben es aufgab.

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