3.

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Tia rieb sich erst mal ganz sachte ihre Handgelenke und den Bauch, bevor sie einmal mehr tief durchatmete und schließlich den Kopf hob. Natürlich standen die Wachen immer noch sehr achtsam um sie herum, dachten sicher an eine Finte von ihrer Seite aus.
Und natürlich blieben sie auch ganz dich an ihr dran, als sie nun alleine vom Wagen herabstieg und sich dann dem König und dem Hofstaat gegenübersah, die gerade alle in der Ehrenloge Platz genommen hatten, um einen guten Blick auf das Geschehen zu haben... so seltsam das auch war... Aber vor fünf Jahren hatte sie ja ebenfalls noch in dieser Loge neben ihren Schwestern gestanden und ängstlich zugesehen, was da einer anderen Erwählten geschah.
Nun aber tatsächlich auf dieser Seite zu stehen und sich all den Blicken der unzähligen Menschen bewusst zu sein, die ihrem Ableben nun beiwohnen würden war ... befremdlich.
Seltsam.
Ja, es kam ihr fast so vor, als sei sie eine niedere Verbrecherin, die gleich auf Befehl des Königs getötet würde. Auch diese wurden zu ihrem Richtplatz gezerrt. Auch diese schrien und weinten und bettelten um Gnade.
Das konnte und wollte sie so nicht geschehen lassen. Also nahm sie nun Haltung an und strich sich ihre Kleid sachte glatt.
Ihre erste und einzige Begegnung mit dem Königspaar und dem Hof der Edlen, dachte sie noch mit einem tiefempfundenen Sehnen im Herzen und schmerzender Kehle.
Sie tat nur dies eine Mal tunlichst ihre Pflicht und knickste artig vor dem Oberherrn des Landes, was erstauntes Raunen sowohl bei den Edlen, als auch bei der Bevölkerung auslöste, atmete dann nur wieder kurz zittrig durch und schlang ihre Finger wieder fest ineinander, sodass sie fast schon weiß wurden, derweil sie ihre Litanei laut vor sich her betend den kurzen Weg zu den Stufen auf den Weg die Klippe hinauf einschlug. Ihre Wächter blieben vor und hinter ihr. Einer der jungen, gut aussehenden Ritter reichte ihr bei den Stufen eine helfende Hand um sie zu stützen, doch sie schüttelte nur erzitternd und leicht atemlos weiter betend den Kopf und ging alleine hinauf.
Alleine... nicht gezogen... nicht gezerrt... Mutig und Gottgefällig, sagte sie sich dabei wieder und wieder und zwang sich nicht zurück zu schauen, sondern nur noch nach vorn.
Mach dir selbst und deiner Familie zumindest einmal im Leben Ehre, Tia!, sprach sie sich Mut zu.
So wie Freya es einst getan hatte, die Bauerntochter, die zuletzt von einem Drachen erwählt worden war und die darüber nur zornig statt ängstlich gewesen war, schritt sie nun ebenso wie sie den mit unzähligen Feuerschalen beschienenen Weg hinauf, auf den Opferfelsen zu.
So wie ein Engel Gottes vielleicht schreiten würde, sagte sie sich zittrig aber tapfer spielend, obschon ihr Innerstes brannte und bebte vor peinigender Todesangst.
Sie hielt sich mit dem Litaneigebet auf den Lippen Kerzengerade und trat schließlich auf dem oberen Absatz angekommen zu den alten Frauen in ihren schwarzen Tüchern mit den großen goldenen Runen-Symbolen, die für Weisheit, Ehre, Mut, Tapferkeit, Stolz und Ergebenheit standen, entgegen, die ebenfalls leise ihre Gebtete murmelten und dann als sie das ihre hörten aber sofort wechselten und überrascht, aber zustimmend darin einfielen, bevor sie auf sie zutraten, den goldenen und Reich verzierten Gnadenbecher in der Hand, der randvoll gefüllt war mit einem dunklen, schweren Wein.
Oh Gott was sollte sie nur tun? Trinken oder nicht?, dachte sie beinahe schon panisch fühlend, als die vorderste Alte, die sie noch nicht einmal ansah ihr den letzten Trunk entgegenhielt.
„Es wirkt sehr schnell, Kind. Du wirst gleich dannach kaum noch etwas von der Ankunft des Drachen mitbekommen", sagte sie noch krächzend zu ihr.
Aber Tias Finger wollten ihr einfach nicht gehorchen und sich einfach nicht vonaneinander lösen, um den Becher entgegen zu nehmen. Sie hatte gerade sogar richtig Mühe auch nur auf den Beinen stehen zu bleiben, weil ihre Knie so sehr zitterten. Ihr Magen wollte sich umdrehen, beim Anblick des vollen Bechers mit reinem Gift, das ihr Leben beenden sollte.
Nur wenige Sekunden vergingen in dieser Starre, aus der sie sich einfach nicht lösen konnte. Viel zu schnell nahmen die alte Frauen sie dann nun äußerst besorgt die Stirn runzelnd in ihre Mitte, während der Becher verschwand. Irgendwohin ...
Sie wandte noch erschrocken aufkeuchend den Kopf, um der alten Frau hinterher zu sehen, die ihn nun mit geneigtem Kopf und Rücken forttrug.

