Prolog

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Rückblick
Vor 9 Jahren
POV RUBY

„Du spinnst ja wohl, als ob ich deine elenden Fehler ausbade, die sich sowieso wiederholen."

„Du badest meine Fehler aus? Pah, das ich nicht lache!", spottete Mama lauthals, verschränkte die Arme spöttisch vor der Brust und wurde im nächsten Augenblick noch eine Oktave lauter: „John, wenn ich auch nur anfangen würde deine Fehlern aufzuzählen, würden wir hier nicht fertig werden. Seit Jahren schlage ich mich immer wieder mit deinem undisziplinierten Verhalten rum. Mein Kopf ist kurz davor zu explodieren.", aufgebracht schob Mama die Ärmel ihrer weißen Bluse bis zu den Ellbogen. Sie richtete ihre gelösten Haarsträhnen sporadisch, die sich während der Diskussion aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatten.

„Es reicht mir langsam, Judith!", mein Vater knallte die flache Hand unerwartet harsch auf den Esstisch neben den beiden.
Erschrocken fuhr ich zusammen. Meine Finger schlangen sich fest um die hölzernen Streben der Treppe, auf der ich den heftigen Streit zwischen Mama und Papa schon eine ganze Weile beobachtete.
Der Knall hallte laut durch meinen Kopf. Zitternd presste ich meine Augenlider fest aufeinander. Es war nicht das erste Mal, dass sich Mama und Papa stritten. Es war nicht das erste Mal, dass es zwischen beiden laut war, so dass ich partout nicht schlafen konnte. Egal, ob ich es gewollt hätte.

Langsam spürte ich wie sich eine Träne aus meinen zusammengekniffenen Augenlidern löste und meine kalte Wange hinab kullerte. Zittrig presste ich meine Lippen aufeinander.
Ich hasste es, wenn sich Mama und Papa stritten. Doch das taten sie leider viel zu oft. Es machte mir Angst, wie laut sie sich anschrieen und wie wütend sie waren. In diesen Situationen machten mir Mama und Papa unheimlich Angst. Mittlerweile war es auch nicht das erste Mal, dass ich stumm weinend auf der Treppe saß.

Ich wollte einfach, dass sie sich lieb hatten, so wie ich sie lieb hatte.

Die Träne tropfte auf mein Schlafshirt und bildete einen runden, nassen Fleck, den ich kalt auf der Haut spürte.

„Hey."

Erschrocken drehte ich mich um, sobald ich eine warme Hand auf meiner Schulter spürte.

Evan saß plötzlich neben mir auf der Treppenstufe. Beruhigend strich er mir auf der Schulter hin und her, indessen er mir ein warmes Lächeln entgegen warf, um mich zu trösten. Sogleich fühlte ich mich ein bisschen besser.

„Komm' wir gehen in mein Zimmer. Du kannst heute bei mir schlafen, Ruby."

Heftig nickte ich mit meinem Kopf. Ich wischte mir meine Tränen mit dem Ärmel meines langärmligen Shirts aus den Augen und ging mit Evan mit.

Leise folgte ich ihm die Treppe hinauf und ließ die lauten Schreie unserer Eltern hinter mir. Ich versuchte sie auszublenden. So gut ich es eben konnte.

Tapsend lief ich in Evans Kinderzimmer, wobei er ja eigentlich schon groß war. Ich wusste nicht, ob man das dann immer noch Kinderzimmer nannte. Immerhin war er schon fünfzehn Jahre alt, während ich noch zehn Jahre war.

Nachdem Evan die Tür seines Zimmers geschlossen hatte, lief er zielsicher auf seinen Fernseher zu, unter dem sich zahlreiche DVDs stapelten.

„Na, was meinst du, wollen wir wieder einen Film schauen?"

Ich schniefte die letzten Tränen hinauf, indessen sich ein zaghaftes Lächeln auf mein Gesicht schlich. Nickend stimmte ich ein. Evan war immer für mich da, wenn ich traurig war. Insbesondere, wenn unsere Eltern sich mal wieder stritten. Er war ein guter großer Bruder und ich liebte ihn. Ich war wirklich froh ihn zu haben. Er kümmerte sich um mich und ich würde mich auch um ihn kümmern, sobald ich älter war.
Das nahm ich mir zumindest fest vor.

My Roommates BrotherWhere stories live. Discover now