Virtuelle Liebe = Echte Liebe? (BoyxBoy)

Virtuelle Liebe

> Etir <

Als ich mich wieder nach Etir begebe, ist es bereits ziemlich spät. Meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich noch Nahrung zu mir nehme, bevor ich wieder meiner Sucht verfalle.
Um diese Zeit ist immer noch weit und breit keine Spur von Inu zu sehen. Was treibt der Kerl nur die ganze Zeit? Er wollte schon heute Abend on sein, oder nicht? Ungeduldig starre ich auf meine Freundesliste und warte darauf, dass der grüne Punkt neben seinem Namen erscheint. Moment mal. Inu? Rückwärts gelesen heißt das doch Uni. Ich halte für einen Augenblick inne. Sag mir nicht, dass er daher den Namen hat! Mein Herz bleibt mir fast in der Brust stehen als plötzlich das grüne Licht aufleuchtet. Inu!

"Hey, Zui, da bist du ja endlich.", kommt er mir unhöflich entgegen. "Bitte? Das sollte ich ja wohl eher dir sagen.", werfe ich ihm gereizt an den Kopf. Daraufhin seuftzt er kurz: "Ich war doch schon vorhin kurz hier, aber da du es nicht warst, wollte ich meine Zeit nicht verschwenden und habe sozusagen im real life auf dich gewartet." Bei diesen Worten legt sich mein Herzschlag wieder etwas und ich beruhige mich.

"Ich hab vorhin einen tollen Ort entdeckt. Den musst du dir unbedingt ansehen!", ruft Inu aufeinmal aufgeregt, nimmt mich an der Hand und zieht mich Richtung Westen. Völlig überrumpelt stolper ich ihm hinterher: "Hey, jetzt warte mal! Wieso nehmen wir nicht einfach den Teppich?" Er sieht mich empört an: "Na hör mal, wäre doch langweilig." Wofür haben wir ihn denn bitte gekauft? Aber gut, wenn er Zeit vergeuden will. "Könntest du wenigstens meine Hand loslasen?", frage ich ihn und starre seine Hand an, die meine fest im Griff hält. "Nein, könnte ich nicht. Wieso aufeinmal so förmlich? Außerdem was spricht denn dagegen? Wir sind schließlich ein Paar." Auf diese Worte gehe ich nicht näher ein. Ich frage mich, ob er das auch zu einem Jungen sagen würde. Selbstverständlich nicht. Woher nimmt er nur dieses Selbstbewusstsein? Was er in Echt wohl für ein Mensch ist? In Etir kann man ja sein was man will.

Nach einer Weile macht sich meine schlechte Ausdauer bemerkbar. "Wann sind wir endlich da? Ich kann nicht mehr!", keuche ich erschöpft. "Sind fast da, keine Sorge. Wir müssen nur noch da hoch.", er grinst mich an und zeigt auf die Spitze eines Hügels, der mir allerdings wie ein gigantischer Berg vorkommt. "Nicht dein ernst!", stöhne ich, "Keine zehn Pferde bringen mich da hoch! Höchstens ein Teppich!" -
"Oder ein Inu." Mit diesen Worten kniet er sich vor mich und hebt mich auf seinen breiten Rücken. "Ich trag dich Huckepack." Als ich das höre, muss ich fast schon lachen: "Spinnst du? Das schaffst du nie im Leben! Wir werden nur beide draufgehen." Wie um mir das Gegenteil zu beweisen, rennt er auch schon wie ein Verrückter den Berg hoch. "Sag niemals nie."

Auf dem Weg nach oben, wird der Himmel über uns immer rötlicher. Geht diese Steigerung von 'rot' überhaupt? Naja, jedenfalls ist der Himmel nicht mehr blau sondern rot, orange. Inus Tempo sinkt fast mit jedem Schritt. Kein Wunder, es wird ja auch immer steiler. "Wir sind fast da, sind fast da.", murmelt er ständig, um sich selbst Kraft zu geben. Natürlich feuer ich ihn auch an. "Schneller!", rufe ich immer wieder. Stattdessen wird es aber, wie schon gesagt, leider immer langsamer. In der Abenddämmerung fängt Inu leicht an zu schimmern, wobei ich keine Ahnung habe, ob es nicht vielleicht an seinem Schweiß liegt.

Nach einer halben Ewigkeit, wie es mir vorkommt, erreichen wir endlich die Spitze. Vor uns erstreckt sich ein riesiges Beet aus dunkelblauen Blumen, die im dämmrigen Licht der Sonne leicht glitzern. Mir entfährt ein leises: "Wow." Die Landschaft ist noch schöner als die im Wald. Am Horizont geht die Sonne langsam unter. "Romantisch, nicht? Gefällt es dir?", will Inu von mir wissen. Ich bringe nur ein Nicken zustande, so überwältigt bin ich. Um die Blumen nicht zu zerstören, holt Inu jetzt doch unseren Teppich hervor. Wie ein kleines Picknick, nur ohne Essen.

Schweigend sitzen wir nebeneinander und betrachten den Sonnenuntergang. Klingt zwar echt kitschig, ist eigentlich aber echt cool. "Du, Zui?", bricht Inu schließlich die Stille. "Hmm?", ich schaue ihn fragend an. Er kratzt sich verlegen an der Wange. "Ich liebe dich."