26. Unter Beschuss

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POV RUBY

Wir fuhren erst seit zehn Minuten und schon spürte ich wie meine Hände schwitzig wurden und mein Puls um einige Schläge die Minute anstieg.

Es war angespannt ruhig im Auto. Eine drückende Stille hatte sich um uns herum ausgebreitet, die nur durch leise Töne der Radiomusik im Hintergrund durchbrochen wurde.

Im Innern sah ich Noahs Familie vor mir sitzen -in erster Linie seinen Vater und Ave in perfekter Kleidung, die mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen mustern.
Vermutlich würden sie sich fragen, was ich überhaupt bei einem Familienessen zu suchen hatte und weshalb mich Noah mitgebracht hatte. Doch darauf hatte ich selbst keine wirkliche Antwort. Ich war mindesten genauso überrascht.

Dieser ganze Abend fühlte sich ein wenig an wie das erste Kennenlernen der Familie meines festen Freundes.
Als wären wir tatsächlich ein Paar, was wir ja bei Weitem nicht waren.

Angestrengt schloss ich die Augen und nahm einen beruhigenden Atemzug.

Irgendwie stecken wir mitten in einer Phase, in der niemand wusste was Sache war.

Auch wenn es sich furchtbar gut anfühlte Zeit mit ihm zu verbringen und ihm so nahe zu sein.
Insgeheim fragte ich mich doch, ob er Shelby auch seinen Eltern vorgestellt hatte.

Noah bog in eine breite, säuberlich gepflasterte Einfahrt. Er manövrierte das Auto langsam durch das breite metallische Tor, welches seine Ankuft zu erwarten schien.

Neugierig lugte ich aus dem Fenster, um den Ort in Augenschein zu nehmen, an dem Noah aufgewachsen war.

Mit großen Augen betrachtete ich das weitläufige, akkurat konzipierte Gelände.
Vor dem breiten, moderen Haus mit den bodentiefen Fenstern, erstreckte sich eine Auffahrt, in deren Mitte sich ein mit grünen Zypressen bepflanzter Kreisel befand.
Der Rasen rechts und links von der Auffahrt, war säuberlich auf eine Länge gestutzt und leuchtete sattgrün in der herbstlichen Abendsonne.
Die Pflastersteine mündeten bei einer Treppe aus drei breiten Stufen, die zu einem Sandsteinverzierten, überdachten Eingang führten.

"Willkommen im Haus meiner Eltern.", murrte Noah als er unweit vom Eingang, direkt hinter einem schwarzen SUV, Platz nahm.

Nachdem ich Noahs Wohnung und Teile seines Lebens kennengelernt hatte, wollte dieses Haus nicht so recht zu ihn passsen.
Nur schwer konnte ich mir einen glücklichen, tobenden, kleinen Noah vorstellen, der über diese penibelen Wiesen rannte.
Nichts an diesem Gelände strahlte Wärme und Geborgenheit aus oder deutete daraufhin, dass hier irgendjemand wohnte -geschweigedenn eine Familie ihr Zuhause hatte.

Stattdessen war alles scheinbar steril und sauber. Es wirkte tatsächlich eher wie ein Musterhaus, was extra für Besichtigungen hergerichtet wurde, nicht wie ein Zuhause.

"Es ist doch ganz... schön hier.", presste ich gezwungenermaßen heraus, wobei ich Noah sofort ansah, dass er meine Gedanken durchschaute.

Noah erwiderte nichts darauf, gab mir mit einem dezenten Blick aber zu verstehen, dass er sich womöglich ebenso unwohl hier fühlte wie ich.

Vermutlich sogar noch unwohler.

"Lass' uns reingehen und es hinter uns bringen.", murmelte er stattdessen sichtlich nervös und öffnete im Anschluss die Autotür.

Gott, wenn Noah bereits vor der Begegenung mit seinen Eltern derart fahrig war, musste dieser Abend einer Narurkatastrophe ähneln.

Ich tat es ihm gleich.
Dann folgte ich ihm zum riesigen Eingang des Hauses.

Noah rieb sich ein letztes Mal die Hände, atmete tief durch und richtete den Kragen seines Hemdes ehe er die Klingel betätigte.

Seine Nervosität hatte sich ungehindert auf mich übertragen. Ich zupfte mit den Fingern am Stoff meines Rockes entlang, um sie irgendwie zu beruhigen.

My Roommates BrotherWhere stories live. Discover now