Virtuelle Liebe = Echte Liebe? (BoyxBoy)

Tiefpunkt - Höhepunkt

Die dumpfen Töne von, gegen meine Fensterscheibe tropfende, Regentopfen wecken mich heute am frühen Morgen. Für gewöhnlich muss ich mich aus dem Bett quälen, doch heute ist das nicht der Fall. Mit geöffneten Augen liege ich im Bett und rege mich nicht. Das Wetter passt perfekt zu meiner Laune. Ich merke gar nicht wie schnell die Zeit vergeht, bis meine Mutter in mein Zimmer kommt. "Du bist ja immer noch hier! Bist du etwa krank?", fragt sie mich besorgt. Da ich wirklich nicht in der Stimmung bin, mir langweilige Vorlesungen reinzuziehen, nicke ich einfach kurz und ziehe mir dann wieder die Decke über den Kopf.

> Etir <

Aus Langeweile begebe ich mich irgendwann nach Etir und lege mich auf eine Wiese. Meine Brust fühlt sich komisch bedrückt an, doch woran das liegt weiß ich nicht.

"Endlich, da bist du ja!", höre ich plötzlich Daikis Stimme. Verwundert setze ich mich auf. "Nanu, was machst du denn hier?" Er lässt sich neben mir nieder. "Das gleiche wollte ich dich fragen! Ich liege leider mit einer Erkältung im Bett und du?" Ich zucke mit den Schultern. "Hatte kein Bock auf Uni." "Machst du einen auf bad girl?", er stößt mich belustigt mit seiner Schulter an. Ich schenke ihm ein schiefes Grinsen und mustere ihn von oben bis unten. Sein Erscheinungsbild unterscheidet sich ebenfalls deutlich von seinem realen Aussehen. Ich erinnere mich an die Tage zurück, an denen ich ihn zusammen mit Inu beobachtet habe. Statt dem violetten Haar, sind seine Haare dunkel rot gefärbt. Seine Augen sind natürlich auch nicht violett, sondern grün. In Wirklichkeit ist sein Style auch nicht so auffällig, zumindest habe ich ihn noch nie in einem schwarzen Ledermantel gesehen. Meistens trägt er einen Kapuzenpulli unter einer normalen Jacke.

"Wie geht es dir so? Gibt es einen bestimmten Grund weshalb du nicht in die Schule willst?", fragt er mich plötzlich aus dem Nichts. "Naja, ich weiß nicht.", gebe ich zurück, was auch der Wahrheit entspricht. Er bohrt weiter: "Ist etwas mit Inu vorgefallen?" Ist er etwa wirklich besorgt um mich? Nach dem Vorfall in der Schule bin ich etwas auf der Hut und will nicht komisch rüber kommen. Nur weil er Inus Freund ist.. Ich schüttel nur meinen Kopf. Um das Thema zu wechseln, stelle ich ihm stattdessen eine Frage: "Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?" Daiki setzt ein Lächeln auf, als er daran denkt. "Durch die Schule, wir sind schon seit der 5. Klasse zusammen." Wie beneidenswert...

Nach einer Weile, in der wir vor allem über Inu reden, überwinde ich mich endlich dazu, die Frage auszusprechen, die mir schon lange auf der Zunge liegt: "Wie steht Inu eigentlich zu Homosexuellen?" Ich versuche es so beiläufig wirken zu lassen, wie nur irgendwie möglich. Daiki reagiert mehr als nur überrascht darauf und erstarrt für eine Sekunde: "Was?", lacht er dann, "Wie kommst du plötzlich drauf? Zwischen mir und Inu läuft absolut gar nichts." Er fuchtelt aufgeregt mit seinen Armen herum. Obwohl mir das Thema sehr ernst ist, werde ich von seinem Lachen angesteckt. "Daran habe ich noch nie gedacht. Ich frage einfach nur so aus Interesse." Schlagartig wird Daiki wieder ernst. "Wirklich? Hat Inu etwa etwas erwähnt?", seine Stimme hat einen leicht fremden Klang, als er das sagt. "Nein, wirklich nicht.", versichere ich ihm. Daraufhin atmet Daiki laut auf. "Um ehrlich zu sein, würde mich das auch interessieren. Leider haben wie bisher noch nie wirklich über das Thema geredet." Das ist wirklich schade.

Nach einer einstündigen Mittagspause, treffe ich mich wieder mit Daiki in Etir. Es ist überraschenderweise ziemlich leicht sich mit ihm zu unterhalten, da er eine ähnliche Aura hat wie Inu. Auch wenn er manchmal ziemlich hyperaktiv ist und sich wie ein kleines Kind benimmt.

Am Abend gesellt sich Inu zu uns. "Seit wann versteht ihr beide euch so gut?", fragt er erstaunt, als er uns zusammen sieht. "Tja, deine Freunde sind eben auch meine Freunde.", verkündet Daiki stolz, wobei er seine Hände in die Hüften stemmt. Inu sieht ihn warnend an: "Freunde?" Dann lässt er das Thema aber doch bei Seite. "Ich hoffe du hast ihr keinen Unsinn erzählt." Daiki wirkt sichtlich beleidigt: "Was soll das denn bitte heißen? So etwas würde ich doch nie tun."
"Naja, wie auch immer. Lenart wollte noch bei dir vorbeischauen, um zu sehen wie es dir geht.", berichtet Inu ihm. "Was wirklich?", Daiki ist deshalb total aus dem Häuschen, "Dann gehe ich jetzt besser. Bis dann, Leute!" Und damit verschwindet er wie ein Wirbelwind und löst sich in Luft aus.

Wer ist Lenart?! Langsam komme ich mir echt ausgeschlossen vor. Was weiß ich eigentlich über Inu? Nicht gerade viel. Daran bin ich vermutlich selber schuld und dennoch macht es mich traurig und wütend zugleich.

"Sag mal, liebst du mich wirklich?", rutscht mir mein Gedanke heraus. Inu sieht mich besorgt an und packt mich an meinen Armen. "Natürlich liebe ich dich, Zui!" Statt mich wie immer glücklich zu machen, lösen diese Worte dieses mal ein stechendes Gefühl an der Stelle meines Herzens aus. "Wie kannst du das so leichtfertig sagen, obwohl du nichts von mir weißt?!", fahre ich ihn an. Wieso schreie ich ihn an, obwohl er nichts getan hat? Inu lässt mich los und geht einen Schritt zurück. Sein übliches Lächeln verschwindet und er sieht mich ernst an. "Was meinst du damit? Dir geht es doch genauso,oder nicht?" Ich schüttel verzweifelt den Kopf: "Nein, das ist was anderes." Schließlich weiß ich mehr über dich, als du über mich, denke ich bitter. Man, ich halte das nicht mehr aus. "Wir müssen uns treffen. Und zwar im real life, Heute noch!", rufe ich entschlossen aus. Inu sieht mich an, als hätte ich eine Schraube locker. "Bitte was? Wie soll das denn möglich sein. Es ist schon 22 Uhr! Wieso überhaupt so plötzlich? Zui, was ist los mit dir?" Er ist völlig durch den Wind.  "Es ist möglich. Sei um halb 12 vor dem Brunnen an deiner Uni. Ich werde solange auf dich warten, bis du auftauchst!"
"Warte, MEINE Uni? Woher willst du wissen - ", bevor Inu ausreden kann, öffne ich meine Augen in der Realität. Ich schaue auf die Uhr: 2 Stunden noch.