Oh Gott....
Oh lieber Gott, was hatte sie da nur getan?, dachte sie entsetzt über die vertane Chance auf einen friedlichen Tod und wollte schon rufen, nach der alten Frau und nach dem Becher...
Wollte doch wenigstens einen kleinen Schluck des Gebräus trinken, das sie betäuben und töten würde, noch bevor der Drache sie verbrannte. Doch noch bevor sie wusste wie ihr geschah, wurde sie auch schon von den alten Frauen die wenigen restlichen Schritte weiter auf die Felsenzunge hinauf geführt und dann gleich wieder losgelassen. Sie traten von ihr fort gingen eilig davon und sie stand nun auf einmal ganz alleine an vorderster Spitze des Opferfelsens, während ein lauter Gongschlag weithin erklang, zugleich die den Drachen rufenden Hornstöße mit einvielen und sie über deren Lautstärke und Endgültigkeit nun beinahe zu Boden ging, so sehr wackelten nun ihre Knie.
Und ja... sie erinnerte sich ... die meisten Opfer knieten ... hier auf dem glatten Stein, wenn der Drache kam, sie zu holen. Vielleicht war das so leichter für sie zu ertragen, vielleicht auch dem Gift geschuldet, weil sie dann ja kaum noch bei bewusstsein sein sollten, aber wieder wollten ihr die verdammten Beine nicht gehorchen und unter ihr folgsam einknicken, als sie es nun von sich aus versuchte. Denn dieser unsichere Stand in solch schwindelerregender Höhe machte ihr Angst.
Unter ihr lag das weite Meer, weiter rechts der Hafen mit den Handelsschiffen. Links nur raue Felsenklippen soweit das Auge im fast Dunkeln des roten Blutmondes blicken konnte.
Sie atmete nur immer wieder hastig aus und ein, als der zweite gewaltige Hornstoß erklang, dann der Dritte, dann der Vierte. Und Hinter ihr gingen nun die Wächter mit den großen schwarzen Brandschilden in Stellung.
Vor drei Jahren hatte ein Mädchen versucht wieder vom Felsen herunter zu rennen und durch die Schilde durch zu schlüpfen und war noch kreischend darauf einhämmernd vom Drachen verbrannt worden.
Sie schaute nun ebenfalls zu den Schilden zurück und versuchte das heftige Zittern ihres Leibes unter Kontrolle zu bekommen. Herrgott so klar bei Verstand hatte sie nun wirklich nicht sein wollen, wenn der Drache gleich kam.

Auf einmal wehte sie ein starker Luftzug beinahe von der Klippe herunter. Sie strauchelte und suchte einen Halt, bevor sie noch vom Felsen abstürzen und fallen musste, fand schließlich wieder Erwarten auch einen solchen. Doch als sie aufblickte und keuchend Luft holte, war es schon die gewaltige Klaue des Drachen, der gerade vor ihr auf dem Felsspitz gelandet war und der durch seine vorgestreckte Klaue ihren Sturz von der Klippe verhindert hatte.

Einen Augenblick lang meinte sie nun ihre Hände würden glühen und gleichsam eine seiner gewaltigen Krallen hell aufblitzen und so wie bei Kohlen im Feuer rötlich schimmern.
Hastig ließ sie ihn wieder los und stolperte einen Schritt von ihm zurück...  dann noch einen und noch einen. Sie keuchte nun unheimlich schnell aus und ein und legte aber doch den Kopf in den Nacken, als das Untier nun tief Atem schöpfte, um sie gleich zu befeuern. Sie sah seine gewaltige Brust sich bereits weiten, schaute noch höher hinauf und begegnete dort schließlich seinem glühenden Blick... aus hell blitzenden Drachenaugen, Dämonenaugen.
Und in der Sekunde, in der sie mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen zu ihm aufblickte, atmete er einfach nur wieder mit einem lang anhaltendem Grollen aus, statt sein tödliches Feuer auf sie zu speihen, wie das eine Mal, als sie es bei einer Opferung mit angesehen hatte... aus sicherer Entfernung damals.

Oh grundgütiger Herrgott!

Aber...
Was bedeutete das nun, dass er sie gerade noch schonte?
Warum tat er das?

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Ich hoffe es gefällt euch.

LG
Bea

DrachenmondWhere stories live. Discover now