②⑨ Hold on

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Wie soll ein Mensch das ertragen - Philipp Poisel (🎅)

Der Raum war erfüllt mit Stimmen. Alle redeten durcheinander, einzig ich versuchte ruhig zu bleiben. Mein Kopf dröhnte und ich hatte das Gefühl, jeden Augenblick umzufallen. Doch mir fehlten noch zwei Wächter, zwei Wächter und alle im Raum waren gesund. Noch zwei Männer und ich konnte mich hinlegen.
Ich saß neben ihm, erhellte das dunkle in ihm und hörte ihn schmerzhaft husten. Ich wollte, sie spürten keine Schmerzen bei der Heilung, doch was auch immer das schwarze Zeug war, es ging nicht ohne Schmerz von dannen.

»Es ist gleich geschafft«, flüsterte ich ihm zu, meine Stimme gequält durch seinen Schmerz. Ich spürte es, wusste, es fühlte sich an wie ein Bügeleisen im Hals, das alles verbrannte. Doch als es vorbei war, folgte die wohltuende Kälte. Er lag Schweiß gebadet in den Kissen und atmete hektisch ein und aus. Meine Hand verließ seine und mein Körper drehte sich wie automatisch im Kreis, bis ich auf den letzten Wächter zusteuerte.
»Noch einen. Nur noch einen«, sprach ich meinem Körper gut zu, als ich merkte, wie er langsam aufgeben wollte. »Nur noch einen, dann sind alle geheilt.«

Der letzte Mann war frisch verwundet, vor einem Tag hierher gebracht worden und deswegen kannte ich ihn noch nicht. Aber ich spürte seinen Schmerz und griff zugleich nach seiner Hand.
»Ethan«, hauchte ich entsetzt, als ich bemerkte, wer es war.
»Hey Kota«, sagte er gepresst. »Leistest ja starke Arbeit heute.«
»Gott Ethan.« Mein Entsetzen war groß, es war einfach schockierend, einen meiner Freunde hier zu wissen. Ich bekam nicht mehr mit, was er sagte. Meine Konzentration und letzte Kraft lag einzig darauf, das Gift schnellst möglich aus seinem Körper zu bekommen.

Zum Glück konnte es sich innerhalb von einem Tag noch nicht in großen Maße ausbreiten, was mir die Arbeit erleichterte. Er fing an zu husten, nicht für lange, aber trotzdem mit großen unertragbaren Schmerzen.
»Es wird alles gut Ethan, nur noch ein bisschen«, murmelte ich ihm zu, auch wenn er mich wahrscheinlich nicht hören konnte. Und ich hielt mein Versprechen; kurze Zeit später war alles aus seinem Körper draußen und ich drohte nach hinten weg zu fallen.
Erschöpft lag er vor mir, atmete schnell ein und aus. Das Gefühl des Triumphes durchströmte mich, ehe es von Übelkeit abgelöst wurde. Bevor ich mich umdrehen konnte, wurde ich an den Armen gepackt und weggetragen.

»Halt durch«, hörte ich eine bekannte Bassstimme und fühlte mich sogleich sicher. Mein Magen rebellierte, wollte etwas ausspucken, was er nicht besaß. Ich versuchte meinen Körper ruhig zu halten, nichts auszugeben, doch die Zeit wurde knapp.
Frische, kalte Luft umgab mich, ehe meine Füße den eingefrorenen Boden erreichten. Sie waren jedoch zu schwach, um mein Gewicht halten zu können und klappten in sich zusammen. Als ich auf meinen Knien war, versuchte mein Magen sich von seinen nicht vorhandenen Inhalt zu befreien, doch nichts als der Tee und Schleim entkam ihm.

Als nichts mehr aus meinem Mund kam, bemerkte ich eine Hand, die gleichmäßig über meinen Rücken strich. Meine zitternden Hände stemmte ich auf meine angeknickten Knie und drückte meinen Rücken durch. In meinem Mund lag der typische eklige Geschmack von Erbrochenen und ich wünschte, ich könnte ihn mir ausspülen.
»Hier, gib ihr das«, hörte ich jemanden verschwommen hinter mir sagen. Kurz darauf wurde meine rechte Hand von einer großen, warmen von meinen Knie gelöst und um eine Flasche gelegt.
Ich versuchte sie anzuheben, aber meine Arme fühlten sich taub an. Bevor ich realisieren konnte, was geschah, rutschte mir die Flasche aus der Hand. Ich wartete auf den Aufprall, der aber nicht kam.

»Warte, ich helfe dir«, murmelte er neben mir und kurz darauf konnte ich die Flaschenöffnung an meinen Lippen spüren. Vorsichtig beugte er die Flasche an, woraufhin die kühle Flüssigkeit in meinen Mund lief. Ich wollte es hinunter schlucken, doch zuerst spülte ich meinen Nun mit ein paar Schlücken aus.

»Danke«, murmelte ich und fühlte mich stärker als vorhin. Als ich aufstehen wollte, drohte ich abermals um zu kippen, einzig seine warmen, vertrauten Hände verhinderten dies. Wir blieben noch einen Moment so stehen, ich beinahe in seinen Armen liegend, ehe er mich wieder Richtung Haus zog.
»Wir sollten wieder rein gehen«, sagte er sanft und wich keinen Zentimeter von meiner Seite.
»Was ... Was machst du hier?«, fragte ich ihn mit flatternden Augenlidern. Die Müdigkeit holte mich ein, drohte mich zu verschlingen.
»Auf dich aufpassen.«
Meine Mundwinkel hoben sich freudlos.
»Klar«, murmelte ich ironisch.
»Auch wenn du mir nicht glauben magst, sage ich die Wahrheit. Ich habe mitbekommen wie du aus dem Haus bist. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber dann haben die Ärzte mich gerufen. Sie sagten, jemand heile die vergifteten Wölfe und das konntest nur du sein.«

Schweigend gingen wir weiter. Langsam durchschritten wir die Eingangshalle und zahlreiche Zimmer. Was er sagte, konnte nicht wahr sein. Er mochte mich nicht und würde sich nie im Leben um mich sorgen. Doch er hörte sich ehrlich an und das verwirrte mich wie immer.
»Warum hast du das getan?«, durchschnitt er die entstandenen Stille. »Du weißt doch nicht, was jetzt passieren wird. Zwei dutzend Männer Dakota. Das sind zwei dutzend Männer, die du geheilt hast. Das ist nichts, verglichen mit Caitlyn. Was wird jetzt passieren? Warum tust du dir das an? Mit dir kann jetzt alles mögliche geschehen.«

Verwirrt zog ich meine Stirn leicht kraus. Er macht mich fertig und mein Körper war schon am Ende. Warum dachte er plötzlich so? Gestern war es ihm noch egal gewesen. Ich bekam Kopfschmerzen und wünschte, ich könnte mich einfach hinlegen und schlafen.
»Verdammt Dakota, wie soll ich denn jetzt schlafen können, wenn ich weiß, dir könnte jeder Zeit etwas passieren?«
»Weißt du«, begann ich mit lallender Stimme zu sagen. »Du bist total verwirrend und deine Stimmungsschwankungen sorgen immer dafür, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Außerdem bist du manchmal so unausstehlich und dann wieder der süßeste Junge überhaupt. Entscheide dich doch mal, was du willst.«

Ich glaube, der Tag war zu anstrengend für mich. Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich das sicherlich nicht gesagt, aber hinterher sucht man immer nach Ausreden.
»Ich weiß«, erreichte meine Ohren, ehe ich gegen ihn sackte und einschlief.

Blind MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt