Kapitel 14

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Immernoch an seinem Rücken angelehnt, wachte ich auf. Das erste, was mir einfiel, war meine Zahnbürste. Mist. Ich hatte sie ja gar nicht dabei. Und ohne meine Morgen Routine konnte ich niemandem ins Gesicht schauen. Es war wie eine Macke. Ich ekelte mich zwar nicht, aber es war mir einfach zu unangenehm.

Ich stand auf, ging in die Mädchen-Toilette, und wusch mein Gesicht.

Noch nie war ich si froh darüber gewesen, ungeschminkt zu sein.

Kurz danach kaute ein Minzkaugummi.

Nun fühlte ich mich schon um einiges besser. Als ich auf meine Kleidung schaute, fiel mir auf, dass ich meine Jacke nicht anhatte. Gut. Also hatte er endlich verstanden, dass ich es nicht wollte.

Das Pianostück ertönte noch aus seinen Kopfhörern. War er denn schon wach? Ich drehte meinen Kopf langsam zu ihm. Er schlief. Ich zog die Hörer aus seinem Ohr, und schaute ihn ungeduldig an. Er schaute wirr rein, aber würdigte mir keines Blickes. Er murmelte irgendwas mit "Bin ich eingeschlafen?" und stand sofort auf. Ich erinnerte ihn:"Die machen gleich die Bibliothek auf. Wie sollen wir raus?"

Er sah um sich um, und schien zu überlegen. In dem Moment hörte ich die Eingangstür. Ruck stand ich ebenfalls auf, und packte meine Sachen zusammen. Werden sie denken dass wir Einbrecher sind? Und die Polizei anrufen?

Jay schien zu merken, dass ich Panik schob, denn er sagte:"Warte. Wir gehen noch nicht."

"Was heißt, wir gehen noch nicht? Ich will keine Anzeige von denen. Los, beeil dich"

"Wenn wir jetzt gehen, erwischen sie uns, und werden es falsch verstehen. Warte bis andere Besucher kommen, dann schleichen wir uns einfach raus. Okay?"

Er schien es völlig locker zu sehen. Ich konnte nicht glauben, wie gechillt er in dieser Situation reagieren konnte. Und ich empfand einen gewissen Respekt dafür.

Also saß ich mich auf den Stuhl, und wartete auf das angekündigte Zeichen.

-

Langsam füllte sich die Bibliothek. An einigen Tischen saßen schon die Leute. Ungeduldig zappelte ich mit meinen Beinen. Jay, der nun gegenüber mir saß, sah mich einfach an. "Guck nicht so" fauchte ich flüsternd. "Du scheinst das alles echt ernst zu sehen, oder?" sagte er.

"Ich war noch nie in so einer Situation. Ich habe einfach ein bisschen Angst." gab ich daraufhin zurück. Er sagte:"Du brauchst keine Angst zu haben.", und schaute aus dem Fenster. Ich merkte, dass er wieder besorgt reinschaute. Wie gestern. Als er sich so ruhig verhalten hatte. War es wegen mir? War es ihm vielleicht unangenehm, mit mir hier zu stecken?

Unerwartet stand er auf. "Komm." sagte er nur, und ging vor. Ich ging ihm nach, bis ich merkte, dass er in eine verkehrte Richtung ging. "Dort ist nicht der Ausgang." versuchte ich ihm klarzumachen, aber er ging seinen Weg. "Sag mir wohin wir gehen. Der Ausgang ist in der anderen Richtung." sagte ich nun etwas lauter.

"Wir gehen durch den Hinterausgang." kam von ihm. Endlich äußerte er sich.

"Ich kenne aber keinen Hinterausgang."

"Dann lernst du ihn jetzt kennen."

Wir standen nun vor einem unbekannten Aufzug. Er drückte auf den Knopf, und ich hörte den Aufzug den Schacht hochkommen. "Woher kennst du diesen..Ort?" fragte ich, und schaute ihn erstaunt an."Ich bin schon oft von hier gegangen. Vertrau mir einfach." sagte er nun, und schaute wieder entspannt. Wieso war er schon oft durch den Hinterausgang gegangen? Was tat er hier? Fragen über Fragen. Aber zunächst wollte ich meinen Kopf nicht darüber zerbrechen.

Die Tür öffnete sich, und ich musste feststellen, wie eng der Fahrstuhl doch war. Passten wir beide überhaupt da rein?

Ich ging als erstes rein, und quetschte mich in eine Ecke. Er gleich nach mir. Der Platz war so gering, dass er sich genau vor mich stellen musste. Jetzt ernsthaft?

Vielleicht wurde ich rot. Ich wusste es nicht. Aber ich war ihm wirklich zu nah. Und es war mir tierisch unangenehm. Ich sah kurz hoch zu ihm, und musste feststellen, dass er ziemlich vergnügt darüber war, dass ich mich schämte. So einer..

"Hör auf so zu grinsen."

"Willst du es mir verbieten?" Er grinste mich provozierend an, und ich biss mir nervös auf die Lippe. Wann kamen wir denn endlich an?

Der Fahrstuhlton erklingte, und gleich darauf öffnete sich die Tür. Ich quetschte mich raus, und holte erst einmal tief Luft.

"Okay.Ich geh dann. Bye" sagte ich, und lief ungeduldig Richtung nach Hause.

-

Nach dem ich meiner Mutter erklärt hatte, dass ich mit Lindsey in der Bibliothek war,fühlte ich mich schlecht, weil es nicht die ganze Wahrheit war. Aber besser, als ein ganz anderes Alibi zu suchen, war es auf jeden Fall. Ich erzählte ihr nicht die ganze Wahrheit, weil sie es sonst falsch verstehen würde.

Ich musste außerdem feststellen, dass das Buch Ein ganzes halbes Jahr in meiner Tasche war. Und ich hatte es nicht ausgeliehen. Es war also ein Diebstall, aber unbeabsichtigt. Mist. Sollte ich es zurück bringen? Würden sie dann nicht denken, ich hätte es gestohlen oder so? Mir war ganz faul bei der Sache. Um mich abzulenken, schickte ich Lindsey eine Sms.

Kaylee: Hey Lindsey:)

Lindsey: Kaylee(eeeee) :) Was machst du?

Kaylee: Ich war gerade in der Bibliothek. Du?

Lindsey: Ich mach grade Mathe. Hate it!:|

Kaylee: Too:(

Lindsey: Ich muss jetzt raus, bis morgen:-)

Ungefähr so verlief unser unheimlich spannender Chatverlauf.

Ich hörte unsere Haustür zugehen. War das Julian? Im gleichen Moment wie Lindsey ging er raus? War das merkwürdig, oder machte ich mir dabei einen zu großen Kopf?

-

Mein Handy vibrierte. Eine ungespeicherte Nummer hatte mir geschrieben.

0176 *******

Schau in das Buch, wenn du zu Hause bist.

Okay, creepy creepy. Ich öffnete mein "geklautes" Buch. Auf der ersten Seite, wo alle Veröffentlichungsdaten und ISBN Nummern des Buches standen klebten Post-Its. Ernsthaft?

Die Post-Its klebten auf manchen Nummern. Was sollte das darstellen?

Sollte das irgendwas bedeuten? Die erste Nummer war 0. Die zweite 1. 76.. Und so weiter.

Ein Blick auf die SMS verriet mir, dass es in der Reihenfolge die Telefonnummer des Absenders war.

Gleich darauf fiel ein Kassenzettel aus dem Buch.

Das Buch war ausgeliehen. Komisch. Ich konnte mich nicht daran erinnern, es ausgeliehen zu haben.

Ist er etwa in der Nacht zu der Kasse gegangen..

Und hat es mit eigener Hand in das Bibliothekcomputer eingetragen?

Jay. Nicht zu fassen. Dieser Typ spinnte doch.

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