22.

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Tia erreichte die Baumgrenze gerade, als das erste harrsche Fauchen vom Versammlungsplatz der Drachen erklang und blieb atemlos stehen. Sie war so schnell gerannt wie sie nur konnte.
Hester rief irgendwo weiter hinten im Wald ihren Namen, warnte sie vor dem Betreten des Platzes.
Dort waren schließlich nur Drachen zur Versammlung eingerufen. Menschen, die dorthin gingen, starben zumeist auf grauenvolle Weise, doch Tia kümmerte das nicht besonders, nachdem Hester ihr gleich nach dem Erwachen berichtet hatte das Darkh nun wohl das Recht an ihr als seiner Braut verlieren würde oder auf Leben und Tod darum kämpfen musste, wollte er sie nun noch weiter behalten, weil er ihr angeblich sehr geschadet hatte.

Als Beweis dafür hatten die Drachen das Blut auf den Laken genommen. Welch ein Unfug, dachte sie nur wieder aufgebracht und sehr verängstigt.
Gut, es mochte auch ihre eigene Schuld sein, dass sie es nicht sogleich erkannt hatte, was diese heftigen Blutungen bedeuten mochten. Doch auch nur deshalb weil sie ihre Mondzeit gerade nur unregelmäßig aber dafür um so heftiger bekam, wenn sie nach zwei oder drei Monaten ihrer Abwesenheit doch wieder zu Bluten begann.

Die Schmerzen im Leib hatte sie indes nicht als diese indentifizieren können, weil Darkh sie ihr doch durch seine Handlungen an ihr genommen hatte. Sie war noch so verwirrt von allem gewesen ... und nun kämpfte ihr Drachengemahl um seine Ehre, weil alle dachten er hätte sie schwer verletzt.
Welch ein Unglück!

Und so hatte sie sich nur hastig angezogen das Laken geschnappt welches Hester ihr zum Beweis gezeigt hatte und rannte an den Rand des Waldes, wo sie dann nun schwer atmend und sehr erschüttert stehen blieb.
Denn was sie in dem Steinring dort unten im weit entfernten Tal sah war unglaublich angsteinflößend. So viele Drachen besetzten das Tal... Hunderte gar und zwei davon schlugen fauchend und Fleisch und Drachenhorn zerfetztend aufeinander ein. Schwanzschwerter aus Horn, die voll ausgefahren und aufgeklappt waren zu dreizackigen Mordwaffen, stachen auf den anderen ein. Doch sogar von hier aus konnte sie erkennen das der schwarze Drache Darkh, leichtes Spiel mit dem rot-grauen Monster hatte das doppelt so dick schien wie er es war.
Bestien, Ungeheuer. Gott, was hatte sie sich nur dabei gedacht in diese Drachenversammlung herein stürmen zu wollen?
Wozu denn bitte?

Darkh kämpfte wie ein Berserker und war ein mächtiger Drache. Kurz hatte sie es fast schon vergessen gehabt, dass er es auch so zu ihr sagte, weil er in ihrer Nähe meinstens in Menschengestalt blieb. Jedoch sich hier rein einzumischen hätte wohl weitreichendere Folgen, als nur ein paar Hiebe auf den bloßen Po mit einem Lederriemen.
Es entsetzte sie die gezeigte und gelebte
Gnadenlosigkeit und tatsächliche Brutalität ihres Herrn und Gemahls zu erleben. Also ging sie nun Schritt für Schritt zurück zwischen die dicht stehenden Bäume, während dort unten im Steinkreis der Kontrahent des Darkh fauchend und grollend auffiepend sein Leben verlor, als ihr Drachenherr ihm mit dem Schwertschwanz ganz einfach die Kehle durchbohrte.
Sein Blut spritzte in alle Richtungen, doch die anderen Ungeheuer standen unberührt und nur wenig beeindruckt da und sahen dem grausigen Handeln der Kämpfer gelassen zu.

Tia würgte es beinahe sofort und sie drehte sich um, rannte den Weg zurück und begegnete Hester unterwegs im Wald, die nach ihr suchte und rief.
„Still!", rannte sie zu ihr hin griff sie am Arm und zerrte sie mit sich durch den Wald zurück und wieder auf den Weg zum Schloss, dass nicht weit entfernt aufragte.

„Mylady Tia... Ihr seid so bleich, als hättet ihr ein Gespenst gesehen. Seid ihr gar in den Lakhall-Kreis der Drachen gerannt?", fragte die Magd sie unsicher, als sie das Schloss schließlich erreichten.
„Nein... so ungescheit bin ich denn doch nicht, hoffe ich. Nein, Hester aber zwei der Drachen kämpften dort und mir viel ein... das es wahrlich niemals ratsam ist seinen Ehemann in wichtigen Geschäften zu unterbrechen, wenn man seinen Zorn nicht spüren will."
„Das hatte ich euch doch bereits gesagt, Mylady.", rang die Magd ängstlich die Hände.
„Ja, aber ich bin manchmal doch etwas borniert, dumm und einfältig, nicht auf die, die es besser wissen zu hören. Ich entschuldige mich bei dir. Und nun... bring mir bitte viel frisches Leinen für meine Mondzeit, Hester. Denn nichts anderes ist dieses Bluten, das ich gerade über mich ergehen lassen muss.
Euer Herr wird seinen Fehler erkennen, wenn er mich später aufsucht und diese leidigen Gespräche über seine scheinbare Grausamkeit werden hoffentlich enden, wenn er dann sicher weiß dass er mich nicht verletzt hat.", sagte sie noch eilig und eilte dann in die große, rußgeschwärzte Halle hinein, von dort aus weiter hinauf in den Söller in ihr Turmgemach.
Oh... Wenn sie nur die grausigen Bilder der mordenden Bestie wieder aus ihrem Geist hätte vertreiben können. Wenn sie doch nur auf Hester gehört hätte. Nun aber Schlotterten ihre Glieder wieder vor Angst und es schnürte ihr die Kehle zu.
Sie hatte einen großen Fehler begangen, und sich versucht in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen.
Wenn der Drachen-Herr davon erfuhr, würde er wohl diesmal doch sehr sehr ärgerlich auf sie sein. Also besser sich darauf vorzubereiten. Oh ja... Diesmal würde sie wohl um eine Strafe nicht mehr herumkommen.

Als erstes entledigte sie sich ihrer blutigen Kleider und wartete auf Hester, die ihr nur wenig später das Leinen brachte, dass ihren Mondfluss etwas bezähmen sollte.
Tia nickte ihr nur dankbar zu und wusch sich erneut mit kaltem Wasser rein, nicht dass der Drache den Geruch des Blutes später anstößig finde würde.

Immer wieder viel ihr Blick nach draußen, wo es nun stockduster und still war. Der Drachenkampf hatte wohl mit dem Tod des anderen Drachen geendet, dachte sie hart schluckend und kämpfte innerlich noch immer bebend mit den Tränen. Sowieso war ihr nun auch ganz elend und unwohl zumute, so wie immer wenn sie so stark blutete, wie eben jetzt gerade. Ihr Leib krampfte sich qualvoll zusammen und so zog sie sich lediglich noch leise aufschluchzend ein frisches Hemd an und wickelte das grüne Kleid wie auch ihr verschmutztes Unterzeug zu einem dicken Pack zusammen und hoffte das es Hester noch baldigst zu den Wäschern hohlen kommen würde, bevor sie rasch unter die Decken des gewaltig großen Bettes schlüpfte und sich da möglichst klein zusammenrollte, die Knie bis hinauf an ihr Kinn gezogen, sich schüttelnd und bebend vor Krämpfen, die nun langsam immer stärker wurden.

Leise schluchzte sie wieder auf und wünschte sich Gretel herbei, die ihr immer einen besonderen Sud gebraut hatte, um ihr die schlimmste Pein zu lindern. Doch hier gab es die treue und fürsorgliche Magd ja nicht. Hier gab es nur Hester und andere, ihr unbekannte Gesichter die bei jeder Träne dachten, sie weinte nur deshalb, weil Darkh sie schlimm verletzt haben könnte.

Darkh...

Sie schloss die Augen und sah wieder den riesenhaften, beängstigend aussehenden Drachenmann der am Felsrand stehend, außerhalb der gigantischen Kupfertore um sie herumgegangen war.
Mit der Farbe im Gesicht, auf den Schultern und dem Hals, wie auch im Haar, sodass er kahlköpfig ausgesehen hatte. Doch seine Stimme war so angenehm gewesen. So sanft und freundlich.

Sie sah ihn wieder vor sich, nachdem er sich gewaschen hatte und ihre Wunden versorgt. Das tiefschwarze Haar das in wirren Locken in sein Gesicht viel und die Jade-grünen, wunderschönen Augen. Er war ein Riese, das ja, aber er war ein schöner Riese und so behutsam zu ihr.
So vorsichtig...

Kein Mann ihres Vater war mit seiner Frau, seiner Geliebten oder einer Magd je so behutsam gewesen, wie Darkh es mit ihr war, dachte sie nur wieder und seufzte leise auf, während ihr Bauch sich wieder zusammen krampfte und der Schmerz sich aber noch immer erträglich in ihr ausbreitete. Das Heilbad hatte ihr gut getan. Es linderte so manche Pein. Hester hatte behauptet je kürzer man darinnen lag desto weniger war man verwundet.
Nun, sie richtete sich abrupt auf.

Das war aber doch dann der Beweis. Sie war nicht lange im Wasser getrieben. Sie hatte nicht lange so geschlafen. Weil es nicht nötig gewesen war sie zu heilen... bis auf den Krampf im Bauch.

Wenn er sie nun also dort suchte, aber hier finden würde, würde er selbst sehen dass es ihr gut ging, dachte sie nur wieder zufrieden und kuschelte sich zurück in die weichen Felle, seufzte leise und schlief ein, mit dem Gedanken an ihren gutaussehenden Drachengemahl, der sie sanft hielt, anblickte und sie freundlich anlächelte... weil er sie vielleich ein ganz klein wenig leiden mochte.

DrachenmondOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz