9. Mutter-Tochter-Beziehung

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POV RUBY

Erschöpft schmiss ich die Haustür hinter mir ins Schloss. Die lose Klinke klirrte. Meine Schlüssel legte ich auf die Kommode unseres Eingangsbereichs, der eigentlich Wohnzimmer und Flur zugleich war.

Nachdem ich meine Sachen ausgezogen hatte, kroch ich müde in mein Zimmer.
Dort ließ ich mich sofort auf die weiche Matratze meines Bettes fallen. Seufzend schloss ich die Augen und atme tief durch.

Heute war einer dieser zähen Uni-Tage gewesen, an denen ich das Haus zwar erst neun Uhr verlassen hatte allerdings auch nicht vor zwanzig Uhr wieder betrat.
Dementsprechend dunkel und kühl war es draußen bereits.
Es war deutlich zu spüren wie die Herbsttage begannen kürzer zu werden und die Temperaturen sich immer tiefer in der Skala des Thermometers schlichen.
Und ich hatte definitiv keine Lust auf diese kalten, düsteren Wintertage, die bald bevorstehen würden.
Zur Winterzeit hatte ich normalerweise das Gefühl erstmal in ein Loch zu fallen, aus dem ich mich mühsam rausziehen musste. Irgendwie merkte mein Körper sofort die fehlenden Sonnenstrahlen. Als wäre ich nicht auf ein Wetter nördlich des Äquators ausgelegt.

Doch vermutlich ging es diesbezüglich vielen so.

Das schrille Klingeln meines Handys holte mich schreckhaft aus meinem bereits einsetzenden Dämmerschlaf.
Stechend fuhren Blitze durch meinen Kopf, bis sie die Höhle hinter meinem Augen erreicht hatte.

Zerknirscht zog ich das Teil aus meiner Hosentasche.

In dicken, fetten Buchstaben leuchtete 'Mom' auf dem Display auf.

Schwer atmete ich aus. Mit ihr hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Doch wenn ich recht drüber nachdachte, war es bestimmt schon fast zwei Monate her, dass wir telefoniert hatten. Dementsprechend war es mal wieder an der Zeit mich den zähen, obligatorischen Gesprächen mit meiner Mutter anzunehmen. Auch wenn sie vermutlich für uns beide eher eine Pflicht als eine Freude darstellten.

„Hey Mom.", ging ich schlussendlich ran.

„Ruby!", ertönte eine atemlose, hohe Stimme am Ende der Leitung. Unverkennbar die Stimme meiner Mutter. Auch wenn wir nicht oft miteinander sprachen, ihre Stimme hatte eine Oktave, die ich überall wiedererkennen würde. „Wir haben schon so lang nicht mehr miteinander gesprochen. Wie geht es dir denn? Wie läuft es in der Uni?"

„Eigentlich ganz gut. Momentan ist es nur etwas stressig."

„Wem sagst du das. Auf Arbeit ist seit Wochen die Hölle los...", damit hatte sich der Teil ihres vorgespielten Interesses an meinem Leben auch schon erledigt und sie verfiel in einen endlosen Monolog über ihren Job und ihr stressiges Buisnessleben.
Dabei vernahm ich nichts, was ich nicht schon gehört hätte. Mittlerweile nahm ich es ihr nichtmal mehr übel. Ihrer Karriere und ihr privates Leben hatten noch nie sonderlich gut mit ihrer Familienplanung harmoniert, so dass Evan und ich keine besonders große Rolle in ihrem Leben gespielt hatten.
Vermutlich hatte sie sich auch deshalb von meinem Dad scheiden lassen. Die beiden funktionierten nicht, da sie sich zu ähnlich waren.
Er war mindestens genauso egoistisch und karrierebesessen. Sie waren zu gleich und konzentrierten sich in ihrer Ehe nur auf sich, nicht auf die Menschen um sich herum.

Im Gegensatz zu meinem Dad hatte sich Mom wenigstens nicht komplett aus unserem Leben verabschiedet und uns zumindest finanziell unterstützt. Außerdem rechnete ich ihr es an, dass sie versuchte sich regelmäßig bei uns zu melden. Auch wenn sie nur über sich und ihre Probleme sprach.

My Roommates BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt