①⑥ Truth

33.3K 1.9K 376
                                    

»Das ist unglaublich«, hörte ich ihn flüstern. »Er ist wieder da. Ich habe wieder zwei Arme.«
Ich freute mich für ihn, doch ich fühlte mich ausgenutzt. Sobald ich ihn losgelassen hatte, war er wie hypnotisiert und lief im Raum umher. Liam unterhielt sich angeregt mit dem Rudelarzt, der das Geschehen aufmerksam verfolgt hatte und nun von Liam verlangte, mich ins Krankenhaus zu schicken, damit ich dort weiterhelfen konnte. Doch aus irgendeinen Grund verweigerte Liam ihn diese Bitte. Wahrscheinlich weil ich kein Teil des Rudels war. Noch nicht.
Aber mich fragte bei all den keiner, was ich wollte. Oder wie es mir ging. Ich hatte getan, was Liam wollte und wurde jetzt fallen gelassen, wie ein angeschimmeltes Brot. Von meinen Gefühlen betäubt stand ich auf und versuchte mich tastend aus den Raum zu begeben, doch schon nach wenigen Schritten stieß ich gegen irgendetwas hartes, was mich vor Schmerz aufjaulen ließ.
Ich ließ mich aber nicht beirren und wollte weiter gehen, als sich eine warme, große Hand um mein Oberarm legte. Sofort über zog meine Haut eine Gänsehaut und ein wolliger Schauer ging durch meinen Körper.
»Wo willst du hin?«
»Ich ... Eh ... Ich wollte in ... in mein Zimmer«, brachte ich leise stotternd raus und machte mich kleiner. Mir war nicht klar warum, aber dass er sich anhörte, als wäre er traurig darüber, dass ich gehen wollte, brachte mich dazu, wieder Angst zu empfinden. Er war sicherlich nicht traurig, weil ich jetzt gehen wollte, sondern, weil er dann nicht mehr von mir verlangen konnte. Ich war mir sicher, dass er sich mit dem Arzt geeinigt hatte, dass ich mit ins Krankenhaus zu gehen und dort zu sehen, was ich machen konnte bei den frisch Verwundeten.
»Fühlst du dich nicht wohl?«
Machte er sich vielleicht doch Sorgen um mich? Nein. Das glaubte ich nicht. Auch wenn es sich so anhörte, nein. Ich wollte ihn mir als guten Menschen vorstellen. Irgendwas sagte mir, dass er nicht schlecht war, doch er hatte mir das Gegenteil bewiesen. Ihm ging es nicht um mich, ihm ging es um sein Rudel. Er machte sich keine Sorgen um mich, er wollte nur, dass ich seinem Rudel half.
Und ich wollte genau das tun. Ich wollte das tun, was er wahrscheinlich von mir verlangte, weil ich wollte, dass er mich mochte.
»Nein .. Ja ... Ich meine, ich würde gerne einfach in mein Zimmer.«
»Soll ich dich hoch bringen?«
»Eh .. « Ich war überrascht. War das wirklich Liam Reese vor mir? Derjenige, der mir noch vor wenigen Tagen bedroht hat? Der Rogues wie mich hasste?
»Ich geh mal davon aus, dass du nicht alleine dahin finden wirst. Und bevor du irgendwo runter stürzt, dir das Genick brichst und mir rein gar nichts mehr nützt, begleite ich dich lieber.«
Damit zog er mich vorwärts, aus dem Raum raus. Da war er wieder, der unausstehliche Alpha des RedLake Rudels.
Schweigend schleifte er mich mit sich. Dort, wo er mich berührte, brannte meine Haut. Ich genoss es, ihn so nahe zu sein und schämte mich im nächsten Augenblick dafür. Ich sollte nicht so denken, er mochte mich eh nicht. Verübeln konnte ich es ihn nicht. Ich war blind, behindert, und ein Rogue. Wie sollte ich ihn dafür hassen, dass er mich hasst, wenn ich mich doch selber nicht mochte?
Wir erreichten mein Zimmer und er ließ mich los.
»Wir reden später«, sagte er und wollte sich abwenden, als ich die Tür öffnete und mir der Geruch von Dan und Caitlyn entgegen schlug. Ich hörte, wie sie überrascht ein Paar Schritte in verschiedene Richtungen gingen und ihre Herzen anfingen schneller zu schlagen.
»Liam«, sagte Caitlyn und brachte ihre Überraschung in ihrer Stimme mit ein. Er knurrte neben mir gefährlich und machte einen Schritt zurück. Seine Wut war zu greifen, aber ich spürte, dass er sich versuchte zu beruhigen.
»Liam, ich-«
»Spar es dir Caitlyn«, sagte er durch zusammen gepressten Zähnen und ging weg. Von der Situation über fordert, stand ich vor der Tür und spürte einen leichten Windhauch, als Caitlyn ihren Bruder folgte.
»Was ist passiert?«, fragte ich verwirrt.
»Nichts.«
»Aber das sah mir nicht nach nichts aus«, antwortete ich und ging in das Zimmer.
Er lachte trocken auf. »Es sah für dich so aus? Ist das dein Ernst Dakota?« Von seiner angreifenden Tonlage verletzt, zog ich meine Schultern hoch und neigte meinen Kopf nach unten.
»Das finde ich wirklich lustig. Jemand der nichts sehen kann, benutzt solche Worte. Echt, der beste Scherz des Jahrhunderts. Aber weißt du was? Genau das ist ja der springende Punkt. Du kannst nicht sehen. Du bist blind Dakota. Und wir beide wissen auch, dass du schuld bist, dass Mum und Das tot sind. Du weißt warum wir angegriffen wurden. Du weißt es und versucht immer noch alles von dir zu schieben. Du willst es nicht wahrhaben, aber ich habe recht.«
»Daniel ich-«
Wie zuvor schon Liam getan hat, unterbrach mit Daniel und fuhr ohne bekümmern fort.
»Nein! Verdammt nochmal nein Dakota! Scheiße! Du ... Du hast alles kaputt gemacht. Ich hab dich all die Jahre beschützt, aber ich kann nicht mehr. Du musst doch irgendwann für dich alleine sorgen können. Gott! Du bist 20 Jahre alt und ...  Verfluchter Mist!«
»Dan bitte. Ich versteh doch-«
»Ja klar, du verstehst alles. Du kannst es ja sehen. Das ich nicht lache. Du verstehst rein gar nichts Dakota. Und du wirst es nie verstehen können. Wenn du nicht wärst-«
»Wen ich nicht wäre, hättest du Caitlyn nie kennen gelernt!«, schrie ich mit tränenerstickter Stimme. 
»Jetzt willst du also, dass ich dir danke, dass du da bist? Mein Gott Dakota, du weißt, dass ich sie trotzdem kennen gelernt hätte.«
»Oh ja klar, weil das mit den Gefährten ja auch so läuft, wie in den Menschenbüchern geschrieben! Du hättest sie nie kennen gelernt. Du wärst alleine und einsam gestorben. Oder hättest dich mit jemanden gepaart, der nie wirklich zu dir gepasst hätte. Du-«
»Merkst du eigentlich, was du sagst? Ach ich vergaß, du merkst ja alles. Du hast ja die Superkräfte, stimmt ja. Du bist ein Freak Dakota. Ein verdammter, nutzloser Freak, den keiner will. Wenn du nicht wärst, wären Mum und Dad noch am Leben und wir könnten in aller Seelenruhe leben. Du solltest das machen, was schon immer alle von dir wollten. Du bist abartig
Damit verschwand auch er aus dem Raum und ließ mich um Luft ringend zurück.

Blind MateWhere stories live. Discover now