Neuer Beginn

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> Real Life <

Nach kurzer Zeit im (Spiele-)Paradies tritt nun schließlich das Unvermeidliche ein. Ganz genau, mein erster Tag in der Universität. Widerwillig quäle ich mich aus dem Bett. Wann bin ich zuletzt vor 12 Uhr aus dem Bett gestiegen? Ich trotte ins Bad und mache mich fertig. Auf's Aussehen kommt es doch eh nicht an, oder?, denke ich nachdem ich mein schreckliches Erscheinungsbild im Spiegel erblicke. Lustig, dass das ausgerechnet von mir kommt, wenn ich so an Etir denke. Ich streife mir mein dunkelblaues Hemd und eine schwarze Jeans über und schon geht es ab in den Horror.

Die vielen Leute, die sich vor dem Brunnen gegenüber des Universitätsgebäudes versammeln, erinnern mich an meine Schulzeit. Damals hatte ich wenigstens noch Freunde. Ich blicke mich um. Kein einziges bekanntes Gesicht. Doch davon lasse ich mich nicht unterkriegen. Den ersten Tag überstehe ich ohne angequatscht zu werden. In diesem Gebäude gibt es zwei Arten von Studenten. Die einen, die so aussehen wie ich un die anderen, die wie normale gesunde frische junge Erwachsene aussehen. Meine Artgenossen sehen alle so aus, als seien sie gerade erst nach einem langen Krankenhausaufenthalt entlassen worden. Die DX Suchtis, die Stunden ihres Lebens in einer virtuellen Welt verbringen. Vielleicht sollte ich mich mit einigen anfreunden. Andererseits würden sie dann herausfinden, dass ich im Spiel weiblich bin und sich über mich lustig machen.

In Gedanken versunken schlender ich zum Ausgang hinaus. Als meine Augen das Sonnenlicht erfassen, schmerzen sie augenblicklich und ich bin geblendet. Das sind die Nebenwirkungen vom Stubenhocken. Müde reibe ich meine Augen, als mir plötzlich das Blut in den Adern gefriert. "Hey, da ist Zachary!", ruft eine unbekannte Damenstimme. Als ich diesen Namen höre, beschleunigt sich mein Herzschlag. Ich blicke mich vorsichtig um, darauf bedacht keine Aufmerksamkeit zu erwecken. Hier stehen um die hundert Leute herum, unmöglich da jemanden ausfindig zu machen. Jetzt beruhig dich mal, Tony. Wie viele Leute auf der Welt gibt es, die Zachary heißen? Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser ausgerechnet Inu ist? Solche Zufälle gibt es einfach nicht. Ich schüttel meinen Kopf, um den Gedanken schnell abzuwerfen und eile nach Hause.

Trotzdem lässt mich die Sache nicht los. Was wenn Inu doch auf die gleiche Uni geht? Immer noch total aufgeregt begebe ich mich über meinen DX ins Internet und suche nach seinem Namen. Dabei durchforste ich etliche soziale Netzwerke. Zu meinem Pech gibt es total viele Zacharys und ich kann bei bestem Willen nicht erkennen, welcher Inu ist. Wieso will ich überhaupt unbedingt wissen wer er ist? Wäre es nicht besser wenn ich es bis zum Schluss nicht wüsste?

> Etir <

"Hey, Zui! Was ist los mit dir?", Inu winkt besorgt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum, bis ich endlich aufblicke. "Sorry, ich bin schon seit heute Nachmittag die ganze Zeit in Gedanken versunken.", entschuldige ich mich. "Ist etwas passiert?", erkundigt er sich. Wie könnte ich ihm je sagen was mich gerade beschäftigt? Wenn ich sicher weiß, dass er nicht in meiner Nähe wohnt, könnte ich wenigstens beruhigt sein. Aufeinmal kommt mir eine Idee. "Es ist nichts. Wobei doch, eigentlich schon. Kann ich dich was persönliches fragen?" Er nickt freundlich: "Klar, schieß los." "Wo wohnst du?", bringe ich schließlich hervor. Diese Frage scheint ihn zu überraschen. "Wow, das ist ja das erste mal, dass du mich sowas fragst.", er lächelt fröhlich vor sich hin, "Ich wohne in München und du?" Mein Atem stockt als ich das höre und ich breche in Schweiß aus. Das kann doch kein Zufall sein. Wie kann es sein, dass wir am gleichen Ort leben? Ich wende meinen Blick von ihm ab, als ich behaupte, dass ich in Berlin lebe. Wenn er wüsste, dass ich ganz in der Nähe bin, würde er mich sicher treffen wollen. Das kann ich nicht zulassen. "Cool, also auch in Deutschland. Ich kann dich ja mal besuchen kommen,", er nimmt mich an den Händen und sieht mir tief in die Augen, "schließlich möchte ich dich auch in der Realität kennen lernen." Ein stechender Schmerz bohrt sich durch mein Herz. Wieso ist er nur so nett zu mir? Womit habe ich das überhaupt verdient? Ich belüge ihn einfach von vorne bis hinten. "Ach, mach dir keine Umstände. Ich bin schon mit dem zufrieden, wie es gerade ist.", entgegne ich ihm. Wenigstens das ist die Wahrheit. Mehr kann ich mir unmöglich wünschen. "Ich aber nicht.. ich würde dich wirklich unglaublich gerne mal kennen lernen.", er sieht mich eindringlich und ernst an. "Ich denke ich bin noch nicht bereit dafür. Vielleicht irgendwann mal.", wehre ich ihn ab. "Natürlich. Ich will dich nicht drängen. Ich kann warten.", sagt er mit fester Stimme und nimmt mich in die Arme. Auf diese Weise sieht er zum Glück nicht mein schuldbewusstes Gesicht.

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Was würdet ihr tun, wenn ihr an Zuis/Tonys Stelle wärt? Das würde mich mal interessieren ^^

Virtuelle Liebe = Echte Liebe? (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt