③⑥No Worry

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Es schien alles perfekt.
Mein Herz vollzog vor Freude Salti und in meinem Bauch flogen die Schmetterlinge kreuz und quer. Ich fühlte mich glücklich, Freude durchzog meinen gesamten Körper. Alles, wirklich alles fühlte sich gut an. Die weiteren Stunden auf der Lichtung, in der wir zuerst noch eng beieinander da standen und dann wieder trainierten (diesmal jedoch behutsamer, weder er noch ich wollten unser Gegenüber versehentlich weh tun), waren unbeschreiblich.

Ich konnte mich nicht wirklich konzentrieren, während Liam mir, nun intensiver, versuchte, die grundlegenden Verteidigungsgriffe beizubringen. Alle meine Gedanken handelten von ihm, seinem Geruch, seine Worte, seine Berührung. All das verhinderte mein konzentriertes Handeln, weswegen Liam kurze Zeit später vorschlug, wieder zurück zugehen.
Zu meinem Erstaunen nahm er sogar meine Hand und ließ sie auch nicht los, als wir uns dem Rudel näherten. Es war alles perfekt. So perfekt, wie noch kein Tag in meinem Leben war. Wahrscheinlich genau deswegen wurden wir in unseren perfekten Moment gestört.

»Liam!«
Abrupt bleib Liam stehen und drehte sich um. Mir kam die Stimme bekannt vor, doch ich konnte nicht sagen woher. Der Mann, der den Alpha des RedLake Rudels gerufen hatte, schloss zu uns auf und strahlte eine Angespanntheit aus, die sofort auf Liam übersprang.
»Michael, was ist los?«
»Ich glaube, du solltest mitkommen«, war alles was er sagte und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.  
Als ich seine Aura spürte, wurde mir schlagartig klar, wer er war: Der Beta des Rudels. Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, als mir die Tragweite seiner Worte klar wurde. Er würde nicht ohne Grund mit solchem Nachdruck mit Liam reden.

Liam zögerte.
Ich konnte seinen Blick auf mir spüren und war mir sicher, er wollte mich nicht alleine lassen. Doch er war ihr Anführer, der Alpha, weswegen ich seine Hand sanft und beruhigend drückte und sagte: »Ich komme schon alleine zurück, irgendwie.«
»Nein, ich bring dich nach Hause«, antwortete er fürsorglich und strich mir kaum merklich über meine Wange. »Und dann komme ich. Wir beeilen uns.«

Liam wartete keine Sekunde länger, sondern zog mich leicht mit sich. Der Liam, den ich noch vor einem Monat genannt habe, hätte mich stehen gelassen und wäre ohne zurück zublicken mit seinem Beta gegangen. Doch dieser Liam, der sympathische, freundliche und fürsorgliche Liam brachte mein Puls zum rasen.

Es dauerte nicht lange, da standen wir auch schon auf der Veranda seines Hauses. Mir wurde klar, dass es nicht mehr nur sein Haus ist. Es war für mich zu meinem Zuhause geworden, ein Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Im gewissen Sinne war mir das schon längst klar geworden, doch genau in diesem Moment, in dem mir seine Worte und Gegenwart wirklich bewusst wurden, erkannte ich es.

Liam hatte mich hierher gebracht, in seine vier Wände, in sein Zuhause, und hatte mich seit dem nicht raus geschmissen. Ich wohnte dort ... Nein, ich lebte dort und zum ersten Mal seit meiner Ankunft, fühlte es sich auch wirklich so an.
Mir war nie klar gewesen, wie viel mir entgangen ist. Wie viele kleine Entscheidungen von ihm zu meinem Gunsten ausgefallen ist. Er hätte weder mich, noch meinen Bruder aufnehmen müssen, er hätte uns den Wölfen zum Fraß vorwerfen können und wenn er mich wirklich als Gefahr und Last betrachtet hätte, bezweifelte ich nicht, dass er mich ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht hätte.

Doch er machte es nicht.
Es war ihm wahrscheinlich genauso wenig wie mit bewusst gewesen, doch insgeheim hatte er für mich gesorgt, mich von den Verlust meiner Eltern abgelenkt und hatte mich akzeptiert wie ich war.
In diesem Sinne waren wir beide blind gewesen.

»Ich denke nicht, dass es etwas Ernstes ist«, sagte er und nahm mein Gesicht in seine Hände. Auch wenn mich die Berührung ablenkte, wusste ich, dass er dies nur sagte, um mich nicht zu beunruhigen. Ich hatte die Dringlichkeit in Michaels Worten gespürt und seine leicht spürbare Angst, die er jedoch gekonnt versteckt.

»Ich werde bald wieder da sein.«
»Sei bitte vorsichtig. «
Meine Stimme zitterte. Es konnte nichts Gutes sein und eine plötzliche Angst um ihn breitete sich in mir aus. Der perfekte Moment war nun endgültig zerstört.
»Keine Sorge, mir passiert nichts. Es ist sicher nur ein junger Wolf, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat.«
Leichte Kälte strich über meinen Körper. Ich hatte das Gefühl, so eine Situation wie vorhin, in der wir unbeschwert und glücklich waren, würde nun nicht mehr so schnell kommen.
»Es ist schon spät, der Mond geht auf.«

Für einen Moment war es stillt. Noch immer lagen seine weichen, warmen Hände an meinen Wangen und bereiteten mir Gänsehaut.
»Wenn du schlafen gehst, vergeht die Zeit schneller und ich bin eher wieder zurück.«
Dann spürte ich seine Lippen auf meiner Stirn, an der sie für einen Moment verharrten.
Ich genoss es, wünschte mir, er müsste nicht gehen. Doch er verabschiedete sich und rannte schon beinahe Richtung Wald.

Während mein Herz einen erbitterten Kampf führte, zwischen Angst und Glück, lag ich von Gedanken gequält in meinem Bett.
Es dauerte lange, bis mich der Schlaf übermannte und ich mit den Gedanken an Liams Berührungen einschlief.

Ein lauter Knall riss mich aus der trägen Dunkelheit hinein in die von Lärm erfüllte Wirklichkeit.
Blitzschnell saß ich kerzengerade unter der Decke und versuchte zu hören, was vor meiner Tür vor sich ging.
Mehrere Stimme, Schritte, wieder ein Knallen. Es schien, als würden Türen aufgetreten werden, ehe Gefluche einsetzte.
Ich rutschte weiter in die Kissen hinein und zog meine Decke  bis zur Nase. Langsam drang ein berstender Geruch zu mir und mein Herz begann panisch zu klopfen. Das konnte nicht sein, das war nicht wahr. Es musste ein Alptraum sein, ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab.

Meine Tür flog krachend auf und so sehr ich es verhindern wollte, schrie ich auf.
»Na was haben wir denn da?«
Er kam auf mich zu, strahlte eine widerliche Aura aus. Panisch versuchte ich von ihm weg zu kommen, krabbelte weg, egal wohin, einfach weg.

Dann griff er nach meinem Arm und zog mich zu sich. Ich schrie, trat um mich, doch er ließ mich nicht los.
»Andrew wird sich freuen, dass wir dich endlich gefunden haben.« Aus seinen Worten konnte man sein widerliches Lächeln hören, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Dann traf mich etwas an meinem Hinterkopf und ich verlor das Bewusstsein.

Blind MateWhere stories live. Discover now