Kapitel 27

4.1K 399 7
                                    

Maélys Sicht
X

"Meine Güte, Mara! Das du immer noch Tränen produzieren kannst, ist echt ein Wunder. Allerdings nicht schön mit anzuschauen.", "Du musst ja nicht hinschauen, Hannah! Wenn dir das Ganze hier nichts ausmacht, ist das dein Ding. Ich trage meine Gefühle nun einmal nach außen.", "Wie auch immer! Aber du heulst hier vollkommen ohne Grund rum. Hätte Maélys das zeitliche gesegnet, wäre sie wohl kaum hier unten! Oder?"

Daraufhin verstummten die weiblichen Stimmen und hinterließen ein Rauschen in meinen Ohren. Allerdings drängten sich jetzt andere Geräusche in mein Bewusstsein. Eine Maus, die ganz in meiner Nähe durch eine Pfütze lief, Wasser das auf den Boden tropfte und ein knisterndes Feuer.

Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte gegen die stechende Helligkeit an. Als sie sich daran gewöhnt hatten, sah ich mich in dem Raum um. Anscheinend hatte mich Dimitri oder einer seiner Lakaien in ein Verließ gesperrt. Denn eiskalte Steinmauern und Kitterstäbe umringten mich. "Na super!", murmelte ich und wollte meine Arme bewegen. Doch eiserne Fesseln hinderten mich daran.

Dimitri hatte sich echt nicht lumpen lassen und mich mit den Armen nach oben an die Mauer gefesselt.

Ich versuchte mich von den Fesseln zu befreien. Doch das führte nur dazu, dass ein Schmerz durch meine Schulter fuhr. So würde es also nicht funktionieren, aber wofür war ich eine Hexe?

"Liberum!", "Dimissus!"

Doch kein Zauberspruch schien zu funktionieren. "Das wird dir nicht viel bringen", hörte ich eine der Beiden Stimmen von vorhin sagen.

Ich hob meinen Kopf und sah durch die Kitterstäbe in das Verließ gegenüber von mir. Dort lehnte ein junges Mädchen mit rotblonden Haaren gelassen an den Stäben. Ihre hellbraunen Augen sahen müde und erschöpft zu mir.

"Auf dem Verließ liegt ein Anti-Magie-Zauber." "Da scheint der Orden ja wirklich an alles gedacht zu haben", erwiderte ich.

"Jap. Du musst ja wirklich was schlimmes verbrochen haben, wenn sie dich anketten müssen", meinte sie mit einem kurzen Anflug eines Lächelns. "Nicht wirklich! Aber durch den Zauber wird es nicht einfach hier rauszukommen. Wie lange seit ihr schon hier?", wollte ich von ihr wissen und richtete mich etwas auf, um die Arme zu entlasten.

"Wir sind seit einer Woche hier!"

"Dann seit ihr die zwei Neuhexen, die das Aufnahmeritual noch nicht vollzogen haben. Hannah Beck und Mara Heus?"

"Ja das sind wir. Ich bin Hannah und das Häufchen Elend dort hinten ist Mara", stellte sie mir ein kleines Mädchen mit hellbraunen  Haaren und blauen Augen vor, die auf einer Pritsche saß und sich jetzt mit den Händen über die Augen wischte. "Freut mich. Ich bin...", "Maélys Wallace! Wissen wir. Ich meine, welche Hexe kennt nicht die berühmte Familie Wallace."

Ein Lächeln huschte über meine Lippen, denn der Sarkasmus in ihrer Stimme war mir nicht entgangen. "Wir haben unseren Ruf, das stimmt. Seit ihr die Einzigen, die sie hierher verschleppt haben?", wollte ich wissen, während ich versuchte das Kribbeln in meinen Armen zu ignorieren. Obwohl es mittlerweile schon fast in ein leichte Taubheit überging. Während ich versuchte eine Position zu finden, in der die Taubheit etwas leichter zu ertragen war,  fiel mir nicht auf, wie Hannah sich neben Mara gesetzt hatte.

"Was ist denn los?", Mara hatte wieder angefangen zu weinen. "Das kannst du nicht wissen. Aber bis vor drei Wochen waren hier anscheinend schon drei Mädchen eingesperrt. Der Orden hat sie eiskalt und ohne mit der Wimper zu zucken auf dem Scheiterhaufen verbrannt", als Hannah das gesagt hatte, schluchzte Mara kurz auf und lehnte sich an ihre Schulter. "Mara's Zwillingsschwester Cece war eine davon."

Mein Herz zog sich zusammen, wie ein Balon aus dem Luft entweicht und ich spürte sofort Mitgefühl für das kleine Mädchen, das nicht älter als 16 war.

"Das tut mir so leid, Mara."

"Dan... danke... sie hatte... sie hatte das Ritual gerade hinter sich gebracht, als sie kamen und Cece mit sich...", ihre Stimme brach ab und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. "Wir beide konnten fliehen, kamen allerdings nicht weit", meinte Hannah, wobei sie Mara liebevoll über den Rücken strich. "Dieser Dimitri StClair ist ein verflucht guter Jäger, sag ich dir. Aber auch ein riesiges... Na du weißt schon...", fluchte sie. "Ich würde ihm so gerne einfach mal in sein Gesicht schlagen."

"Darf ich dir dabei helfen?", "Klar!"

Wir lachten kurz auf, verstummten jedoch sofort, als wir das Klimpern eines Schlüsselbundes von oben hörten. Sofort machte sich Panik im Gesicht von Hannah breit und sie fing an, Mara beruhigende Worte ins Ohr zu flüstern. Leider verstand ich nicht was sie ihr sagte, aber es schien zu helfen, denn das kleine Mädchen nickte immer wieder mit dem Kopf.

Inzwischen waren schwere, schlurfende  Schritte auf den Steinstufen  zu hören. Instinktiv spannten sich meine Muskeln an, als ich den Schatten beobachtete, der immer kleiner wurde. Bis schließlich ein Mann zwischen den Verließen auftauchte, der ein Tablet  in den Händen hielt und uns abwechselnd breit anlächelte.

"Na sieh mal einer an wer da aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist", sagte Dimitri und grinste mich dabei breit an. "Allerdings dachte ich immer, es wäre so eine Art Schönheitsschlaf. Muss ich mich wohl getäuscht haben."

Schulterzuckend wandte er sich von mir ab und stellte das Tablet auf einen kleinen Tisch, an der Wand. Dabei schwappte etwas Wasser aus dem Krug und tropfte auf den Leib Brot.

"Sag mal, heulst du schon wieder rum, Mara? Meine Güte bist du eine Memme!"

"Halt deinen Mund, du Bastard!", hörte ich Hannah daraufhin sagen. Leider konnte ich sie nicht sehen, denn das breite Kreuz von Dimitri stand mir im Weg.

"Weißt du, das du verdammt hübsch aussiehst, wenn du wütend bist? Ich denke, ich werde mal fragen ob ich dich als Spielzeug verwenden darf, bevor du auf dem Scheiterhaufen verbrennst", meinte Dimitri und ich konnte mir dabei bildlich vorstellen, wie er sich über die Lippen leckte. Dieser Kerl war einfach nur widerlich. "Kannst du dich nicht an Mädchen vergreifen, die etwas mehr in deinem Alter sind? Oder willst du neben deinem Ruf als riesen Arschloch auch noch als Pervers gelten?", fragte ich ihn um von den Beiden Mädels abzulenken.

Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann drehte er sich zu mir um und grinste mich breit an. "Meinst du dich damit?"

Nachtwandler I - HexentanzWhere stories live. Discover now