Antonios Sicht

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[Antonios Sicht, bevor Zachary und Tony zusammen kommen]

> Real Life <

"Maan..", seuftzt Zach lautstark neben mir, was mich aufzucken lässt. Das nenne ich einen eindeutigen Hilfeschrei. "Was ist los?", erkundige ich mich bei meinem Kindheitsfreund. "Nichts..", murmelt er leise, wobei er ziemlich in seine Gedanken versunken zu sein scheint. "Geht es um Zui?", hake ich neugierig nach. Er zuckt kaum merkbar zusammen. Volltreffer. "Sie verheimlicht etwas vor mir. Seit kurzem verhält sie sich so anders, aber will mich einfach nicht aufklären... Was, wenn sie mich nicht mehr liebt?", rückt er endlich mit der Sprache heraus und sieht dabei ziemlich bedrückt aus. Wann habe ich Zach zuletzt in diesem Zustand gesehen? "Ach so ein Quatsch. So wie ich sie kenne, würde sie bestimmt kurzen Prozess machen und dich direkt in die Wüste schicken, wenn sie dich nicht mehr mögen würde. So würde ich Zui jedenfalls einschätzen, so frech wie sie ist." Meine Worte scheinen keine große Wirkung zu zeigen.

Plötzliche Schritte lassen mich aufhorchen. Lenart setzt sich schweigend zu uns auf die Treppe in der Uni und analysiert die Situation still. Auch er weiß sofort, welche Person hinter dem nachdenklichen Gesicht von Zach steckt. "Wenn du willst, kann ich sie für dich ausfindig machen. Wenn du ihre wahre Natur kennst, kannst du sie besser einschätzen.", schlägt er in seiner üblichen Ruhe vor. Heimlich schiele ich zu ihm herüber. Wie so gut wie jeden Tag auch, trägt er heute ein schwarzes Shirt, wobei seine Kapuzenjacke - heute mal in rot - natürlich nicht fehlen darf. Die Kapuze sitzt wie immer auf seinem Kopf und verdeckt die Hälfte seiner schwarzen, leicht gewellten Haare. Durch seine Brille hindurch fallen einem, oder zumindest mir, sofort der übliche kühle, gelangweilte Blick auf.

Wie kommt er nur immer auf so komische Gedanken? Zach lehnt die Idee kopfschüttelnd ab: "Ich will sie nicht stalken. Wenn sie nicht möchte, dass ich ihre Identität kenne, dann respektiere ich das auch. Es würde mich freuen, wenn sie mir das von sich aus verrät." Ein Seuftzer folgt. Hmm, ob er das wohl wirklich denkt, oder das nur eine bequeme Ausrede ist? Aufmunternd lege ich einen Arm um seine Schultern. "Red doch einfach nochmal in aller Ruhe mir ihr, bevor du dir irgendwas ausmalst."

"Ja, du hast recht. Es passt nicht zu mir, mir solche unnötigen Sorgen zu machen.", meint Zach mit fester Stimme und steht ruckartig auf. "Bin mal kurz auf dem Klo.", gibt er uns noch bescheid, bevor er seine Tasche packt und den Gang entlang läuft.

Dann realisiere ich, dass ich alleine mit Lenart zurückgelassen wurde. In dem Moment meldet er sich auch schon zu Wort, was echt ungewöhnlich ist: "Fühlst du dich in letzter Zeit auch so beobachtet?" Bitte was? Hab ich mich verhört? "Was..?", frage ich ihn deshalb irritiert. "Ob du dich in letzter Zeit beobachtet fühlst.", wiederholt er ruhig und durchlöchert mich mit seinem Blick. Wieso sollte ich mich beobachtet fühlen? Er will doch nicht etwa darauf anspielen, dass ICH ihn beobachte, oder? Ach, so ein Müll. Ich schlucke und versuche ruhig zu bleiben. "Nein, wieso?", frage ich etwas verunsichert und stotter dabei fast. "Nichts, schon gut.", meint er aufeinmal, nimmt seine Tasche, steht auf und wartet darauf, dass ich es ihm gleich tue. Obwohl ich sein mysteriöses Wesen durchaus anziehend finde, weiß ich manchmal echt nicht, was ich mit ihm anfangen soll...

"Ey, Zach, du hängst heute mit UNS ab, nicht wahr?", stelle ich ihm eine rhetorische Frage. Er sieht uns entschuldigend an: "Sorry, vielleicht ein anderes Mal." Nicht sein ernst oder? Ich kann ja verstehen, wenn er verliebt ist, aber trotzdem kann er uns doch nicht so einfach hängen lassen! "Zui, Zui, Zui, immer nur Zui! Was ist mit uns?", meckere ich. Wann war das letzte Mal, als wir etwas unternommen haben? Lenart fällt mir natürlich in den Rücken. "Ignorier ihn einfach und geh. Wir sehen uns dann morgen.", richtet er sich an Zach. Nachdem dieser verschwunden ist, starre ich Lenart verärgert an. Wie kann ihm immer alles gleichgültig sein? Er zieht eine Augenbraue hoch, als er mein Gesicht bemerkt. "Bist du etwa nicht zufrieden, wenn es nur wir beide sind?" Was? "Doch natürlich!", sage ich schnell und lege einen Arm um seine Schultern. "Komm lass uns gehen." Bilde ich mir das nur ein? In letzter Zeit fahre ich bei jeder kleinen Bemerkung Lenarts fast aus der Haut, aus Angst, er könnte irgendwas andeuten wollen, was natürlich nicht der Fall sein kann. Ich meine wir reden hier von Lenart! Er würde wahrscheinlich nicht mal die Gefühle eines Mädchens bemerken, das ihm vor seiner Nase die Liebe gesteht, so desinteressiert wie er ist.

Kurze Zeit später laufen wir an einem Imbiss vorbei. Bei dem Duft, der aus dem Laden strömt, macht sich mein Magen direkt bemerkbar. Sehnsuchtig starre ich durch die Fensterscheibe, bis ich Lenarts Blick bemerke, der mich darin beobachtet. Überrascht drehe ich mich zu ihm. "Was ist?" "Geh schon rein, statt die Leute mit deinen gierigen Blicken zu belästigen.", brummt er in seiner monotonen Stimme. Tsk, nur weil ich Gefühle zeige. Was für eine Unverschämtheit.

"Willst du auch etwas?", frage ich ihn, als wir uns anstellen. "Gibst du etwa aus?", wie immer wenn er mich etwas fragt, starrt er mich intensiv an. Für dich doch immer. "Ja, warum nicht? Bin heute mal spendabel,", grinse ich ihn an, "also such dir etwas aus." Er zögert natürlich keine Sekunde und zeigt sofort auf alle teuren Angebote des Menüs. So dämlich bin ich natürlich auch wieder nicht, dass ich mich von ihm auf den Arm nehmen lasse.

Nachdem wir nach etwa einer Stunde den Laden verlassen, ist es inzwischen ziemlich kalt geworden. Während ich mich mal wieder darüber beschwere, dass er fast 24/7 seine Kapuze auf dem Kopf hat, obwohl das bei ihm schon irgendwie niedlich aussieht, er sich aber nicht ständig hinter seiner Brille und seiner Jacke verstecken soll, muss ich aufeinmal gefühlte tausend mal hintereinander niesen. "Siehst du was du von deinem ständigen Gemecker hast?", wirft er mir daraufhin nur an den Kopf. Tsk, danke, dir auch Gesundheit. "Lass uns nach Hause. Du wirst am Ende noch krank." Ohh, er zeigt ja doch etwas Interesse und Mitgefühl. "Ich werde schon nicht krank.", widerspreche ich ihm. Viel lieber würde ich noch etwas länger mit ihm reden. Sonderlich viele Gelegenheiten dazu habe ich schließlich nicht.

Virtuelle Liebe = Echte Liebe? (BoyxBoy)Where stories live. Discover now