14. After-Work-Gespräche

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POV RUBY

Der Abend im Kinderhaus war unfassbar schön gewesen. Es hatte etwas beseelendes Kinder lachen zu sehen.

Der Lagerfeuerabend gehörte definitiv zu den schönsten Abenden der letzten Wochen und war ein willkommener Ausflug aus meinem alltäglichen Leben.
Dass Noah die ganze Zeit anwesend war, hatte dem Abend erstaunlicherweise keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Es war faszinierend ihm beim Rumalbern oder Schimpfen mit den Kindern zu beobachten. Da fiel es mir beinahe schwer, seinen —sonst so nervigen, aufreißerischen— Charakter, im Hinterkopf zu behalten.

Eine Windböhe wirbelte mir kühl um die Nase.
Unbeholfen versuchte ich meine Haare auf dem Kopf zu ordnen, indessen ich die Zahl an der Anzeigetafel der Straßenbahnhaltestelle entschlüsselte.

Mit zusammengekniffenen Augen identifizierte ich eine leuchtende Zweiundzwanzig.

Genervt stöhnte ich auf.
Womit sollte ich mich jetzt zweiundzwanzig Minuten beschäftigen?

Missmutig zog ich mein Handy aus der Tasche. Nur um festzustellen, dass der Akku mittlerweile leer war.

Na klasse, sollte mich jemand entführen wollen, könnte ich also nichtmal den Versuch starten mich mit jemandem in Verbindung zu setzen.

„Hey, Ru!", ich drehte mich über die Schulter.

Noah spazierte gerade durch das Eingangstor des Kinderheims. Er war ebenfalls in eine dickere Jacke eingepackt und hatte seine Hände in den Taschen seiner Jeans versteckt. „Soll ich dich vielleicht mit dem Auto mitnehmen und Zuhause absetzten?"

„Nein, danke. Ich fahre Bahn.", versuchte ich mich schnell aus dem Angebot rauszureden, bevor ich noch schwach werden und ja sagen würde.

Seit dem aufwühlenden Nachmittag hatte ich das mulmige Gefühl, ihm aus dem Weg gehen zu müssen.

Er warf einen skeptischen Blick zur Anzeigetafel: „Also mit dem Auto wärst du in zweiundzwanzig Minuten drei Mal Zuhause."

Fest drückte ich meine Lippen aufeinander und versuchte standhaft zu bleiben. Auch wenn die kalte Luft versuchte mir einen Strich durch die Rechnung zu machen.

„Ich habe auch eine Sitzheizung.", versuchte mich Noah zu überzeugen, während er zu einem der parkenden Autos am Straßenrand lief. Er kramte den Schlüssel aus der Jackentasche und öffnete den Wagen per Knopfdruck.

„Schön für dich und dein Auto.", rief ich zu ihm hinüber.

„Okay, was muss ich tun oder sagen, damit du dir selbst den Gefallen tust, dich von mir nach Hause fahren zu lassen?"

Kurz dachte ich nach, wusste allerdings genau was ich wollte: „Keine dämlichen Annäherungsversuche. Die ganze Autofahrt."

„Einverstanden.", er öffnete die Beifahrertür am Gehweg: „Und jetzt komm' schon her und steig' endlich ein."

Über mich selbst die Augen rollend zwang ich meine Füße in die Richtung von Noahs Auto.

Wieso hatte ich mich nur breitschlagen lassen?

Ich schob das mal auf meine Bequemlichkeit. Und viel länger als sieben Minuten sollte die Autofahrt ja nicht dauern. Demnach müsste ich sieben Minuten einen minimalistischen Raum mit Noah teilen.

Am Auto angekommen, konnte ich dann auch sein breites genügsames Grinsen ausmachen, woraufhin ich abermals deutlich meine Augen drehen ließ.

Dennoch stieg ich wortlos ein. Entgegen meiner Erwartungen fuhr Noah keinen protzigen Wagen wie all die anderen Typen, die sich versuchten über ihre Autos zu profilieren, um gewisse andere Dinge zu kompensieren.

My Roommates BrotherWhere stories live. Discover now