Note.12

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Ich war es nie wert.
Immer nur der Trostpreis, die ewige zweite Wahl.
Weißt du, wie es ist, sich absolut wertlos zu fühlen?
Zu wissen,
dass es niemanden interessiert, wie es dir geht?
Weißt du das?
Dann weißt du, wie ich mich fühle.
Tag für Tag.
Stunde für Stunde.
Sekunde für Sekunde.

"Ley?", schallte es leise durch die Bibliothek.

Kurze Stille.

Dann: "Ley?!"

Erschrocken zuckte ich zusammen und wischte schnell meinen Block und meine Bücher, sowie mein Mäppchen vom Tisch.

Polternd fielen sie unter den Tisch. Gerade noch rechtzeitig, bevor Rebecca um die Ecke bog.

Verwirrt blinzelte ich.

Rebecca? Was machte sie denn hier?

Ich hätte jetzt eher mit Hope, Xenia oder Kyron gerechnet als mit ihr.

"Rebecca." Freundlich lächlete ich sie an. Oder versuchte es zumindest. Ich wusste nicht, ob sie mir dieses Lächeln abkaufte.

"Ley, wieso bist du denn hier?" Skeptisch musterte sie mich. Ok, das Lächeln kaufte sie mir also nicht ab.

Ich zuckte mit den Schultern. "Ich hatte ein bisschen Kopfschmerzen und brauchte Ruhe."

Während ich redete, sah ich möglichst nicht nach unten.

Mein auf dem Boden liegender Block und die Bücher waren zu riskant, als dass ich sie irgendjemandem hätte zeigen können.

"Ach so." Jetzt lächelte Rebecca doch zurück und ließ sich dann vollkommen locker auf den Stuhl mir gegenüber fallen.

Scheiße!

Das war jetzt nicht gut!

Sie durfte die Sachen auf gar keinen Fall entdecken. Sonst war ich definitiv aufgeschmissen.

"Wieso hast du mich denn gesucht?", wollte ich leicht angespannt wissen.

Sie zuckte die Schultern. "Da du am Wochende ja wenig Zeit zu haben scheinst, wollte ich dich fragen, ob du auch wann anders kannst?"

Fragend neigte sie leicht denn Kopf.

Langsam wanderte ihr Blick von mir, über den Tisch, dann runzelte sie ihre Stirn.

"Was hat da eben so gepoltert?"

Für einen winzigen Moment war mir, als bliebe mir mein Herz stehen.

Mein Atem hielt an und Adrenalin begann sich stoßartig in meinem Körper auszubreiten.

Da rettete mich das wohl älteste Klischee.

Die Bibliothekarin.

"Könnt ihr nicht leiser sein?!" Mit Wut in den Augen und in die Hüften gestemmten Händen starrte sie uns finster an.

Eigentlich war Miss Frost ein netter Mensch, aber sie hasste es, wenn es laut war, was wohl ihren Job erklärte.

Rebecca verzog pikiert ihre Lippen und musterte Miss Frost von oben nach unten und wieder nach oben.

Na gut, ich gebe es zu, es gab schon einen Grund, aber musste Rebecca so abfällig gucken?

War es echt so schlimm, dass Miss Frost komplett in schwarz gekleidet war, wie sie es - ganz nebenbei - immer war?

Manchmal erinnerte sie mich ein bisschen an einen Vampir mit der hellen Haut, aber ihre gefärbten Haare hatten irgendwie einen gegenteiligen Effeckt.

Oben der Ansatz pechschwarz, dann blau und an den Spitzen weiß.

Außerdem war sie zum typischen Klischee auch im mittleren bis älteren Alter.

Kein Wort war mir bis jetzt eingefallen, um sie angemessen zu beschreiben.

Rebeccas verächtliches Schnauben riss mich aus meinen Gedanken.

Miss Frost quittierte das aber nur mit einer hochgezogenen Augenbraue, dann fauchte sie schlechtgelaunt: "Du gehst jetzt sofort, du hast hier Betrettungsverbot!"

Wütend presste Rebecca die Lippen aufeinander, dann warf sie mir einen auffordernden Blick zu.

Was für ein Unglück im Glück.

Poisonous PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt