WIR

25.5K 1.5K 186
                                    


„Manolo...", knurrte Jack wütend, „Ich hab mich schon gefragt wo du steckst..." Manolo entblößte seine Zähne und sagte zu Leon: „Schnapp dir das Mädchen. Ich knall ihn ab und dann weg hier." Wäre Leon nicht damit beschäftigt gewesen mit seiner Waffe die erstaunten Vampirjäger in Schach zu halten, hätte er vermutlich seine Hände in die Hüfte gestemmt, während er Manolo antwortete: „Ich dachte, ich bin dein Boss!" „Schon, aber du bist manchmal etwas langsam, was dein Handeln angeht und ich dachte ich greif dir kurz unter die Arme.", sagte Manolo und nahm Jack seine Pistole weg. So elegant, wie Manolo, will ich auch Leute als 'lahm' beleidigen können...

Kulikow tänzelte nervös von einem Bein auf andere und murmelte ihrem Partner zu: „ Mit Vier Vampiren können wir es nicht auf einmal aufnehmen..." „Drei ein halb", verbesserte Carter sie, mit einem Seitenblick auf mich. Ich entfernte mich unauffällig immer weiter von der Gruppe. Der Regen tröpfelte nur noch ein bisschen, aber es wurde windig und ich konnte vor Kälte den Abzug an meinem Finger nicht mehr spüren. Leon drehte sich zu mir um und sagte erstaunt: „Hey! Bleib stehen!" Ich war nämlich so schnell, wie es mein unnötigerweise immer noch eingegipstes Bein zu lies, losgelaufen und rannte zu ein paar Autos, die verwahrlost auf dem Parkplatz herumstanden. Ich wusste Leon würde schneller sein, als ich, aber ich wollte nicht kampflos aufgeben. Außerdem war da immer noch der Umstand, dass Leon, laut Jack, die Menschheit versklaven wollte. Also durfte in erster Linie, weder Jack, noch ich, sterben bzw. geheiratet werden. Ihr wisst wie ich das meine. Ich bin mir zwar nicht sicher ob Jack mich nicht doch angelogen hat, aber ich will, was das Schicksal der Menschheit angeht, kein Risiko eingehen.

Überaus erstaunt, kam ich beim ersten Auto an. Wieso hatte Leon mich nicht eingeholt? Der Lärm hinter mir erklärte es. Ich fuhr herum und sah Leon mit Jack auf dem Boden ringen. Manolo lag ein paar Meter weiter, ebenfalls auf dem Boden und versuchte sich gerade aufzurappeln. Mit meinem Fluchtversuch hatte ich Manolo wohl abgelenkt und Jack hatte ihn überwältigt. Danach hatte sich Jack wohl auf Leon gestürzt....

Die Vampire fuhren auseinander als Kulikow und Carter überrascht das Feuer eröffneten. Schnell verschwand ich hinter einem der Wagen. Von hier aus konnte ich nicht gut sehen was los war, aber dass musste ich auch gar nicht. Sie lieferten sich ein wildes Feuergefecht. Schüsse knallten laut und ich konnte ab und zu ein paar Schreie hören. Ich krabbelte schnell auf allen vieren von Auto zu Auto und würde gleich den Parkplatzausgang erreicht haben. Keiner würde meine Flucht bemerken.

Dachte ich zu mindestens...

Ich hielt gerade hinter einem roten Pick-Up an, als ich einen wild gestikulierenden Jack ein paar Autos weiter hocken sah. Er machte komische Gesichtsausdrücke dabei und erinnerte mich wieder an ein Rumpelstilzchen. Immer und immer wieder bedeutete er mir zu ihm zukommen. Zwischendurch zeigte er kurz auf den Ausgang. Natürlich! Manolo hatte Jack seine Waffe abgenommen und dieser war gerade komplett unbewaffnet. Jedoch um möglichst sicher von hier weg zukommen, musste ich zwangsweise an Jack vorbei. Ich legte die, von den Vampirjägern geklaute, Waffentasche auf den Boden und zückte meine Pistole. Mit, vor Kälte zitternden Händen, zielte ich auf Jack. Dieser hob nur skeptisch eine Augenbraue. Es ging nicht! Ich bekam meinen Körper nicht unter Kontrolle. Eher traf ich mich selbst, als Jack. Probeweise versuchte ich es trotzdem. Die Kugel schlug geschätzte 10 Meter neben Jack, in der Krankenhauswand ein. Ich packte genervt die Waffentasche und rannte geduckt, im Schutz der Autos auf Jack zu. Als ich bei ihm ankam wirkte er empört und sagte: „Du hast auf mich geschossen!" Ich quittierte das mit einem augenrollen und rannte weiter. Jack folgte mir. Wir rannten vom Parkplatz herunter und stoppten erst, als wir mehrere Straßen weiter die Schüsse nur noch gedämpft hörten. Ich prustete und schnaufte wie ein Walross, während Jack den Anschein machte, sich überhaupt nicht bewegt zu haben. Ich lehnte mich an eine Wand und atmete erst einmal gut durch, bis ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Jack kam auf mich zu. Ich wich instinktiv zurück und hob die Waffe. Ich zitterte immer noch, aber die Wahrscheinlichkeit ihn aus zwei Metern Entfernung zu treffen, stieg schon mal. Er hob die Hände. „Ella...Ich werde dir nichts tun.", sagte er sanft. „Ich glaub dir nicht!", sagte ich trotzig. „Ist verständlich, aber bitte nimm die Waffe runter." „Nein!" Er nickte. „Okay...", sagte Jack und kratze sich am Kopf, „So wird das nichts..." So wird das garantiert nichts!

Plötzlich verstummten die Schüssen. Jack drehte sich in Richtung Krankenhaus um und meinte: „Denen ist wohl die Munition ausgegangen. Wir sollten von hier verschwinden!" „Falsch!", korrigierte ich ihn, „Es gibt kein WIR!" Er rollte mit den Augen. „Natürlich gibt es ein wir! WIR sind verheiratet!" „Nein, sind wir nicht!", schrie ich ihn an. „WIR sind gar nichts. Ich bin ich und du...du bist ein absoluter Arsch! Ein Idiot, Egoist und...und...ein Monster!" Tränen liefen mir die Wangen herunter. Jacks Blick veränderte sich. Er wurde wütend. Richtig wütend. „Ich mag ja ein Monster sein, aber du bist nicht viel besser! Du hast alles kaputt gemacht! Ich will kein König sein. Ich weiß nicht mal wie das geht. Und ich will nicht gegen meinen eigenen Bruder kämpfen müssen! Das ist alles deine schuld! Deinetwegen muss ich jetzt all diese Verantwortung tragen! Deinetwegen muss ich mitten in der Nacht vor der Polizei, Vampirjägern und meinem Bruder flüchten! DU HAST MEIN LEBEN ZERSTÖRT!", brüllte er mich an. „UND DU MEINS NICHT?", fragte ich entsetzt, „DU hast mich entführt, beinahe getötet, gequält, benutzt und eingesperrt! Wie schlimm kann da ein Leben als König schon sein?" Ich atmete tief durch und schaute zu Boden. Meine Wut verwandelte sich in Verzweiflung. „Ich gebe auf...Du hast gewonnen...Ich kann nicht mehr...", flüsterte ich. Heiße Tränen ließen meine Sicht verschwimmen. Ich rutschte die Wand mit dem Rücken herunter. Mit fiel die Waffe aus der Hand. In diesem Moment war mir alles egal. Jetzt konnte er machen was er wollte. Scheiß egal, wenn ich jetzt sterbe. Ich hörte Schritte und etwas klappern, dann ein kurzes Motorgeräusch und wieder Schritte. Plötzlich hockte Jack sich vor mich auf den Boden. Er wühlte kurz in der Waffentasche herum und zog ein Messer hervor. Ich begann zu zittern.

Das war's dann also...

Ich schloss die Augen und dachte an ganz viele schöne Dinge. Doch ich spürte keinen Schmerz. Und erst recht nicht den Tod. Nur ein Druck auf meinem Bein und das reißen des Gipses. Ich öffnete vorsichtig meine Augen. Jack zerschnitt meinen Bein-Gips, steckte das Messer weg und stand auf. Seine nassen Haare klebten ihm an der Stirn, als zu mir herunter blickte. „Steigst du ein?", fragte er und deutete auf ein Auto hinter sich. Er hatte es wohl gerade geknackt und kurzgeschlossen. Fragend sah ich ihn an. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und meinte: „Wir schaffen, dass schon irgendwie, oder?" Er blickte mir in die Augen und ich sah ihn zum ersten Mal wirklich unsicher. Wie ein kleines Kind, das sich nicht sicher war ob es den Sprung zum anderen Klettergerüst schaffen würde. Jack lächelte verkniffen und hielt mir die Hand hin. Ich zögerte. Das hier, war zwar keine Entschuldigung, aber es war ein Waffenstilstand. Ein vorübergehender Friede... Er wollte versuchen mit der jetzigen Situation wirklich klarzukommen und bat mich indirekt um Hilfe. Wir waren beide in einer völlig neuen Umgebung. Ich würde ihm zwar nicht vergeben, aber wir hatten es zusammen vermasselt und würden es jetzt zusammen gerade biegen!

Ich ergriff seine Hand und er zog mich hoch. Wir stiegen ins Auto. Und als er los fuhr, sagte ich den einen Satz, der mir schon seit Wochen auf der Zunge lag:

„Ich hasse dich, Jack!"

Aus dem Augenwinkel sah ich ihn grinsen.

„Ich weiß, Ella. Ich dich auch."


Vampire entführen keine kleinen MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt