Wie Alles Anfing

25.5K 931 283
                                    

Mein Leben verlief bis zu dem heutigen Tag ziemlich langweilig und eintönig. Mein Name ist Tony und ich bin total verrückt nach Games aller Art. Darum ist es für mich sehr erfreulich, dass ich im Zeitalter des DX geboren wurde, eine Spielkonsole, die es erlaubt in eine virtuelle Welt einzutauchen und zwar wortwörtlich. Zumindest kommt es einem so vor, da der Körper beim Spielen mit dem Gerät verbunden wird und somit auch die Sinnesorgane. Das heißt, dass die virtuelle Welt einem wie die Realität vorkommt. Man kann sogar riechen und hören. Das Einzige was allerdings nicht möglich ist, ist das Fühlen, da die Entwickler nicht wollen, dass man sich innerhalb des Spieles verletzt, wobei ich mich widerrum frage, ob meinem echten Körper auch etwas zustoßen würde, wenn ich mich in der virtuellen Welt verletze. Ich würde am liebsten wirklich jede Sekunde meines echten Lebens in meiner 'Traumwelt' verbringen. Doch leider kann ich das nicht. Auch dafür sind die Entwickler verantwortlich. Sie wussten wenn es kein Limit gibt, dann würde keiner mehr sein real life leben. Wozu denn auch? In der echten Welt ist alles so langweilig, man ist an dumme Gesetze gebunden, egal ob physikalische oder vom Staat aus. Zwei Stunden am Stück sind aber schließlich besser als nichts und nach einer Pause von einer Stunde kann man auch wieder weiter spielen, außer von 0 bis 6 Uhr.

Heute ist ein wunderbarer Tag in meinem Leben, als auch in der Geschichte, denn heute kommt ein neues Spiel heraus. Ja, genau ein neues Spiel! Fünf ganze Jahre, seit der Bekanntgabe, habe ich auf diesen Moment gewartet. Und nun ist es endlich so weit! Ich war schon früh morgends einer der ersten in der Schlange um mir das Spiel zu holen. Ich mag vielleicht wie ein Freak klingen, aber das ist mir herzlich egal.

Ich lege das Spiel in die Konsole ein und verbinde mich. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung wie diese ganze Technik funktioniert, aber solange sie nicht schädlich ist und ich spielen kann, ist ja alles gut.

> Etir <

"Willkommen in der Welt von Etir.", verkündet eine helle digitale Frauenstimme, doch weit und breit ist keiner zu sehen. Vor mir steht ein großer Spiegel und daneben sind ein paar Auswahlen. Ich klicke auf einen der Zeichen, wodurch eine weibliche Figur auf dem Spiegel erscheint. Weiblich.. wieso eigentlich nicht? Bisher war ich in jedem Spiel männlich, da ist es doch echt spannend, wie es wäre, wenn alle mich für ein Mädchen halten. Ich wähle mein Aussehen weiter aus: lange blonde gewellte Haare, eine rote Augenfarbe, ein schmales Gesicht und ein relativ großer dünner Körper. Weiter geht es mit meiner Kleidung. Wieso muss man hier so viel einstellen?! Ich will endlich anfangen. Kurzerhand suche ich mir ein schwarzes T-Shirt und schwarze Shorts aus, dazu schwarze flache Stiefel, schwarze Lederhandschuhe und die Kirsche auf dem Sahnehäufchen, einen roten Umhang mit Kapuze, der über meine Hose geht und zu meinen Augen passt. Ich betrachte mein vollendetes Werk, geht doch. Ich muss schon sagen, ich habe mich selbst übertroffen. Als nächstes kommt mein Name. Das schwierigste, wie ich finde. Aber ich will mich nicht lange aufhalten, also tippe ich auf irgendwelche Buchstaben auf der Tastatur: "Zui".

Nach meiner Eingabe löst sich der Spiegel langsam vor mir auf und plötzlich stehe ich auf einem kleinen Marktplatz vor einem Brunnen. Außer mir stehen sehr viele andere 'Menschen' hier. Menschen, kann man sie überhaupt so nennen? Jedenfalls sehen sie so aus. Jeder sieht noch ungewöhnlicher aus als ich, bisauf ein kleiner Junge, der noch dazu sogar ziemlich rund ist. Würde man seinen Avatar normal nicht schöner gestalten? Wenn man schon die Möglichkeiten dazu hat, oder ist das etwa sein Schönheitsideal? Klein und pummelig? Ich muss ihn wohl ziemlich anstarren, denn plötzlich treffen sich unsere Blicke. Auch er mustert mich von oben bis unten, so wie eigentlich jeder andere hier auch. Alle schauen mich an und tuscheln mit einander. Aufeinmal rührt sich der Kleine von der Stelle und bahnt sich einen Weg zu mir durch, bis er endlich vor mir zum Stehen kommt.

"Hey! Nett dich kennen zu lernen, Zui.", begrüßt er mich mit einem freundlichen Lächeln. Ich blicke auf die kleine weiße Schrift über seinem Kopf, die mir seinen Namen verrät. Sein Name ist ebenfalls relativ kurz gehalten. Ist das neuerdings in Mode, oder was? "Hey, Inu.", erwidere ich schroff. Zumindest versuche ich so zu klingen, doch durch meine virtuell-weibliche Stimme hören sich meine Worte fast schon liebenswert an. "Kennst du dich schon mit Etir aus?", versucht er mit mir ins Gespräch zu kommen. Natürlich nicht, was denkst du denn? "Ne, ich bin eben erst angekommen. Leider wurde ja auch nicht wirklich viel von dem Spiel im Voraus bekannt gegeben." Er nickt eifrig, woraufhin ich schnell hinzufüge, bevor er noch irgendwas sagen kann: "Naja, ich schau mich jetzt mal um. Also dann, man sieht sich." Ich will mich vom Acker machen, doch der Typ folgt mir auf Schritt und Tritt, bis ich mich endlich genervt zu ihm umdrehe: "Ist was?" Er sieht höchst verwundert aus, als er sagt: "Nein, wieso denn? Ich begleite dich nur." Ich bin kurz davor laut aufzustöhnen, halte mich jedoch zurück. Wer weiß, ob der Noob mir nicht doch noch behilflich sein wird.

Kurz darauf scheint er sich doch als nützlich zu erweisen. Als wir einen Wald durchqueren wollen, taucht vor uns plötzlich ein gigantischer Kobold auf. "Oh mein Gott, hast du zufällig 'ne Ahnung was man in solch einer Situation tuen sollte?", fragt mein Gefährte mich panisch. Naja, da wir eh keine Schmerzen empfinden können, sollte das ja eigentlich egal sein. Aber was passiert eigentlich, wenn man stirbt? Und genau diese Frage stelle ich auch. "Ich hab irgendwo aufgeschnappt, dass man für eine halbe Stunde nicht mehr ins Spiel kann, damit sich dein Avatar regenerieren kann. Ob das wahr ist, ist 'ne andere Sache. Allerdings habe ich echt keine Lust drauf, das ausgerechnet jetzt herauszufinden!" Mit diesen Worten packt er mich am Arm und zieht mich hektisch mit. Flink wie ein Wiesel springt er über Wurzeln und duckt sich unter Zweigen und Ästen weg, während ich ungeschickt hinter ihm herstolper und jeden Ast ins Gesicht bekomme. Das ist also der Vorteil davon klein zu sein. Ich reiße mein Handgelenk aus seinem Griff, in der Hoffnung alleine besser rennen zu können, leider ohne großen Erfolg. Ich merke wie ich immer langsamer werde und laut nach Luft ringe. In der Zwischenzeit wird der Abstand zwischen mir und dem Jungen immer größer. Er scheint auch keine Probleme zu haben, ganz im Gegensatz zu mir. Wieso musste ich auch ausgrechnet einen weiblichen Körper wählen? Voll unfair und sexistisch, dass Mädchen bzw. Frauen einfach mal schwächer sind. Jetzt weiß ich auch, wieso es kaum weibliche Avatare in den ganzen Spielen gibt. "Zui! Wo bleibst du?", der Typ dreht sich besorgt zu mir um. In dem Moment werden meine Füße plötzlich vom Boden gefegt. Alles dreht sich vor meinen Augen, bis ich endlich gegen einen Baumstamm krache.

Virtuelle Liebe = Echte Liebe? (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt