Ehekrach

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Am Dorfeingang stoppten wir. Durch den Regen war zwar nicht viel zu erkennen, aber wir wollten es nicht riskieren gesehen zu werden. „Wahrheit!", sagte Jack wieder. In den letzten 15 Minuten habe ich herausbekommen, dass Jack total auf saure Gummibärchen steht, er unbedingt mal Christina Aguilera kennenlernen will und dass er ein super Bauchtänzer ist. Ich biss mir auf die Unterlippe. Irgendwie hatte ich ein bisschen Angst die nächste Frage zu stellen: „Warst du jemals untreu?" Jacks Blick wanderte zu mir, als wir uns unter einem Zaun entlang schlichen. Er öffnete das Gartentor und wir gingen in den Garten um über den nächsten Zaun zu steigen. „Ja", antwortete Jack. Wir arbeiteten uns von Garten zu Garten vor. „Hm...", sagte ich nur. Was soll man darauf schon groß antworten? „Würdest du mich betrügen?", fragte ich und hob eine Augenbraue. Natürlich würde er Nein sagen. Alle würden Nein sagen... „Jetzt bist du erstmal dran", sagte Jack mit einem Grinsen. 'So viel dazu, dass alle auf solch eine Frage mit Nein antworten würden.' Ich knirschte mit den Zähnen. „Na gut...Pflicht..." Er sah meinen genervten Blick und lächelte schräg. „Klettre einfach über den Zaun und hör auf mich mit diesem kritischen Blick anzusehen." Jack machte mir eine Räuberleiter. „Wenn wir es genau nehmen wollen sind es zwei Pflichtaufgaben...", brummelte ich und setzte einen Fuß in seine Hand. „Dann hör auf mit diesem Blick", sagte Jack lachend und hob mich hoch. Leider machte er das unglaublich schwungvoll und so flog ich im hohen Bogen über den Zaun. Auf der anderen Seite klatschte ich wie ein nasser Sack zu Boden. Okay, ich war nass, aber er war hier der blöde Sack. Als Jack auf der anderen Seite landete, schaute ich ihn nicht mehr kritisch an, sondern wütend. Er half mir hoch und sagte schmunzelt: „Bekomme ich den kritischen Blick zurück?"

„Würdest du mich betrügen?"

„Ich hab nicht gesagt, dass ich Wahrheit als nächstes nehme..."

„Sag mich ob du mich betrügen würdest!"

„Umformulieren gilt ni-"

„JACK!"

„Schon gut, schon gut!", er hob abwehrend die Hände, „Ich würde dich nicht betrügen..., es sei denn" 'Natürlich muss es ein aber geben...' „du würdest mich auch betrügen. Rache-Sex ist wirklich unglaublich." Leise kicherte ich vor mich hin. „Du sagst das so, als würdest du aus Erfahrung sprechen. Wer hat dich den schon mal betrogen?" Jack schnappte sich meine Hand und zerrte mich weiter. „Das ist etwas, dass dich nicht weiter interessieren muss." Ich sah wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Ich hatte einen empfindlichen Nerv getroffen. „Warum muss es mich nicht interessieren?" „Weil das nichts mit dir zu tun hatte." „Hat es wirklich nichts mit mir zu tun, Jack?" „Ja!" „Warum glaub ich dir das nicht?" Er stoppte, öffnete das nächste Gartentor, trat auf die Straße und stiefelte auf das nächst beste Auto zu. „Weil du ein kleines bisschen paranoid bist, Ella!" „Wenn ich paranoid bin, hast du eindeutig ein gewaltiges Ego-Problem", sagte ich zickig. „Was soll das denn jetzt heißen?", fragte Jack und schlug auf das Auto. 'Uii... Und Aggressionsprobleme...' Die Alarmanlage des Wagens ging los. So viel zu Thema unauffällig bleiben. Im selben Moment hörten wir eine Gestalt am Ende der Straße rufen: „Hier sind sie!" Ich hätte heulen können. Jack schnappte meinen Arm und rannte um eine Ecke, als Sekunden später Schüsse durch die Gassen hallten.

