Kapitel 24

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"Na sieh mal einer an, wer uns da mit seiner Anwesenheit beehrt", begrüßte mich Maèlys, als ich wenig später in die Küche kam. "Wo warst du überhaupt?"

"Ich habe Richard nach Hause gebracht. Aber warum regst du dich eigentlich so auf, Maélys? Ich bin doch jetzt da", blaffte ich sie an, was mir im nächsten Moment richtig leid tat. Denn sie konnte überhaupt nichts für meine schlechte Laune. Dafür war einzig und alleine ein gewisser Dr. Brenner verantwortlich.

"Nim, alles okay mit dir?", fragte Maybell und kam mit besorgtem Blick zu mir. "Du siehst unglücklich aus."

"Ach was! Mir geht es super!", meinte ich mit einem breiten Lächeln und log dabei so gut, dass ich es mir sogar selbst abkaufte.

"Aber wenn ihr das nächste Mal wollt, dass ich zurück komme, müsst ihr nicht mein Tattoo verzaubern", doch die Beiden tauschten daraufhin einen Blick, der definitiv aussagte, dass sie keine Ahnung hatten wovon ich sprach. "Ihr wart das doch?... Bitte sagt mir, dass ihr mir ein Zeichen geben wolltet."

"Ich würde dir das wirklich gerne sagen. Aber weder Maélys noch ich haben das gemacht", meinte Maybell zu mir.

In meinem Kopf drehte sich plötzlich alles und ich musste mich setzen.

"Wenn ihr das nicht wart, wer war es dann?"

"Keine Ahnung. Aber wenn der Orden etwas damit zu tun hat, solltest du möglichst schnell lernen deine Magie zu kontrollieren", erwiderte Maybell mit ernstem Blick.

"Maélys und ich haben da folgende Idee... es kann allerdings sein, dass es dir nicht gefallen wird," meinte Maybell.

"Na sag es schon! So schlimm wird es schon nicht werden."

"Wir wollen dich für zwei Wochen in den Raum der Zeit schicken", warf Maélys kurz und knapp ein, was ihr einen bösen Blick von ihrer Großmutter einbrachte. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und betrachtete wieder ihre Fingernägel. "Für zwei Wochen in was für einen Raum?", wiederholte ich, denn ich verstand nur Bahnhof. "Meint ihr wirklich dass ich in zwei Wochen alles über das Hexendasein lerne?"

Maybell lächelte mich an, während ihre Enkelin nur die Augen verdrehte.

"Das ist unmöglich, Kleines."

"Aber warum schickt ihr mich dann nur zwei Wochen fort?"

"Es werden nicht zwei Wochen sein, sondern zwei Jahre", meinte Maélys. "Maélys jetzt ist aber gut!"

Mein Blick glitt zwischen den Beiden hin und her, bevor ich lautstark loslachte.

"Zwei Jahre? Wie stellt ihr euch das vor? Mein Studium beginnt in zwei Woche. Außerdem würde Yannick bestimmt die Kripo, das FBI und was es sonst noch so gibt einschalten, um...", "Silentium", brachte mich die junge Wallace Hexe zum Schweigen, bevor sie ihre Großmutter ansah.

"Redet sie eigentlich immer soviel?", fragte Maélys Maybell, bevor sie sich die Schläfen rieb.

"Leider ja... aber wenigstens hört sie uns jetzt zu!", warf Maybell ein und wandte sich wieder an mich.

"Nim, wir beide werden in den Raum der Zeit gehen. Denn nur dort schaffe ich es, dich schnellstmöglich zu unterrichten. Denn es ist so, vergehen in dieser Welt zwei Wochen, vergehen im Raum der Zeit zwei Jahre. So lange braucht eine Junghexe um ihre Magie zu kontrollieren. Solltest du sie früher beherrschen können, kommen wir natürlich früher zurück. Hast du soweit alles verstanden?"

Ich nickte Maybell zu, doch gleichzeitig überlegte ich wie Yannick das Ganze verkraften würde. Er war ja schon nach zwei Tagen ohne Lebenszeichen von mir kurz vorm Durchdrehen. Der Abstand zu Richards würde mir allerdings gut tun, daran gab es keinen Zweifel. "Sehr gut. Gibst du ihr dann bitte ihre Stimme zurück?", hörte ich Maybell sagen. "Muss ich wirklich? Sie kaut uns doch... Ach schon gut!", meinte Maélys und schließlich merkte ich, wie eine Schwere von meinen Stimmbänder genommen wurde.

"Sehr erwachsen, wirklich Maélys", ich rieb mir dabei meinen Hals und funkelte sie wütend an, denn das es eine Retourkutsche für vorhin war wusste ich.

"Ich weiß nicht, was du meinst", meinte sie mit einem Zwinkern in meine Richtung.

"Wie auch immer! Maybell, das klingt ja alles nach einem guten Plan. Allerdings sehe ich Yannick wirklich als das größte Problem. Er hat ja schon Panik bekommen, als ich mit zehn Jahren ins Skilager gefahren bin. Da wird er nicht begeistert sein, wenn ich für zwei Wochen weg bin um eine Hexe...", ich hielt kurz inne, wobei mir der Blick, die Beiden Wallace Hexen tauschten, nicht enging.

"Sagt mal, wenn ich eine Hexe bin und Papa ein Zauberer. Ist Yannick dann nicht auch ein Zauberer?"

Diese Frage hing für kurze Zeit in der Luft, bis Maélys schließlich die Arme in die Höhe warf.

"Halleluja! Du bist wirklich ein Mitarbeiter der Firma Langsam, Abteilung Schnecke, Nim!", "Ist das etwa ein Ja?", entsetzt sah ich zu Maybell, die mir mit einem nachdnelichen Blick zunickte. "Ja, auch durch Yannick fließt magisches Blut. Allerdings ist er kein Zauberer. Er hat sich vor acht Jahren gegen die Magie entschieden."

"Moment, du hast zu mir gesagt, dass man keine Wahl hat!", warf ich ein. "Das stimmt auch. Aber Yannick hat die Magie deinetwegen abgelehnt. Du warst elf Jahre alt und er hatte seit einem Jahr die Verantwortung für dich, nachdem er dich aus der Pflegefamilie geholt hatte. Da konnte er es nicht riskieren, dass dir etwas passiert und so ließ er seine Magie in einer Schneekugel versiegeln."

Meine Gedanken waren sofort bei der Schneekugel, die oben auf meinem Schreibtisch stand. Papa hatte sie mir an unserem letzten gemeinsamen Weihnachten geschenkt. Er hatte gesagt, dass sie etwas Besonderes war.

"Wie kann man seine Magie in einer Schneekugel versiegeln?", fragte ich wohl laut, denn neben mir schnaupte Maélys kurz auf. "Eigentlich geht das überhaupt nicht. Außer die Kugel wäre eine Art magisches Gefäß."

"Ein magisches Gefäß...", flüsterte ich, wurde jedoch von Maybell unterbochen. "Hör nicht auf meine immer wieder blöd reinredende Enkelin", dabei sah sie die damit angesprochene kurz an, bevor sie sich wieder mir zuwandte. "Nim, weißt du noch, als ich zu dir sagte, dass du in diesem Haus immer deinen Mittelpunkt finden würdest?"

Ich nickte stumm.

"Das ist so, weil hier sehr viel Magie herrscht. Mit einfachen Worten heißt das, solange du hier in diesem Haus bist kann dir nichts passieren!"

Sie tätschelte kurz meinen Arm, was ich ihr mit einem Lächeln dankte.

"Was passiert mit der Magie, wenn man sie versiegeln lässt?", wollte ich wissen und schluckte so die aufsteigenden Tränen hinunter.

"Sie bleibt so lange aktiv, bis ein neues Mitglied der Familie seine Magie entdeckt. Danach kann man nicht mehr auf sie zurückgreifen. Deshalb hattest du keine Wahl, denn du bist das letzte Mitglied der Bergstein - Familie. Durch dich stirbt das Geschlecht dieser mächtigen Hexenlinie nicht aus."

Maybell sah mich mit einem Blick an, der mir das Gefühl gab etwas Besonderes zu sein. Doch gleichzeitig spürte ich auch, dass eine Last auf meinen Rücken geladen wurde. Eine die sehr schwer wog.

"Nim, vergiss niemals das du etwas Besonderes bist. Eines Tages wirst du verstehen, was ich meine! Und jetzt Schlaf, mein Schatz!", das hatte mein Papa am Abend zu mir gesagt, bevor wir von dem Wolfsrudel angegriffen worden waren. Er hatte also damals schon gewusst, dass ich die letzte Hoffnung der Familie sein würde. Vielen Dank auch, Papa!

Nachtwandler I - HexentanzWhere stories live. Discover now