Rumpelstilzchens Überraschung...

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Im Wagen herrschte eisernes Schweigen. Seid ich aus der Dusche kam war Jack so ungeheuer abweisend zu mir und in Gedanken versunken. Ist ja nicht so, dass er sonst nicht abweisend ist, aber diesmal war es komisch. Er war nicht unhöflich...eher distanziert. Auch beschäftigte mich die ganze Zeit über diese Unterhaltung mit Mary... Ich kam gerade aus dem Bad, da stellte sie sich mir in den Weg und meinte grinsend: „Die Kontaktlinsen stehen dir!" „Äh...Danke?" „Ich mein das wirklich ernst. Du hast jetzt so hellbraune Augen. Sieht wirklich nicht schlecht aus." „Dankeschön, hat auch eine Ewigkeit gedauert die blöden Dinger in meine Augen zu bekommen", meinte ich. Meine Augen brannten immer noch. Plötzlich begann Mary laut zu lachen und sagte gehässig: „Tja...daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen..." Ich wollte gerade nachfragen was sie genau damit meinte, als Jack dazwischen platzte: „Ella? Können wir los?" „Klar...Bis später, Mary." Jack verschwand aus dem Flur und ich wollte ihm folgen, als Mary ihre Hand hob und mir zuwinkte. „Auf nimmer wiedersehen, Ella..." Verwirrt war ich einfach gegangen und jetzt saß ich hier: Im Auto neben einem stummen Fisch von einem Rumpelstilzchen.

„Wo fahren wir hin?"

„Siehst du dann ja..."

„Dauert die Fahrt noch lange?"

„Weiß nicht genau..."

„Kannst du auch im ganzen Satz mit mir reden?"

„Nicht jetzt..."

„Ah...", sagte ich und verschränkte meine Arme, „Na gut..." Eingeschnappt schaute ich aus dem Fenster. Meine Hand ertastete die kleine Figur aus dem Happy-Meal in meiner Jackentasche. Es war ein winziger Superheld, der seine Hand gen Himmel streckte und hoffte jeden Moment abzuheben. Zumindest stellte ich ihn mir so vor, jedoch hatte ein Fehler in der Produktion dafür gesorgt, dass meiner kleinen Figur Farbklekse ins Gesicht geraten waren. Jetzt sah er mehr so aus wie ein mini Hitler mit Superhelden-Cape und lauter Leberflecken. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon kurz nach sieben war. Wir fuhren schon seit über zwei Stunden durch die Gegend und ich fragte mich, warum braucht Jack kein NAVI? Kann er sich einfach so alle Routen merken? Ist das alles in seinem Ich-klau-der-Königin-ihr-Kind-Gedächtnis abgespeichert? Schließlich pennte ich irgendwann ein vor lauter Langerweile. Aufwachen tat ich erst, als Jack mir mit seinem Finger ein gefühltes Loch in die Schulter pikste. „Au...Rump-...äh...Jack, dass tut weh!" „Rump-...? Meinst du schon wieder Rumpelstilzchen?" „Nein! Also Ja, ich hab von einem geträumt...", versuchte ich meinen geheimen Spitznamen für ihn irgendwie geheim zu halten. Zwar hatte ich ihn schon mal irgendwann Ausversehen so genannt, aber er musste es ja nicht wirklich wissen. Das kratzt nur wieder an seinem Ego. „Wir sind da...", meinte er. Ich schaute aus dem Fenster und erblickte, im Halbdunkel, ein mir nur allzu sehr vertrautes Gebäude. „Was?" Ich sprang aus dem Wagen. Wir parkten vor dem Waisenhaus. Meinem Waisenhaus. Das Gebäude in dem ich schon mein ganzes Leben verbrachte, bis Jack mich entführte. Zuhause. Mein irgendwie geliebter Kinderknast. Ich wollte da eigentlich immer raus und jetzt wo ich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder davor stehe spüre ich wie sehr ich es doch vermisst habe. Ein breites Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ich machte zögerlich ein paar Schritte auf die Tür zu. Abrupt blieb ich stehen und drehte mich zu Jack um. Er lehnte lässig am Wagen und beobachtete mich. „Was machen wir hier, Jack?" Ein wehmütiger Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Du wirst erstmal hier bleiben. Mit der Polizei ist auch schon alles geklärt und-" „Was? Warum? Warum darf ich jetzt wieder nach Hause?", unterbrach ich ihn. Bei den Worten nach Hause trat kurz Traurigkeit auf sein Gesicht. Ich ging auf ihn zu und blieb knapp vor ihm stehen. Jack blickte auf mich herunter und sagte: „Hier bist du nun mal am sichersten im Moment. Die anderen und ich werden in nächster Zeit uns damit beschäftigen wie wir Leon loswerden und wie wir die Sache mit den Vampirjägern klären. Es ist so viel zu tun bei dem du nicht helfen kannst und in meiner Nähe wärst du ständig in Gefahr." „Aber ich bin unsterblich und zu irgendetwas ist doch jeder zu gebrauchen. Warum willst du mich loswerden?" Er lächelte sein typisches schiefes Lächeln, aber diesmal erreichte es nicht seine Augen. Darin spiegelte sich nur Traurigkeit und Wehmut wieder. Und mein verständnisloses Gesicht... „Bei dem was wir vorhaben kannst du uns wirklich nicht helfen. Du wärst uns nur ein Klotz am Bein und würdest die Anderen auch in Gefahr bringen und, das kann ich nicht verantworten." Jetzt ergaben Marys letzte Worte zu mir auch Sinn und plötzlich zerbrach irgendetwas tief in mir. Die ganzen letzten Tage hatte ich immer irgendwie das Gefühl gehabt wichtig zu sein. Alles hatte irgendwie mit mir zu tun gehabt und nun? Jetzt war ich nutzlos geworden. Ein Sicherheitsrisiko. Ich nickte verständnisvoll, spürte aber wie sich Tränen nach oben kämpften. War das narzisstisch von mir? Warum war ich traurig nicht mehr hilfreich oder wichtig zu sein? Warum war ich traurig Jack endlich loszuwerden? Müsste ich nicht eigentlich Freudensprünge machen? Mich freuen teilweise wieder in mein altes Leben zurück zu kehren? Jack hielt seinen Kopf schief und versuchte mir in die Augen zu sehen, aber ich starrte starr an ihm vorbei und da kapierte ich es: Ich hatte mich tatsächlich in ihn verliebt. Er hatte mir so oft wehgetan und trotzdem...Er hatte mich gerettet und zu mir gehalten, als es drauf ankam. Er hatte mich belogen und trotzdem auch mit mir gelacht. Er hatte mich entführt und trotzdem will ich jetzt nicht zurück zu dieser... Langenweile. Ich wollte mehr. Mehr Jack und mehr Leben. Ich wollte das Leben spüren und es bis zur kleinsten Faser ausreizen. Und ich wollte das Jack mir zeigte wie. Die Tränen rannen mir die Wangen herunter und ich starrte in Jacks überraschte Augen. „Ah...Was? Was hast du? Warum weinst du?", fragte er und versuchte mir die Tränen von der Wange zu wischen. „Ich-Ich will das aber nicht..." „Was willst du nicht? Zurück ins Waisenhaus? Wir können dich auch in einem Hotel oder so unt-" „Nein...", schluchzte ich, „Ich will nicht...." Er lachte kurz. „Ella, wenn du mir nicht sagst was du nicht willst kann ich dir nicht helfen", sagte Jack und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Ich-Ich", versuchte ich es nochmal und zitterte leicht. Konnte ich es ihm wirklich sagen? Nein! Das wäre schwach und genau das durfte ich im Moment nicht sein. Energisch wischte ich die Tränen fort. Die scheiß Kontaktlinsen verrutschten und ich versuchte sie irgendwie wieder hinzuschieben. „Kannst du mir mal helfen? Die blöden Dinger sind verrutscht..." „Äh...", er wirkte kurz irritiert, „Klar..." Als alles wieder da saß wo es hin gehörte fragte er: „Was willst du denn jetzt nicht?" „Ich will nicht jeden Tag diese Kontaktlinse tragen müssen. Kann ich nicht irgendwohin wo ich als ganz normaler Halbvampir mit goldenen Augen herumlaufen kann?", versuchte ich mich rauszureden. Jack schmunzelte: „Tut mir leid, aber da fällt mir kein Ort ein. Aber deswegen musst du doch nicht gleich weinen." „HAST DU SCHON MAL KONTAKTLINSEN GETRAGEN?", fuhr ich ihn vielleicht etwas zu doll an. Er lachte und hob abwehrend die Hände: „Schon gut...Ich mein ja nur..." „Wenn sie nicht ordentlich sitzen brennen die Dinger wie Hölle und unangenehm sind sie auch! Da tränen einem schon mal die Augen...", setzte ich noch nach um meine Heulattacke zu rechtfertigen. Ich schob meine Hände in die Jackentasche und umklammerte mini-Helden-Hitler. „Also...Du hast die Wahl...Waisenhaus oder Hotel?" 'Da fragst du noch?', beschwerte sich meine innere Stimme, die nach der Feststellung das wir uns tatsächlich in das Rumpelstilzchen verliebt hatten einen Nervenzusammenbruch hatte. 'Glaub mir...Ich hätte auch lieber den Märchenprinzen...' „Hotel...aber vorher muss ich mich noch bei jemandem entschuldigen und verabschieden...", meinte ich und drehte mich zum Haus um. „Na dann...Los!", meinte Jack und ging auf die Eingangstür zu. „Du willst mitkommen?", fragte ich entsetzt. „Schon vergessen? Ich hab bei denen auch noch was gut zu machen...", meinte er schmunzelnd und ich dachte schmerzlich an die Glasscherben in meinen Füßen zurück. „Gut, aber sei bitte irgendwie...nun ja... normal...", sagte ich und betrat das Waisenhaus. „Ella...Du kennst mich doch jetzt schon gut genug um zu wissen das ich die Normalität in Person bin, bloß halt in sau mäßig gutaussehend..." „Siehst du? Genau das mein ich! Du bist unmöglich!"

Nein, du bist leider Jack Blackwood...

Vampire entführen keine kleinen MädchenOnde as histórias ganham vida. Descobre agora