③⑦Silver

24.5K 1.4K 154
                                    

Jemand schlug mir hart auf die Wange.
Ein Wimmern unterdrückend versuchte ich mich zusammen zu rollen. Doch die Silberketten an meinen Handgelenken und Knöcheln verhinderten dies.
Schmerz durchzog meinen Körper, es fühlte sich an, als würde meine Haut an der Stelle, an der die Ketten an ihr rieben, auseinander gerissen werden und tausend Nadeln durch meine Venen wandern.

»Warum heilst du dich nicht selber, Dakota
Sein Geruch schlug mir entgegen, sauer und faul. Gegen meinen Willen entwich mir ein weiteres Wimmer, als ich seine Nase an meinem Ohr spürte.
»Das kannst du doch. Oder etwa nicht?«, hauchte er und drückte seine Nase hinter mein Ohr.

Ich rückte von ihm weg, nur um dann wieder geschlagen zu werden. Das Zeitgefühl war mir vollkommen abhanden gegangen, zu oft hatte mein Bewusstsein ausgesetzt.
Es kam mir so vor, wie meine persönliche Hölle. Der Schmerz wich nicht von meiner Seite, während meine Haut vom Silber zerstört wurde, ehe sie sich wieder zusammensetzte. Nur um dann wieder zerstört zu werden.
Doch meine Nase ... Sie hatten mich geschlagen, mehrmals bis von meiner Nase ein Knacken kam um Blut aus ihr heraus lief. Ich wusste nicht, warum mein Körper sich nicht heilte. Ich verstand es einfach nicht, doch einen klaren Gedanken konnte ich auch nicht wirklich fassen.
Jede Bewegung verursachte einen größeren Schmerz, jeder Schlag trieb mich weiter an den Abgrund.

»Andrew meinte, ich darf alles machen, was ich will, solange du am Leben bleibst.« Er zog mich an meinen Haaren zu sich. »Ich will so vieles machen, wo sollen wir nur anfangen?«
Ich unterdrückte ein weiteres Wimmern, doch die Tränen konnte ich nicht aufhalten. Ich wollte hier weg, von ihnen weg.
»Vielleicht-«
»Stripes! Andrew will sie sehen!«, wurde er von einer tiefen, männlichen Stimme unterbrochen.
»Jetzt schon? Ich habe noch ni-«
»Stripes, jetzt!«
Sein Ärger konnte ich schwach durch den Schmerz hindurch spüren, doch als er an den Ketten zog, war alles um mich herum vergessen.
Ich schrie. Er zog mich hinter sich her, riss an den Silberketten, während ich schreiend hinter ihn her rutschte.

»Halt die Klappe!«
Ein weiterer Schlag in mein Gesicht. Für einen kurzen Moment hatte er die Ketten gesenkt, doch dieser hielt nicht lange an. Ich wollte es nicht, wollte keine Schwäche zeigen, doch der Schmerz ... er war unerträglich.

Als er endlich stehen blieb, waren meine Handgelenke offen und schmerzten mehr als ich beschreiben könnte.
Ich spürte, wie die Haut sich zusammen zog, doch wirklich heilen konnte sie nicht. Langsam dämmerte es mir, warum meine Selbstheilungskräfte nicht funktionierten. Das Silber muss sich in mein Blut gemischt haben, was mein Körper versucht zu bekämpfen, doch dadurch den anderen Verletzungen nicht standhalten konnte.

»Ah Dakota, da bist du ja.«
Ich bekam einen Würgreiz, als ich die Stimme erkannte. Wie konnte er das tun? Wie konnte er das zulassen? Er-
Die Ketten rissen an meiner Haut, zerrissen sie und ich schrie.
Mein Hals brannte, meine Stimmbänder klagten. Mein Körper - er stand in Flammen.

»Schon praktisch, oder? Die Ketten habe ich extra anfertigen lassen. Daniel war mir dabei eine große Hilfe, er hatte sogar die Idee mit der extra Beschichtung Silber, die wirklich sehr leicht abgeht.«
Er ging um mich herum. Seine Schritte halten im Raum wieder, sein Geruch sowie seine Stimme waren kaum wieder zu erkennen. Das war nicht mein Andrew, der Junge, der mit meinem Bruder alles getan hatte. Das war nicht Max Sohn und schon gar nicht der zukünftige ... der Alpha des Skywalker Packs, meines früheren Rudels.

»Warum?« Meine Stimme hörte sich so an, wie ich mich fühlte. Es war, als hätte man mir die Stimmbänder hinaus gerissen.
»Oh Dakota, du warst schon immer so naiv. Dad hat zwar gedacht, ich fände es nicht raus, und ich gebe zu, sie haben es gut vor mir versteckt, aber ich habe dich gesehen.«
Plötzlich spürte ich ihn neben mir. Mein Herz drohte zu zerspringen, meine Atmung beschleunigte sich drastisch.

»Wie du Sheppy geheilt hast. Einfach so, als wäre es das leichteste der Welt. Und dann habe ich mir die Schriften durch gelesen. Sehr interessant, aber am interessantesten war die Prophezeiung
Ich hatte das Gefühl, in meinem Kopf wäre nichts. Vollkommene Stille breitete sich aus, während ich eine weitere, schwache Aura von draußen wahrnahm.

»Mein Bruder war ein Rogues. Du musst wissen, er konnte sich nicht gut an Regeln halten, aber er war trotzdem mein Bruder. Und dann wurde er von einem anderen Wolf schwer verletzt. Dad ließ ihn sterben, obwohl er wusste, dass du ihn hättest retten können. Aber ich habe ihn durchschaut.«
Es war alles so verwirrend. Ich schaffte es nicht, ihn zu folgen, zu viele Wörter kreisten um mich herum. Ich zitterte am gesamten Leib und kämpfte innerlich mit der wohltuenden Bewusstlosigkeit.

»Sie wird geboren in der Nacht des ersten Vollmondes, in ihren Augen sein Wesen. Geschickt von der Mondgöttin, soll sie Gleichgewicht und Ordnung bringen. Mit ihrer Gabe kann sie Gutes schaffen, doch verlangt wird ein Opfer. / Zerbricht sie, zerbricht das Gleichgewicht. Als größter Schatz soll sie gelten und ihr Schicksal das Schicksal ihres Volkes sein

Er hielt inne. Ein Finger strich an meinem Arm entlang, woraufhin ich versuchte von ihm weg zu kommen. Doch mein Körper war zu schwach.
»Am Anfang wollte ich nur deine Gabe für mich, doch jetzt - jetzt habe ich die Worte erst richtig verstanden. Du bist diejenige, die uns befreien kann. Die uns aus den Zwängen der Rudel erlösen kann.«

Er erreichte mit seiner Hand meinen Hals und streckte seine Finger aus.
»Aber dafür musst du leiden, zerbrechen.«
Er umschloss meinen Hals und schnitt mir  die Luft ab.
Ich wollte seine Hände wegziehen, ihn davon abhalten, doch ich schaffte es nicht, sie zu bewegen. Die Ketten waren festgemacht, hielten mich gefangen.
Ich röchelte, versuchte zwanghaft Luft zubekommen. Ihm schien es nichts aus zumachen, es schien ihm regelrecht egal zu sein.

Mir gegenüber stand nicht mehr Andrew Piers, Sohn von Max Piers, Alpha des Skywalker Packs. Meiner früheren Heimat.
Dies war nur noch Andrew der Rogues.

Plötzlich waren seine Hände verschwunden und Sauerstoff gelang wieder in meine Lunge.
Ich holte hektisch Luft, hustete, während mir schwindelig wurde.
»Komm schon Kota, wir müssen hier weg.«

Ich weinte, als er das Silber von meinen Ketten befreite. Es war seine Schuld, seine Idee gewesen. Ich wollte weg von ihm, aber er hörte nicht auf meinen Protest.
Daniel hob mich hoch und rannte mit mir auf dem Arm weg. 

Blind MateWhere stories live. Discover now