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Oh Götter...!
Ehrfürchtig trat Tia durch den Bogen hindurch und ging wie verzaubert den mit leuchtend bunten Blumen gesäumten Weg entlang, unter einem Baldachin aus Rosenranken, durch den sich vereinzelte Lichtstrahlen bis in die Blumenbeete verirrten. Es war eine ganz eigene, wunderschön duftende Welt, die hier entstanden war und sie lief mit offenem Mund, staunend und immer wieder lächelnd auf einen mit glitzernden Steinen ausgelegten Garten zu, der mit großen weißen Statuen, von edlen Frauen in wehenden Gewändern und starken kriegerisch handelnden Männern mit Schwertern, wie auch drei gewaltigen lebensgroßen Drachen sowohl im Kampf, im Schlaf als auch im Flug geschmückt worden war. Schmetterlinge und Vögel schwirrten und tschilpten hier lustig herum, Hinter jeder Ecke und Statue gab es immer noch etwas neues oder noch schöneres zu entdecken, hier ein winziger Springbrunnen, dort eine gewaltige Trauerweide, mit einem verborgenen lebensgroßen Weißen Liebespaar unter den vergangenen Blättern und schließlich, an einem kleinen Teich, setzte sie sich geschafft auf eine steinerne Bank, um zu verschnaufen.
Sie wusste nicht wie viel Zeit inzwischen vergangen war, seit sie diesen geheimen Garten betreten hatte. Doch die Sonne stand schon sehr viel niedriger als vorhin.
Ein lauer Wind kam auf und wehte ihr das Haar ins Gesicht. Sie schloss ihre Augen und atmete gleich mehrmals tief durch.

Ja, dachte sie schließlich bei sich... Sie hätte es sicherlich sehr viel schlimmer treffen können als einen derart rücksichtsvollen Drachengemahl zu ehelichen und in einem schönen Schloß, mit herrlichem Garten zu leben und den ganzen Tag lang von der Dienerschaft umsorgt zu werden.
Hier war noch keiner je richtig böse oder mürrisch gewesen, oder gar Rücksichtslos.
Hier hatte noch niemand die Hand gegen sie erhoben oder sie beschimpft oder in ein Zimmer gesperrt, weil sie unerlaubt herum gestreift war.

Sie war nun die neue Herrin hier im Hause. Und nur der Drache Darkh sagte ihr noch was er von ihr wollte, was sie tun musste oder auch nicht.
Zur Zeit ja nur viel essen und herumsitzen.
Oh, ein wahrlich grausames Leben war das, dachte sie fast schon Lachend, auch wenn es doch recht traurig ward. Denn so viele geopferte Mädchen hatten sich lieber für den schmerzvollen Tod im Feuer entschieden, anstatt für dieses hier...
Was hatte man ihnen nicht alles schlimmes über die so scheußlichen Monster erzählt, wieder und wieder?!

„Was ist dir, Tia? Gerade hast du noch gelächelt, dich nun siehst du so ernsthaft aus.", sagte Drak auf einmal neben ihr stehend.
Tia blickte überrascht zu ihm auf und lächelte sofort wieder ein wenig.

„Seid gegrüßt, Darkh. Ist dies nicht ein herrlicher Tag an einem herrlichen Flecken Erde?", fragte sie ihn errötend, weil er sie beim spazieren erwischt hatte, obschon sie doch oben im Söller ausruhen sollte.
Aber der Drache ließ sich von ihren Worten nicht beirren und hob lediglich bezeichnend eine Braue.
Prompt musste Tia sich leise räuspern und seufzte dann leise auf. „Ich musste gerade daran denken, wie anderes hier alles ist, als dass es uns Mädchen daheim immer erzählt wird.  Von dunklen Höhlen in denen wir bis zu unserem grausigen Lebensende gefangen sitzen und gequält werden, von Brutalen und blutdurstigen Drachenmännern, welche uns hernehmen, bis wir verenden, denn ein Mädchenleben zählte hier angeblich nichts."
Seine Mine wurde prompt finster und Tia stand rasch auf, nun nervös die Hände ringend.
„ sei bitte nicht böse. So wird es uns nur daheim gesagt. Alle alten Legenden und Geschichten über euch Drachen sind voll davon aber nun... ja, sieh doch nur...!", wies sie um sich herum und lächelte ihn wieder zaghaft und scheu an.
„Es stimmt nicht alles meinst du? Die Höhle ist  nur der Anfang. Nun hast du ein kleines Haus aus Stein und du hast Bedienstete um dich, anstatt alleine zu liegen und zu leiden...", meinte er schulterzuckend.

Sie hob nun ebenfalls mal kurz die Brauen.
„Und ich habe einen Drachengemahl der Rücksichtsvoll und sanft zu mir ist, auch wenn er sicher noch anderes kann, wenn er zornig wird. Ich habe indessen kein Haus sondern ein großes Schloss und einen Garten der wunderschön ist. Hester und Trude sind nett zu mir und du tust mir doch auch gar nicht weh... zumindest... nicht mehr, als dass es üblich ist, zwischen Mann und Frau. Gretel hat immer gesagt dass es einige Weile dauert sich daran zu gewöhnen... Doch ich finde ich gewöhne mich bereits recht schnell daran. Also... könnte es mir doch gerade nicht besser ergehen... na ja bis auf die Langeweile, vor der ich gerade geflohen bin, verzeih bitte."

„Ich dachte du nähst an etwas für dein Gemach?", fragte er sie nach einem kurzen eindringlichen Blick leise.
Tier errötete prompt noch ein wenig mehr.
„Es... hm... ist schwierig für mich etwas den ganzen Tag zu machen. Deshalb bin ich ja heute auch ausgebüchst. Ich möchte gerne etwas Bewegung haben und nicht... immerzu stillsitzen. Das kann ich nur wenn ich wirklich sehr krank bin oder aber gerade Blute."

„Du blutest doch.", meinte er verwirrt.
Sie sah ihn verlegen an. „Ja... Aber nicht mehr so stark, dass es schmerzt... Indes... ihr seid hier der Herr. Wenn ihr es also so wünscht das ich zurückgehe, dann... tu ich es natürlich.", bot sie ihm nervös an.

Er runzelte kurz irritiert die Stirn.
„Wenn ich es wünsche?"
Sie nickte lediglich langsam.
„Eine gute Frau hört auf ihren Gemahl. Das ist wohl überall so... oder nicht?", fragte sie ihn  unsicher.
„Eine Frau... die meine Braut ist, tut nichts was ihre Gesundheit oder ihr Wohlsein gefährdet, Tia. Geht es dir also nicht gut, mit dem Ruhen, dann wirst du ausbüchsen und alles so tun, das es dir wieder gut ergeht und mir außerdem mitteilen, was ich noch dazu tun kann.
Wenn es demnach Weidenrinde ist die du brauchst gegen Schmerzen. Oder eine Sache ist die dir gefällt und du gerne hier hättest..."
„Ich vermisse Gretel. Aber sie aus ihrem Leben auf  Erringar rauszureißen wäre sicherlich nicht recht..."
„Es gibt kein Erringar mehr, Tia.", unterbrach er sie kühl.

Sie starrte ihn nur fassungslos an.
„Und ... was ist mit meinen... meinen Schwestern?", fragte sie ihn bestürzt.
„Sie und dein Vater leben ... nun aber in bitterer Armut und ich werde dafür sorgen, dass es auch so  bleibt... zumindest bei deinem Vater."
„Oh, er lebt noch? - Weshalb?"

„Weil er dich quälte und sich den Gesetzen verweigerte, nur um auf diese Weise zu sterben. Doch das erlaube ich nicht. Er wird noch lange leben und wohl bewacht und versorgt sein... mit dem allernötigsten.
Aber das nicht als angesehener Graf.  Wenn er sein Gut wieder aufbaut, fliege ich erneut aus und lege es wieder in Schutt und Asche."

„Wieso? Es ist doch die Mitgift meiner Schwestern. Sie müssen doch heiraten können und ich dachte doch... es gibt diesen Vertrag, dass ihr euch ein Opfer holt, also mich und dann das Königreich in Frieden lasst...", stand sie unversehens auf.
„Es gibt keinen Handel, wenn die Parteien sich nicht an die ausgemachten Regeln halten, Tia. Wir  haben die Runensteine mitgenommen und inzwischen gesichtet, die sie im Atrium der Kapelle aufbewahrt haben. Dein Name stand auf gut der Hälfte aller Steine. Dein Vater hat demnach deinen Namen auch noch an andere Edelleute verkauft, um ihn auf den Stein ihrer Töchter setzen zu dürfen. Dehalb ging es ihm in den letzten Jahren auch so wohl wie auch deinen  beiden Schwestern.", erklärte er ihr eindringlich und sie sah ihn nur Schneeweiß erbleichend und völlig sprachlos an.

DrachenmondWhere stories live. Discover now