Kennt ihr diese Filme in denen irgendwelche Monster von einer wütenden Meute mit Fackel und Mistgabeln durchs Dorf gejagt werden? Genau so war es eben auch. Nur mit dem Unterschied das ich mich ungern als Monster bezeichnen lasse und das die Fackeln und Mistgabeln in unserem Falle Pistolen und Holzpfähle waren. „Weiter", sagte Jack und wir rannten um die nächste Ecke. „Rechts!", rief er und wir rannten an der nächsten Gabelung nach rechts. Nur um schlitternd stehen zu bleiben, uns umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. „Das andere Rechts!", korrigierte sich Jack. Die fünf Jäger die uns zum Anhalten gebracht hatten nahmen die Verfolgung auf. „Vampir-Geschwindigkeit?", fragte ich keuchend, als mir langsam die Luft ausging. „Das würde ich nicht lange durchhalten...", sagte Jack und mir fiel ein, dass er lange nichts mehr gegessen hatte. Ich übrigens auch nicht, wie mir mein Bauch nach dieser Erkenntnis mitteilte. Jack und ich landeten in einer Sackgasse. „Was für ein scheiß Straßensystem!", schimpfte er leise vor sich hin, als wir gerade wieder umdrehen wollten. Soweit kam es jedoch nicht. Zwei Jäger versperrten uns den Weg. Sie lächelten gefällig und der eine sagte: „Endstation!" Er drückte den Abzug und ich zuckte zusammen, als....nichts passierte. „Hä...? Verdammt! Das scheiß Ding klemmt schon wi-" Weiter kam er nicht, denn Jack schlug ihm die Waffe aus der Hand und warf ihn mit einem exzellenten Rechtenhacken zu Boden. Er blieb bewusstlos liegen. Der Andere zitterte am ganzen Körper und schwankte mit dem Waffenlauf immer zwischen Jack und mir hin und her. Er schien sich wohl entschieden zu haben, dass Jack die größere Bedrohung war, als er feuerte. Für Jack war es jedoch ein leichtes ihm seine Waffe weg zu nehmen. „N-Nicht...", bibberte der Jäger und hob die Hände. Jack kam breit Grinsend auf ihn zu und fragte: „Na? Neu im Vampirjäger-Business?" Ängstlich nickte der schmächtige Mann. Irgendwie erinnerte er mich an mich selbst, vor ein paar Wochen: Total überfordert mit der Situation und mit dem Gefühl jeden Moment vor Angst zu platzen. Als ich bemerkte, was Jack wirklich mit dem armen Mann vorhatte, ging ich dazwischen: „Jack...Lass uns schnell weiter." „Warte... Nur noch kurz... Einen kleinen Happen..." Ich schnappte mir seinen Arm und wollte ihn von dem auf die Knie gefallenen Jäger wegziehen, aber Jack bewegte sich keinen Zentimeter. In seinen roten Augen stand der pure Hunger... „Jetzt reiß dich doch mal zusammen!", schimpfte ich und zerrte weiter an seinem Arm herum, „Die anderen Jäger könnten jeden Moment hier auftauchen..." „Quatsch, du bist paranoid", sagte Jack und streckte geistesabwesend die Hand nach der Kehle des Jägers aus. „Ich bin nicht paranoid!", sagte ich und schlug Jack gegen den Rücken. Wiederwillig drehte er sich zu mir um. „Willst du das wirklich jetzt ausdiskutieren, Ella?" „Wenn es sein muss!" „Gut...Okay...DU BIST PARANOID!" „Nur weil ich mich darum Sorge, dass wir jeden Moment sterben, bin ich nicht gleich paranoid!", argumentierte ich. „Nein, aber du machst das die ganze Zeit. Auch wenn wir ganz normal mit einander reden. Du witterst hinter allem eine Verschwörung, die versucht dich umzubringen!" „Immer noch besser, als jedes Mal vor Wut auszuflippen, nur weil man SCHERZHAFT gesagt hat das du schwer bist!", sagte ich wütend. „Was soll das denn jetzt heißen?", fragte Jack und baute sich vor mir auf. „Du hast eindeutig ein Ego-Problem", sagte ich abfällig, als würde das ganz klar auf der Hand liegen. Der arme Jäger saß verdattert zwischen uns auf dem Boden und schaute von einem zum andern. „Ego-Problem?", fragte Jack knurrend. „Ja, Jack!", sagte ich und tippte mit dem Zeigefinger gegen die Brust. Jack grinste fies und sagte: „Stimmt, dass würde auch erklären, warum ich versuche mein Ego mit den ganze schönen Frauen zu pushen. Und bei meinem guten Aussehen ist es ja auch kein Wunder, dass mir die Frauen hinterher laufen." „Tja, aber irgendeine scheint dich ja tatsächlich mal betrogen zu haben", bohrte ich. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ella...", sagte er drohend. „Deshalb vögelst du auch alles was nicht bei drei auf dem Baum ist. Nur weil dich mal jemand betrogen hat?" „Nein...", sagte er, „Das hab ich schon immer gemacht, aber weißt du was mich mal interessieren würde...Bist du noch Jungfrau?" Ich stockte und Jack lachte laut: „Das würde erklären warum du beim Thema Sex immer so verklemmt bist." „Ja, ja ich bin noch Jungfrau, aber das ist kein Argument! Das-" „Dürfte ich vielleicht etwas dazu sagen?", fragte plötzlich der Jäger. Wir schauten ihn beide verdutzt an. Ich zuckte mit den Schultern und erteilte ihm so das Wort. „Wenn ich das jetzt richtig sehe, ist Ella hier, zwar ein kleines bisschen paranoid, aber wenn es um Jack geht scheint sie mehr eifersüchtig zu sein. Und Jack hat zwar ein kleines Ego-Problem, aber ich habe mehr das Gefühl, dass er Angst um dich hat, Ella!" Mein Blick wanderte von dem ängstlichen Paartherapeuten zu Jack. Er hatte einfach Angst um mich? Deshalb dieses verdammte Arschlochverhalten? „Die Kleine ist so gut wie unsterblich", sagte Jack zu dem Jäger, „warum sollte ich mir da Sorgen machen?" „Also...", stotterte der Jäger. „Und ich bin auf keinen Fall eifersüchtig! Soll er doch machen was er will!", sagte ich, „Wir sind ja kein Pärchen oder so..." „Vielleicht noch nicht, a-", wollte der Jäger sagen, aber ich hackte mich bei Jack ein und er sagte: „Bevor du versuchst uns Beziehungstipps zu geben, solltest du erstmal die komplette Geschichte verstehen...." „...und ein ausgebildeter Paartherapeut sein!", zog nun auch ich über den armen Mann her. Pah...Mich als eifersüchtig zu bezeichnen! Unmöglich!

Jack und ich gingen an dem Jäger vorbei und wir warfen ihm böse Blicke zu.

'Hand in Hand ins Märchenland...', sang meine innere Stimme und ich fragte mich, ob Jack mein Märchenland war...


Vampire entführen keine kleinen MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt