Pinocchio

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Im Laufen sah ich die Armbrust, die der eine Jäger verloren hatte, auf dem Boden liegen. Ich sammelte sie auf und da wurde mir bewusst...ich kann gar nicht schießen. Also ich habe es noch nie ausprobiert und es war ein absolut unpassender Moment jetzt damit anzufangen. Kurzerhand machte ich das einzig (un)logische: Ich warf die geladene Armbrust. Ich hoffte inständig, dass sich der Holzpfahl nicht löste beim Aufschlag und irgendwen verletzte. Die Armbrust verfehlte ihr mehr oder weniger nicht vorhandenes Ziel und erwischte Jack am Hinterkopf. Er war absolut unvorbereitet und so fiel er vornüber, als ihn die Armbrust erwischte. Das Beil fegte über seinen Kopf hinweg. Die Armbrust knallte auf den Boden und der Abzug ging los. Der Holzpfahl blieb in einem Gemälde stecken und nun hatte der Typ auf dem Bild eine längere Nase als Pinocchio. Jack sah das Beil, das ihn knapp verfehlt hatte, und packte den Arm des Jägers. Er riss ihm die Waffe aus der Hand und hob sie hoch. Bevor Jack das Beil auf den Kopf des Jägers niederschmetterte schloss ich meine Augen und drehte mich um. Auf keinen Fall würde ich mir das ansehen. Ich öffnete meine Augen wieder und erstarrte. Oben, an der Treppe vom ersten Stock, stand Leon. Er schmiss einen Jäger über das Geländer und scannte danach mit seinen Augen die Halle ab. Als sich unsere Blicke trafen erstarrte er vor Schreck. Im nächsten Moment standen Jack und Amber neben mir. „JACK!", brüllte Leon über den Kampflärm. Auf Jacks Gesicht bildete sich ein kleines Grinsen und er sagte, mit vor Sarkasmus triefender Stimme: „OH NEIN! Er hat uns erwischt! Ich hab ja solche Angst!" Er fuchtelte mit seinen Armen in der Luft herum und imitierte unglaublich schlecht einen Panikanfall. 'Rumpelstilzchen in Aktion!', rief meine innere Stimme. „Ich will euer freudiges Wiedersehen ja nicht stören, aber vor Leon solltest du jetzt gerade im Moment tatsächlich Angst haben. Wir wollten ja eigentlich flüchten, wenn ich daran erinnern darf.", warf Amber leise ein, als Leon sich den Weg die Treppe herunter frei kämpfte. Jack schaute sie kurz irritiert an, dann drehte er sich um und sagte: „Hast Recht! Weg hier!" Wir wollten auf die Tür zu nachdraußen laufen, aber Leon war schneller. Er selbst war zwar noch auf der Treppe, aber seine Schergen versperrten uns den Weg. Die Jäger waren erstaunt. Kein Vampir griff sie mehr an, außer zur Selbstverteidigung. Alle hatten auf Leons Befehl hin ihren Kampf unterbrochen nur um uns aufzuhalten. Wenn das nicht lächerlich war...Sollten Vampire nicht erstmal ihren wirklichen Feind bekämpfen? Ich zuckte zusammen, als ich bemerkte, dass ich schon anfing mich darüber zu ärgern das Vampire KEINE Menschen abschlachteten. Verdammt...So weit durfte es eigentlich niemals gekommen sein...

Während die Vampirjäger verdattert in der Gegend herumstanden oder vereinzelt hier und da Vampire angriffen und teilweise ignoriert wurden, versammelten sich Leons Leute langsam um uns. Die Jäger schienen gar nicht zu begreifen warum acht Vampire in Abendroben eine größere Bedrohung darstellten, als mehrere schwerbewaffnete und durchtrainierte Vampirjäger. Ich zuckte zusammen, als Leon unten in der Halle ankam. „Jack! Du kannst es echt einfach nicht lassen, oder? Immer wieder kommst du aus deinem Loch gekrochen!", schimpfte Leon wütend. Er zückte eine dolchartige Klinge und stieg über eine Leiche hinweg. Amber schob mich hinter sich. Jack, der immer noch das Beil in der Hand hielt, packte es fester und machte einen Schritt auf seinen Bruder zu. „Es ist erstaunlich solche Worte aus dem Mund eines Vatermörders zu hören", sagte Jack verächtlich. Dumm, Dümmer und die anderen drei Vampire stellte sich hinter uns. Sie schirmten mich von den immer näherkommenden Vampiren ab. Jack löste kurz seinen hasserfüllten Blick von Leon und checkte unsere Lage. „Hm...", machte Jack, als er sah das unser Fluchtweg versperrt war. „Hm...", bestätigte ich. Er schaute sich im Raum und sein Gesicht hellte sich auf. Hatte er einen anderen Weg gefunden? Sein Blick wanderte zu mir und er begann zu grinsen. Nicht dieses Schöne verlegene Grinsen, sondern mehr dieses Grinsen, das Leute drauf haben wenn sie etwas Fieses wissen und du eben nicht. Genauso ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Ein Grinsen das mir irgendwie Angst machte. „Ich denke ich sollte mich für deinen Wurf mit der Armbrust an meinen Kopf bedanken, aber irgendwie...", murmelte mir Jack zu, „Kennst du den Spruch: >>Rache ist süß<<?" Ich riss erschrocken die Augen auf. Egal, was sein Plan war. Mir würde er definitiv nicht gefallen. Jack packte mich um die Taille und warf mich durch das nächste Fenster...

Vampire entführen keine kleinen MädchenWhere stories live. Discover now