Note.8

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Meine Gedanken sind eine schwelende Wunde.
Du kannst so viele Pflaster darüberkleben, wie du willst -
heilen tut es trotzdem nicht.

Fast wäre ich zurückgewichen, unterdrückte dieses Reflex aber sofort wieder.

Immerhin wollte ich nicht ängstlich oder wie eine Beute erscheinen.

Das wäre jetzt wirklich die vollkommen falsche Reaktion gewesen.

Statt wie erwartet wütend zu sein, sah Kyron stattdessem vollkommen ... glücklich aus.

Seltsam.

Ich dachte immer, das hätten wir gemeinsam. Das wir einfach nicht wirklich glücklich waren ...

Anscheinend doch nicht.

Fast so etwas wie ... Enttäuschung breitete sich in mir aus.

Kyron schien es zu bemerken, denm er legte den Kopf schief und sah mich nachdenklich an. "Ist alles in Ordnung?", wollte er dann leise, sanft wissen.

Ich zuckte die Schultern und schlang schützend die Arme um mich.

Aber die Antwort war nein. Nein, natürlich war nicht alles in Ordnung mit mir.

Nein, nein, war es schon lange nicht mehr. So lange. Und ich wusste es auch selbst.

Aber was sollte ich schon tun? An wen sollte ich mich schon wenden?

An meine Eltern? Nein, nie im Leben!

An meine Schwester? Auch keine Option.

Und meine 'Freunde'? Sie würden diese Information über mich ausnutzen, um mich fertig zu machen. Zu vernichten.

Dessen war ich mir bewusst.

Hope war eine Idee. Aber ich kannte sie noch nicht lange genug, um ihr zu vertrauen.

Und Kyron? Natürlich er war mein fester Freund, aber wirkliches Vertrauen gab es zwischen uns auch nicht wirklich.

Ich konnte es einfach nicht. Es gab nie jemandem in meinem Leben, dem ich je wirklich hatte vertrauen können.

Niemanden.

Zu viel Oberflächlichkeit. Zu viele Lügen und Illusionen.

Zu viel Druck.

Von mir wurde erwartet, dass ich perfekt war. Perfektes Verhalten. Perfekte Noten. Da war kein Platz für etwas anderes.

Vorsichtig machte Kyron einen Schritt auf mich zu und nahm mein Kinn in die Finger, um es anzuheben.

Unsere Blick verwoben sich ineinander, dann war sein Mund schon auf meinem.

Unser Kuss war fast verzweifelt. Als wüssten wir beiden, dass es so nicht weitergehen konnte.

Aber war er nicht vorhin noch glücklich gewesen?

War das jetzt auch nicht echt gewesen? War der Ausdruck seiner Augen auch nur eine weitere Lüge gewesen?

War es so?

Plötzlich schmeckte ich Salz und Kyrons Kuss vertiefte sich noch.

Jetzt umfasste er mit beiden Händen mein Gesicht und ich griff mit meinen nach seinen Schultern.

Ich brauchte irgendetwas zum Festhalten.

Irgendetwas.

Zu viele Emotionen auf einmal stürmten auf mich ein.

Zu viel Empfindungen.

Wann hatte ich mich das letzte Mal so gefühlt?

Aber in mir grenzte es fast an Verzweiflung.

Aber Salz?

Dann fühlte ich etwas nasses an meinem Gesicht.

Aber ich weinte doch gar nicht ... und Kyron wirkte auch nicht verwirrt.

War er am Weinen?

Schnell schlang ich die Arme um seine Taille.

Obwohl ich ihm nicht wirklich vertraute, bedeutete er mir doch viel und ich wollte nicht, das er litt.

Das wollte ich nie.

Und es war erschrecken plötzlich meinen Halt brechen zu sehen.

Denn genau das war Kyron irgendwie.

Wir waren gemeinsam aufgewachsen, hatten dasselbe durchgemacht. Ich wusste, wie er sich fühlte.

Und genau das machte mich vollkommen fertig.

Poisonous PerfectionWhere stories live. Discover now