Note.6

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Es hat nicht aufgehört
wehzutun,
als ich begriffen habe warum.
Es hat nur aufgehört
etwas zu bedeuten

"Ley!"

Als ich die Stimme hörte, zog ich die Schultern noch ein Stück höher und beschleunigte meine Schritte.

"Ley!"

Nur noch ein paar Schritte ...

"Ley!"

Oje, die Stimme kam näher!

"Ley, verdammt!"

Im nächsten Moment wurde ich an der Schulter gepackt und festgehalten.

So ein Pech aber auch!

Dann stand ich auch schon unmittelbar einer der Personen gegenüber, die ich eigentlich nicht sehen wollte.

Sie betrachtete mich kopfschüttelnd. "Was soll das denn? Ich wollte doch nur mit dir reden!"

Enttäuscht. So klang der Tonfall.

Enttäuscht. Manipulierend.

Enttäuscht, doch der Ausdruck in den Augen war nicht echt.

Nichtssagend zuckte ich die Schultern. "Was willst du denn?"

Mein Gegenüber starrte mich kurz finster an und ließ mich dann los. "Ich wollte dich fragen, ob wir uns heute noch treffen können."

Wieder zuckte ich mit den Schultern. "Keine Ahnung, ich werd' mal schauen."

Arrogant wurde eine Augenbraue hochgezogen und ein fast verächtlicher Ausdruck verzierte das Gesicht meines Gegenübers.

"Ach ja? Das heißt aber meistens nein!"

Ich zuckte die Schultern und fasste nach einem der Schnüre meines Rucksacks. "Ich habe aber nicht nein gesagt, ich sagte, ich sehe später mal!"

Ein Schnauben war die einzige Antwort.

Da tauchte plötzlich Xenia neben mir auf und betrachtete mein Gegenüber mit einem verachtenden Gesichtsausdruck.

"Was willst du, Lacey?!", fauchte sie sie dann an.

Lacey war ... kompliziert.

Einerseits war sie eine von Xenias Konkurentinnen, andererseits schien es mir fast so, als wolle sie immerzu in meinem Schatten stehen.

So ganz verstand ich es nicht.

Wieso bitte wollte sie eine Anhängerin von mir sein, obwohl ich generell eigentlich nicht wirklich welche hatte, und benahm sich dann Xenia gegenüber so?

Wäre es nicht viel einfacher gewesen, sich an Xenia heranzumachen?

Lacey zuckte die Schultern und starrte Xenia finster an. "Ich will doch nur etwas mit Ley machen!"

Xenia starrte finster zurück. "Und wieso bitte?!"

Lacey war schon dabei zurückzukeifen, als ich Kyron meinen Namen rufen hörte.

Seufzend ließ ich die Beiden stehen und lief auf Kyron und sein Auto zu.

"Hey!", wurde ich begrüßt und als nächstes stürmisch in seine Arme gezogen, wo er mir gleich einen heftigen Kuss auf den Mund drückte.

Ich ließ es über mich ergehen. Kyron hatte gerne die Kontrolle und anscheinend war ich ihm bei sowas nicht gut genug oder was weiß ich schon.

Auf jeden Fall küsste er lieber, statt geküsst zu werden.

Wie ich es besser beschreiben sollte, wusste ich jetzt auch nicht.

Ein wenig kompliziert war es eben schon.

Aber verstehe mich niemand falsch - es war nicht so, dass ich den Kuss nicht genoss ... es war mir nur etwas zu einseitig.

Als er sich wieder von mir löste, musste ich unwillkürlich an Ace denken. Er hatte seine Stirn an meine gelehnt und mir in die Augen gesehen.

Warum tat Kyron das nie bei mir? War es denn zuviel verlangt zumindest ein wenig Zärtlichkeit zu zeigen?

Einmal?

Ich räusperte mich leise.

"Hm?" Fragend sah Kyron zu mir hinunter und musterte mich fast schon ... benommen.

War er bekifft?

Also geschmeckt hatte er nicht so, aber wer wusste schon, was es noch so für geschmacksneutrale Drogen gab.

"Nichts", gab ich also nur zur Antwort und lächelte ihn nichtssagend an.

Er nickte. Entdeckte die Lüge nicht.

Aber das tat er nie.

Niemand von ihnen tat es.

Nie.

Ich seufzte.

Und genau das hasste ich an diesen verdammten Illusionen einer perfekten Welt.

Niemand durchschaute sie alle.

Poisonous PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt