Note.17

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Du musst mir nicht zuhören.
Nicht für mich da sein.
Mich nicht ansehen.
Mich nicht lieben.
Ich will es ja selbst nicht.
Ich bin es nicht wert.

Mit einem Schluchzer auf den Lippen ließ ich mich auf mein Bett fallen.

Warum war die Welt eigentlich manchmal so verdammt unfair?

Und was hatte meine Mutter damit gemeint, dass ich auch zu sehen gewesen war?

Wobei ... na ja, wenigstens musste ich so vielleicht nicht in die Schule.

Der Gedanken ließ ein Lächeln über mein Gesicht wandern und ich wischte mir die Tränen auf den Augen und vom Gesicht.

"Hmpf."

Abrupt hielt ich inne und richtete mich dann langsam auf. Verdutzt sah ich zu meinen Fenstern.

Nichts.

War das Geräusch nicht von dort gekommen?

Irritiert erhob ich mich, tapste quer durchs Zimmer und spähte vorsichig hinaus.

Kyron saß ungefähr zwanzig Zentimeter unter mir und winkte mir verlegen zu.

Der Baum, auf dessen Ästen er saß, warf durch die über Kyron liegenden Äste Schatten auf sein Gesicht, sodass ich den Eindruck hatte, dass es aussah, als hätte jemand mir sehr viel Wut und sehr großen Fäusten Kyrons Gesicht bearbeitet.

Schnell riss ich das größte und nebenbei über ihm liegende Fenster auf.

"Was machst du denn hier?" Ich hatte meine Stimme so weit wie möglich gesenkt und mich zu ihm hinunter gebeugt.

Er lächelte mir zu, verzog dann aber das Gesicht, als hätte er Schmerzen.

"Geh mal beseite", bat er mich dann aber schon, bevor ich sein Gesicht doch noch einmal genauer in Augenschein nehmen konnte.

Ich tat ihm den Gefallen und wich einen Schritt beseite.

Im nächsten Moment hatte sich Kyron schon in mein Zimmer geschwungen.

Sofort erkannte ich, dass es keineswegs bloß Schatten gewesen waren, wie ich gedacht hatte.

Kyrons Gesicht hatte eine Färbung von blau zu lila angenommen. Seine Augen schimmerten und sahen ein wenig geschwollen aus. Als hätte er geweint.

Erschrocken schnappte ich nach Luft. "Was ist denn mit dir passiert?!"

Kyron lächelte mich sanft an und streichelte mir mit einer Hand leicht über die Wange. "Nichts, nur ein kleiner Unfall. Ist kein Problem. Ich bin nur gestolpert."

Ich schnaubte verächtlich. "Ach ja? Gestolpert? In eine Faust rein oder wie?!"

Er seufzte. Dann zog er sein Handy aus der Tasche.

"Setzen wir uns." Seine Stimme war nur ein leises Murmeln. Angespannt und irgendwie ängstlich.

Ich nickte. "Okay." Schnell ergriff ich seine Hand und zog ihn zu meinem Bett.

Kaum saß er neben mir, fing er mir stumpfer Stimme an zu reden.

"Ich werde dir jetzt dieses verdammte Video zeigen. Scheinbar hat es eh schon jeder gewesen. Und es fand nicht jeder so toll." Er seufzte kurz und tief. "Du hast jedes Recht der Welt sauer auf mich zu sein."

Irritiert sah ich zu ihm hinüber. "Was meinst du?"

"Das wirst du dann schon wissen." Er klang unglaublich müde.

Seine Hand mit dem Handy, dass er mir hinhielt, zitterte.

Ich schluckte und ergriff es dann.

Das Display leuchtete mir entgegen. Kyron musste es schon entsperrt haben.

Ein Bild war zu sehen. Ein Video.

Ich zögerte und warf noch einen Blick zu Kyron.

Er hatte den Blick gesenkt.

Dann wanderten meine Augen wieder zum Handydisplay.

Mein Finger schwebte darüber. Entschlossen tippte ich auf den leuchtenden Bildschirm.

Poisonous PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt